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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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96 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

von Zäunen aus niederem Gebüsch e<strong>in</strong>gefaßt, und da die Mittelstraße<br />

ste<strong>in</strong>ig und meistens unergründlich kothig war, so ritten wir auf diesen<br />

Trottoirs, aber <strong>E<strong>in</strong></strong>er h<strong>in</strong>ter dem Anderen, was ziemlich langweilig<br />

war. Zuweilen lassen Lücken <strong>in</strong> den Gebüschhecken oder Thore <strong>in</strong><br />

seltsamem Geschmack ohne Gitter deren Bestimmung wir nicht zu enträthseln<br />

vermochten, e<strong>in</strong>e Durchsicht nach der Seite, wo man aber auch<br />

nicht viel Erfreuliches schaut. Die breite Allee sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> schmales Stück<br />

Civilisation zu se<strong>in</strong>, welches Aranjuez von Weitem ankündigen soll, und<br />

das wie e<strong>in</strong> grüner Streifen <strong>in</strong> dem öden, kahlen Terra<strong>in</strong> der Mancha<br />

liegt. Die Bäume, welche diese Allee bilden, s<strong>in</strong>d nur durch sorgfältige<br />

Pflege so gediehen; überall sieht man nämlich kle<strong>in</strong>e Gräben, welche<br />

das lebendige Wasser des Tajo an ihre Wurzeln führen und auch wohl<br />

dazu bestimmt s<strong>in</strong>d, Sommers den lästigen Staub der Straße zu dämpfen.<br />

Heute hatten wir von demselben gar nichts zu leiden; überhaupt<br />

war es e<strong>in</strong> großer Vortheil unserer <strong>W<strong>in</strong>ter</strong>reise <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong>, daß wir mit<br />

diesem grimmigen Fe<strong>in</strong>de wenig zu thun bekamen.<br />

Wir hatten nun die langweilige Allee h<strong>in</strong>ter uns, konnten auf e<strong>in</strong>er<br />

ziemlich schlechten Straße, die bergauf und bergab führte, jetzt neben<br />

e<strong>in</strong>ander reiten und uns so manche kle<strong>in</strong>e Unterhaltung verschaffen.<br />

Unser lieber Freund, Herr W., hatte schon seit längerer Zeit durchblicken<br />

lassen, daß er eigentlich e<strong>in</strong> ganz vortrefflicher Reiter sei und erzählte<br />

gern von englischen Fuchsjagden, wo der Sprung über e<strong>in</strong>e sechs Fuß<br />

hohe Gartenmauer oder e<strong>in</strong>en zehn Fuß breiten Graben unter die Sachen<br />

gehöre, welche ihm jeden Augenblick vorgekommen seien. Trotz<br />

allem dem aber saß er ziemlich komisch zu Pferde und bildete e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>igermaßen<br />

seltsame Figur. Die Be<strong>in</strong>e hatte er bekleidet mit Hosen von<br />

wasserdichtem Zeuge, darüber fiel e<strong>in</strong> langer Paletot, um Hals und K<strong>in</strong>n<br />

trug er e<strong>in</strong>en dicken Shawl und auf dem Kopfe e<strong>in</strong>en runden Hut, der<br />

bei dem Traben sehr starke Neigung zeigte, nach h<strong>in</strong>ten zu rutschen.<br />

Daß man, wie er that, die Fußspitzen immer hartnäckig zu Boden kehre,<br />

behauptete er, sei so Gebrauch beiden englischen Sportsmen, ebenfalls,<br />

daß er die Zügel von Trense und Candare fest zusammengeklemmt <strong>in</strong><br />

der l<strong>in</strong>ken Hand trug. Leider konnten wir bei unserem Ritte dem Herrn<br />

W. ke<strong>in</strong>en breitem Graben zum Setzen offeriren und mit kle<strong>in</strong>en R<strong>in</strong>nen<br />

ließ er sich gar nicht e<strong>in</strong>; da leitete er se<strong>in</strong> Pferd vorsichtig h<strong>in</strong>durch,<br />

KAPITEL 14. ARANJUEZ. 97<br />

oder später, wo das Terra<strong>in</strong> e<strong>in</strong>mal gar zu coupirt und unangenehm war<br />

und er beträchtlich zurückblieb, so daß wir auf ihn warten mußten, kam<br />

er endlich an – se<strong>in</strong> Roß bescheiden am Zügel führend.<br />

Unser kle<strong>in</strong>er Baumeister, der vor dem Aufsteigen se<strong>in</strong> Pferd mit f<strong>in</strong>steren<br />

Blicken und Kennermiene umschritten, und der gestern beim Grog<br />

hatte durchblicken lassen, er sei ke<strong>in</strong> sonderlicher Reiter, zeigte aber<br />

schon nach e<strong>in</strong>igen Stunden e<strong>in</strong>e solche Kühnheit im Sattel, daß wir<br />

ihm unsere volle Anerkennung nicht versagen konnten. Er ritt e<strong>in</strong> Grauschimmelchen<br />

von sanfter Natur, welches Neigung zum Galoppiren hatte,<br />

und wenn wir so e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Wettrennen veranstalteten, so galoppirte<br />

er immer lustig voraus, freilich etwas stark vornüber gebeugt, aber<br />

er galoppirte doch; wogegen Herr W. nur trabte, nach englischer Sitte,<br />

wie er behauptete, denn nur so habe man se<strong>in</strong> Pferd <strong>in</strong> der Gewalt. Von<br />

dieser Gewalt legte er aber sehr zweideutige Proben ab; denn meistens<br />

trabte und hielt der Gaul nur dann, wenn die anderen Pferde es ebenso<br />

machten und bei e<strong>in</strong>em der letzteren Fälle, der e<strong>in</strong>mal etwas plötzlich<br />

e<strong>in</strong>trat, verlor Herr W. die Bügel, schaute denn se<strong>in</strong>em Pferde bedenklich<br />

zwischen die Ohren, und e<strong>in</strong>e ziemlich verbürgte Tradition behauptet,<br />

er habe <strong>in</strong> diesem kritischen Augenblick beide Zügel geopfert, um<br />

dafür den Sattelknopf zu ergreifen. Unser langer Maler kletterte lustig<br />

wie immer über Berg und Thal, wobei es ihn besonders freute, wenn se<strong>in</strong><br />

Gewehr recht klirrte, und wobei er sich häufig an Biegungen des Weges<br />

fest <strong>in</strong> den Bügeln aufrichtete, um, e<strong>in</strong> zweiter Don Quixote, nach Abenteuern<br />

umzuschauen. Um bei diesem Vergleiche zu bleiben und nicht<br />

als parteiisch zu ersche<strong>in</strong>en, muß ich mich denn selbst als Sancho Pansa<br />

darstellen, und wenn ich auch ke<strong>in</strong>en Esel ritt, so war doch me<strong>in</strong> Pony<br />

der kle<strong>in</strong>ste und untersetzteste von allen, dabei aber der stärkste, um die<br />

ihm zuerkannte Last gehörig zu tragen.<br />

Es war <strong>in</strong>dessen gut, daß wir auf unserem Ritte nach Toledo durch<br />

allerlei lehrreiche Gespräche und lustige Lieder uns die Zeit vertreiben<br />

konnten; denn das Terra<strong>in</strong>, durch welches wir zogen, war wenigstens<br />

während der ersten Hälfte unseres Weges höchst un<strong>in</strong>teressant; kahl<br />

und unfruchtbar stieß e<strong>in</strong> Hügel an den anderen, dabei war gelber Sandboden<br />

vorherrschend, und unsere Straße zog sonach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gelben<br />

Streifen vor uns dah<strong>in</strong>, jetzt kaum unterscheidbar von der Fläche zur

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