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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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112 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

großen Theil des Bedarfs für die Truppen liefert, weiter aber auch nicht<br />

viel; freilich sieht man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der Magaz<strong>in</strong>e der Fabrik e<strong>in</strong> paar Curiositäten,<br />

neues Fabrikat nach e<strong>in</strong>em alten prächtigen Modelle gearbeitet;<br />

aber nur das Äußere ist nachgeahmt, den <strong>in</strong>neren Werth der Kl<strong>in</strong>gen hat<br />

man nicht zu erreichen vermocht.<br />

Der erste Tag unseres Hierse<strong>in</strong>s war wunderschön, und so stiegen wir<br />

am frühen Morgen, da die Thüren zu der Kathedrale und andern Sehenswürdigkeiten<br />

verschlossen waren, zur Waffenfabrik h<strong>in</strong>ab; sie liegt<br />

südwestlich, e<strong>in</strong>e starke halbe Stunde von der Stadt entfernt, unten im<br />

Thale am Ufer des Tajo. <strong>E<strong>in</strong></strong> großes, weißes, weitläufiges Gebäude mit<br />

e<strong>in</strong>em Zaun, der aus alten Lanzen gebildet ist, und auf dessen Zwischenpfeilern<br />

sich statt der Capitäle alte Granaten bef<strong>in</strong>den, aus deren<br />

Zündlöchern künstliche Flammen von rothgemaltem Blech hervorsehen.<br />

Die früher so berühmte Fabrica de Armas hat sich aber total überlebt;<br />

wohl s<strong>in</strong>d noch e<strong>in</strong> paar hundert Arbeiter hier beschäftigt, auch<br />

sollen immer noch gute Militärkl<strong>in</strong>gen hier gemacht werden. Wenn man<br />

aber gegen diese königliche erste Anstalt von <strong>Spanien</strong> e<strong>in</strong>e der kle<strong>in</strong>sten<br />

deutschen Fabriken, z. B. <strong>in</strong> Sol<strong>in</strong>gen, betrachtet, so sieht man <strong>in</strong> letzterer<br />

doch e<strong>in</strong> ganz anderes Treiben und Schaffen. An den mechanischen<br />

Hülfsmitteln hier sche<strong>in</strong>t seit langen Jahren nichts verbessert worden zu<br />

se<strong>in</strong> und manche neue Erf<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> diesem Fache ihnen gänzlich unbekannt.<br />

Ihre Streck- und Pochwerke, Schleif- und Polirmasch<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d<br />

alle Holz-Constructionen und arbeiten mit dicken Wellen und schwerfälligen<br />

Rädern, die von den Fluthen des Tajo <strong>in</strong> Bewegung gesetzt werden.<br />

Wenn man an e<strong>in</strong> derartiges Etablissement bei uns denkt, mit se<strong>in</strong>er<br />

Dampfkraft, den rührigen Arbeitern, den umherfliegenden schlanken<br />

Rädern, so kommt e<strong>in</strong>em die Wirthschaft hier e<strong>in</strong> wenig lahm vor.<br />

Wie schon bemerkt, werden fast nur Militärwaffen hier angefertigt, besonders<br />

Kavallerie-Säbel, und daneben für den Fremden, der sich gern<br />

e<strong>in</strong> Andenken mitnehmen möchte, kle<strong>in</strong>e mit Gold e<strong>in</strong>gelegte Dolche<br />

mit dem Fabrikzeichen von Toledo, die man aber theuer genug bezahlen<br />

muß.<br />

Übrigens b<strong>in</strong> ich überzeugt, daß die berühmte altspanische Kl<strong>in</strong>ge,<br />

die gute treue Toledana, welche von Romanzendichtern eben so gern<br />

und häufig besungen wurde, als die Augen der Geliebten, als Sonne und<br />

KAPITEL 15. TOLEDO. 113<br />

Mond, aus e<strong>in</strong>zelnen kle<strong>in</strong>eren Werkstätten hervorg<strong>in</strong>g, wo e<strong>in</strong> Meister<br />

den andern <strong>in</strong> der Güte der Waaren zu übertreffen suchte. In frühester<br />

Zeit waren es die Mauren, die, wie so viel Gutes und Schönes, auch ihre<br />

vortreffliche Damascirkunst <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> e<strong>in</strong>führten; später ließen sich<br />

kunstfertige Italiener hier <strong>in</strong> Toledo nieder, <strong>in</strong> deren Werkstätten jene<br />

Kl<strong>in</strong>gen, von denen der Krieger träumt, wie der Dichter sagt, geschaffen<br />

wurden. Schon an der Art der Arbeit sieht man heut zu Tage, daß<br />

sie nicht fabrikmäßig betrieben wurde; fast jede Waffe ist von der andern<br />

<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>zelheiten verschieden, meistens durch die immer wechselnde<br />

hübsche Zeichnung des Korbes, noch häufiger aber durch die Form der<br />

Kl<strong>in</strong>ge und deren Inschriften, die immer so charakteristisch und s<strong>in</strong>nreich<br />

gewählt waren, daß es sich wohl der Mühe verlohnte, e<strong>in</strong>e Sammlung<br />

dieser Sprüche anzulegen. <strong>E<strong>in</strong></strong>ige derselben f<strong>in</strong>det man wohl hier<br />

und da wiederholt, z. B.: No me saques s<strong>in</strong> razon, no me enva<strong>in</strong>es s<strong>in</strong> honor:<br />

ziehe mich nicht ohne Grund, steck’ mich nicht e<strong>in</strong> ohne Ehr’!<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>e schöne Toledokl<strong>in</strong>ge, die ich selbst besitze, mit e<strong>in</strong>em der zierlichsten<br />

Griffe, die man sehen kann, führt die schöne Inschrift: Eres mi<br />

fuerza, seras mi esperanz. Große Werkstätten hatten daneben auch e<strong>in</strong>e Art<br />

Zeichen, durch welche ihre besten Arbeiten von den anderen kenntlich<br />

waren, z. B. die e<strong>in</strong>gehauenen Worte: El Morillo, el Moro se Zaragoza, oder<br />

el Rerillo, das Hündchen. Statt des letzteren f<strong>in</strong>det man auch häufig e<strong>in</strong><br />

Zeichen e<strong>in</strong>geschnitten, das <strong>in</strong> wenigen rohen Strichen das Bild e<strong>in</strong>es<br />

Hundes darstellt, so auf der Kl<strong>in</strong>ge, von welcher ich oben sprach.<br />

Nachdem wir e<strong>in</strong> paar <strong>E<strong>in</strong></strong>käufe <strong>in</strong> der Waffenfabrik gemacht, kehrten<br />

wir zur Stadt zurück. Gern wären wir noch e<strong>in</strong>ige Stunden an den<br />

Ufern des Tajo umhergewandelt; denn trotzdem wir uns erst <strong>in</strong> der Mitte<br />

des Monats Januar befanden, hatten wir doch e<strong>in</strong>en vollkommenen<br />

Frühl<strong>in</strong>gstag. Die Sonne schien klar herab vom wolkenlosen Himmel,<br />

und unter ihrem warmen Kusse duftete die Erde so eigenthümlich und<br />

angenehm, wie bei uns im wunderschönen Monat Mai, wenn alle Knospen<br />

spr<strong>in</strong>gen. Aber der gewissenhafte Reisende ist e<strong>in</strong> geplagtes Geschöpf,<br />

mache er nun <strong>in</strong> We<strong>in</strong>, Tabak, <strong>in</strong> Le<strong>in</strong>wand oder <strong>in</strong> Naturansichten<br />

und Sehenswürdigkeiten; er muß im Schweiße se<strong>in</strong>es Angesichts se<strong>in</strong>e<br />

Kunden besuchen, damit se<strong>in</strong> Notizbuch nicht leer bleibe und zahlreiche<br />

Bestellungen <strong>in</strong> der Heimath ankommen. Wir besuchten noch die

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