Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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300 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
wir <strong>in</strong>sofern besser an, als man uns die Thorflügel öffnete und e<strong>in</strong>reiten<br />
ließ. Wir waren recht müde geworden, glitten sacht aus unsern Sätteln<br />
herab und da es auch bei e<strong>in</strong>tretender Nacht etwas kühl geworden<br />
war, traten wir an das Herdfeuer, welches rechts im Thorwege loderte.<br />
Erst als wir e<strong>in</strong>e Zeitlang gesessen, uns e<strong>in</strong> wenig erwärmt und die unentbehrliche<br />
Papiercigarre angezündet hatten, bemerkten wir, daß die<br />
Localität, <strong>in</strong> der wir uns befanden, über alle Beschreibung ärmlich war.<br />
Dieser Raum war nicht, wie der jener Ventas <strong>in</strong> der Mancha und der<br />
Sierra Morena – dort e<strong>in</strong> wenn gleich großer, doch behaglicher Raum,<br />
hier dagegen niedrig, schmal, so daß der Rauch nicht aufsteigen konnte<br />
und er e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> die Augen biß. Das Ganze sah aus, wie e<strong>in</strong> ehemaliger<br />
schlechter Stall für Kühe, wenn er nicht vielleicht e<strong>in</strong>stens für e<strong>in</strong>e<br />
noch viel unedlere Thiergattung gedient hatte. Es war Schade für das<br />
hübsche Gesicht und die glänzenden Augen der Wirth<strong>in</strong>, ihr gewiß sehr<br />
appetitlicher weißer körperlicher Kern steckte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gar zu schmierigen<br />
Schale. Sie er<strong>in</strong>nerte uns lebhaft an unsern redlichen Mistkäfer aus<br />
Almagro. Die Anwesenden rückten zusammen, um uns den besten Platz<br />
an dem lodernden Feuer zu überlassen und dann wurden die bekannten<br />
Anstalten getroffen, um für uns e<strong>in</strong> Abendessen zu bereiten. <strong>E<strong>in</strong></strong> eiserner<br />
Kessel, halb mit Wasser gefüllt, wurde <strong>in</strong> die Gluth geschoben, mit<br />
e<strong>in</strong>em Huhne und Reis gefüllt, viel Zwiebel und spanischer Pfeffer kam<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und dann ließ man die Brühe <strong>in</strong> dem Gefäß ohne Deckel schmoren.<br />
Daß grade heute der Kessel unbedeckt war, hatte für uns dadurch<br />
etwas besonders Unangenehmes, daß dicht bei unserer Abendmahlzeit<br />
e<strong>in</strong> alter Kerl hockte, mit sehr unappetitlichen kranken Händen. Diese<br />
wärmte er an dem Kohlenfeuer, rieb auch sanft an ihnen herum, bei welcher<br />
Beschäftigung er so nahe an und über unsern offenen Suppenkessel<br />
kam, daß ich, obgleich ziemlich abgehärtet, mich doch e<strong>in</strong>es Ekels nicht<br />
erwehren konnte. Glücklicherweise kam Alonzo aus dem Stalle zurück,<br />
den ich auf die unangenehmen Zuthaten aufmerksam machte, die unsere<br />
geme<strong>in</strong>schaftliche Suppe möglicherweise erhalten könnte, worauf<br />
er ohne viel Umstände und mit sehr kräftigen Worten den ungebildeten<br />
Gast <strong>in</strong> die Ecke zurückscheuchte. Trotzdem sich die Frau Wirth<strong>in</strong> viel<br />
Mühe mit ihrem Kessel gab, war der Inhalt desselben dennoch schlecht,<br />
und nur der unbändige Hunger, den wir Alle hatten, brachte uns dazu,<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 301<br />
die schmutzige Brühe und das alte Huhn zu verschl<strong>in</strong>gen. Um aber mit<br />
Allem im <strong>E<strong>in</strong></strong>klange zu bleiben, war auch unser Abendtrunk, die Chokolade,<br />
kraft- und saftlos und unsere Schlafzimmer die elendesten Löcher,<br />
die wir <strong>in</strong> ganz <strong>Spanien</strong> angetroffen haben. Eben so schlecht waren<br />
die Betten, doch Dank unserer großen Müdigkeit, schliefen wir vortrefflich<br />
und zwar so fest und anhaltend, daß uns Alonzo bei Tagesanbruch<br />
wecken mußte.<br />
Beim H<strong>in</strong>ausreiten aus Castro del rio konnten wir e<strong>in</strong>en Blick auf die<br />
Stadt werfen. Hiezu war es gestern Abend zu dunkel gewesen. Wenn<br />
wir auch von Gebäuden nicht viel Besonderes sahen, so kamen wir doch<br />
hie und da an e<strong>in</strong>em Bauwesen vorbei, das durch maurische Form der<br />
Fenster und Thüren oder durch irgend e<strong>in</strong>en Bogengang, der auf schlanken<br />
Säulchen ruhte, unsere Aufmerksamkeit <strong>in</strong> Anspruch nahm. Die<br />
entlassenen Soldaten, die gestern Abend mit uns gezogen, begleiteten<br />
uns auch heute wieder. H<strong>in</strong>ter Castro del rio ritten wir e<strong>in</strong>e öde Berghalde<br />
h<strong>in</strong>auf, von wo wir rückwärts blickend die Stadt malerisch um<br />
ihren Berg geschlungen ausgebreitet vor uns liegen sahen. Auch sahen<br />
wir, über sie h<strong>in</strong>wegblickend, unsern gestrigen Weg, ja Horschelt mit<br />
se<strong>in</strong>en scharfen Augen die Kirche von Baena. Es ist eigenthümlich, daß<br />
sich hier <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> so plötzlich und vollständig die Gegend ändert.<br />
Verschwunden waren jetzt wieder Wiesen und Wald und statt dessen<br />
ritten wir bergauf, bergab, anfänglich über trostlose, umgearbeitete Flächen,<br />
eigentlich auf gar ke<strong>in</strong>em Wege, denn oft lange Strecken mußten<br />
die Pferde über den vom Pflug aufgelockerten Boden schreiten. Glücklicherweise,<br />
daß wir ke<strong>in</strong> Regenwetter hatten, denn sonst muß es hier<br />
bodenlos se<strong>in</strong>. Von e<strong>in</strong>er Gegend war gar ke<strong>in</strong>e Rede; wo wir die Fruchtfelder<br />
verließen, waren wir eigentlich noch schlimmer daran, denn dann<br />
g<strong>in</strong>g es an Bergabhängen vorbei, auf so schmalen Pfaden, an steilen Abhängen<br />
h<strong>in</strong>, daß an vielen Stellen e<strong>in</strong> Fußgänger se<strong>in</strong>e liebe Noth damit<br />
gehabt hätte. Obgleich unsere Pferde unermüdlich auf und ab kletterten,<br />
so f<strong>in</strong>gen sie doch nach zweitägigem beschwerlichem Marsche an,<br />
müde zu werden, und der Hombre tigre brauchte se<strong>in</strong>e ganze andalusische<br />
Beredtsamkeit, um sie durch recht freundliche Worte munter zu<br />
erhalten. Er hielt denn auch lange Reden an sie, wor<strong>in</strong> er ihnen ihre Vergangenheit<br />
und Zukunft lebhaft vor Augen führte, sie auf den golde-