Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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210 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Der andere Tag war e<strong>in</strong> Sonntag und da der Eilwagen von Sevilla<br />
nach Granada, den wir benutzen wollten, erst am folgenden Morgen um<br />
zwei Uhr hier ankam, um gleich darauf weiter zu gehen, so hatten wir<br />
Muße genug, uns die alte Stadt zu betrachten. Gleich am Morgen durchschritten<br />
wir e<strong>in</strong>en großen Theil derselben, da es uns drängte, zuerst die<br />
alte Schloßru<strong>in</strong>e zu besuchen. Indem Jaen, wie schon früher bemerkt,<br />
an den Berg h<strong>in</strong>an gebaut ist, so steigen alle Straßen und oft ziemlich<br />
steil, was der an sich <strong>in</strong>teressanten Stadt noch etwas besonders Malerisches<br />
verleiht. Die schmalen und hohen Häuser, bald christlichen bald<br />
arabischen Ursprungs, hier mit viereckigen, dort mit gewölbten Fenstern,<br />
bald mit e<strong>in</strong>er Terrasse versehen und bald mit e<strong>in</strong>em Ziegeldache,<br />
schauen über e<strong>in</strong>ander weg, und die meisten zeigen <strong>in</strong> ihrem obersten<br />
Stockwerke e<strong>in</strong>e Reihe luftiger Logen, deren Bögen meistens auf<br />
schlanken Säulen ruhen. Für e<strong>in</strong>en Maler gäbe es hier wochenlang die<br />
schönste Ausbeute, denn bei jeder Straßenbiegung, bei jedem Schritt,<br />
den man weiter <strong>in</strong> die Stadt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>thut, sieht man die <strong>in</strong>teressantesten<br />
und orig<strong>in</strong>ellsten Sachen, bald e<strong>in</strong>en Erker, der wie e<strong>in</strong> Schwalbennest<br />
an irgend e<strong>in</strong>em Gebäude klebt, bald e<strong>in</strong>e seltsame Treppe, bald e<strong>in</strong>en<br />
ehemals maurischen Brunnen, den man durch die schlechte Statue e<strong>in</strong>es<br />
christlichen Heiligen gerade nicht besonders verschönerte.<br />
Zum Schlosse h<strong>in</strong>auf führt e<strong>in</strong> ziemlich steiler Fußweg bei e<strong>in</strong>er alten<br />
maurischen Wasserleitung vorbei, die noch heute ihren Dienst thut. Ihre<br />
Ränder waren mit frischen Schl<strong>in</strong>gpflanzen bewachsen, und sie bildete<br />
so e<strong>in</strong>en wohlthuend grünen Streifen auf dem gelben kahlen Sandste<strong>in</strong>boden,<br />
über dem sie hergeführt war. Aus den herabgerollten Ste<strong>in</strong>en<br />
der Schloßmauern hatten die Leute Terrassen gebaut, auf denen sie<br />
Reben zogen, und diese We<strong>in</strong>gärtner wohnten dabei <strong>in</strong> sehr provisorischen<br />
Hütten und Häusern. Aber das Klima ist ja mild und angenehm,<br />
und wo jetzt Anfang Februar ganz nackte kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der mit ihren Füßchen<br />
im herabrieselnden Bergwasser standen, da braucht man eigentlich<br />
nicht viel Vorkehrungen für den <strong>W<strong>in</strong>ter</strong> zu treffen. Auf der Hälfte<br />
des Berges, bis wo die gewaltigen Schutzmauern herunterreichten, versperrten<br />
uns diese plötzlich den weiteren Weg und zwar <strong>in</strong> der Nähe<br />
e<strong>in</strong>es kle<strong>in</strong>en Hauses, das so malerisch, unabsichtlich und orig<strong>in</strong>ell <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Mauerw<strong>in</strong>kel errichtet war, daß wir verwundert stehen blieben; e<strong>in</strong><br />
KAPITEL 17. JAEN. 211<br />
ehemaliges Säulenthor, von dem aber die Hälfte zerbröckelt umherlag,<br />
bildete den Hausflur, der mit Balken und Latten bedeckt war, über welche<br />
sich e<strong>in</strong>e gewaltige We<strong>in</strong>rebe schlang. Oben aber <strong>in</strong> dem Gewölbe<br />
des Thorbogens hatte man e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Schlafgemach gewonnen, während<br />
das Wohnzimmer durch Mauerw<strong>in</strong>kel gebildet ohne Fenster war<br />
und se<strong>in</strong> Licht nur durch den alten Thorbogen erhielt.<br />
Der helle lustige Klang e<strong>in</strong>er Weiberstimme drang aus dem dunkeln<br />
Raume hervor und veranlaßte uns, näher zu treten, um uns nach dem<br />
weitern Wege zu erkundigen. Statt der Spanier<strong>in</strong> aber trat uns e<strong>in</strong>e Gestalt<br />
entgegen, vielleicht ihr Vater, Bruder oder auch ihr Mann, der viel<br />
mehr e<strong>in</strong>em Räuber als e<strong>in</strong>em harmlosen We<strong>in</strong>gärtner ähnlich sah. Er<br />
hatte den andalusischen Hut trotzig auf das rechte Ohr gedrückt und<br />
zeigte uns e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>steres und mürrisches Gesicht. <strong>E<strong>in</strong></strong> schwarzer Bart bedeckte<br />
K<strong>in</strong>n und Mund, und unter tief herabhängenden Augenbrauen<br />
blickten uns die dunkeln Augen an. Auf der l<strong>in</strong>ken Schulter trug er e<strong>in</strong>e<br />
roth und schwarz gestreifte Manta; und während er sich vor uns h<strong>in</strong>stellte,<br />
stützte er sich auf e<strong>in</strong> langes Gewehr, und se<strong>in</strong> Messer im Gürtel<br />
war wenigstens ebenso lang wie das unseres Wirthes Don Ramiro. – Woher<br />
des Weges? fragte er uns. Wir erklärten ihm, wir wollten das Schloß<br />
besuchen, hätten aber wahrsche<strong>in</strong>lich den Weg verfehlt. Und das hättet<br />
ihr wohl sehen können! antwortete er, denn durch We<strong>in</strong>berge führt<br />
wohl nirgendwo die öffentliche Straße. Da Ihr aber e<strong>in</strong>mal da seid, so<br />
will ich Euch durch me<strong>in</strong> Haus lassen, und dann könnt Ihr drüben weiter<br />
klettern. Kommt! Damit trat er unter den Thorbogen zurück, und<br />
ich b<strong>in</strong> nicht ganz sicher, ob ich ihm gefolgt wäre, wenn ich mich alle<strong>in</strong><br />
befunden hätte. – Über dem Thorbogen h<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e große aufgerollte Matte,<br />
um diesen zu verschließen, und als wir <strong>in</strong> das Innere traten, fiel mir<br />
das Haus des Spara fucile <strong>in</strong> der Oper Rigoletto e<strong>in</strong>. Genau so sah Wohnung<br />
und Wirth aus. Auch die hübsche Schwester war da und trillerte<br />
ihr Liedchen fort, als beachte sie uns gar nicht. H<strong>in</strong>ten <strong>in</strong> der Wohnstube<br />
befand sich e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Thür, die er uns öffnete, und dann wieder<br />
verschloß, als wir h<strong>in</strong>durch gegangen waren.<br />
Längs der Mauer suchten wir unsern Weg weiter, und als ich mich<br />
noch e<strong>in</strong>mal umwandte, bemerkte ich das lachende Gesicht der schönen<br />
Spanier<strong>in</strong>, die uns freundlich nachblickte, lachend die weißen Zähne<br />
zeigte und dann verschwand.