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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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380 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

ge Meer, sowie r<strong>in</strong>gs am Horizont aufsteigende Wolken zeigte ich me<strong>in</strong>em<br />

großen Freunde Horschelt mit e<strong>in</strong>iger Schadenfreude, doch war<br />

auch er fest gegen die Seekrankheit, und unser Baumeister alle<strong>in</strong> mußte<br />

bald nach e<strong>in</strong>genommenem Frühstücke dem Meer se<strong>in</strong>en Tribut bezahlen.<br />

Die Ausbrüche der fatalen Krankheit zeigten sich <strong>in</strong>deß auf dem<br />

Verdeck so häufig und heftig, und manchmal so nahe bei unsern Schüsseln<br />

und Gläsern, daß e<strong>in</strong> m<strong>in</strong>der guter Appetit als der unserige, sich<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> mehr noch als das Gegentheil verkehrt hätte, daß der<br />

Capitän es endlich für nöthig hielt, die Passagiere des zweiten Platzes<br />

fort, und zwar unter Deck br<strong>in</strong>gen zu lassen. Da aber der Don Manuel<br />

mit Gütern so vollgeladen war, daß an beiden Seiten so gut wie gar<br />

ke<strong>in</strong> Gang frei blieb, so waren die Matrosen gezwungen, die Weiber und<br />

manche der Männer dorth<strong>in</strong> zu tragen und zu schleppen. Unten mußte<br />

aber der Aufenthalt fürchterlich se<strong>in</strong>, denn der Capitän sah sich genöthigt,<br />

sämmtliche Luken schließen zu lassen, da der Don Manuel so tief<br />

durch die Wellen schnitt, daß die anprallenden Wogen über se<strong>in</strong>en Vordertheil<br />

stürzten und nicht selten bis zu uns herüberspritzten. Dabei hatte<br />

sich der W<strong>in</strong>d vermehrt und zu gleicher Zeit auch zu unserem Nachtheile<br />

gewendet, so daß die Segel e<strong>in</strong>gezogen werden mußten, auch war<br />

von dem klaren Himmel, der uns heute Morgen gelächelt, nichts mehr<br />

zu schauen, die Küste zu unserer L<strong>in</strong>ken war <strong>in</strong> graue Wolkenmassen<br />

und Nebel gehüllt, und als ich noch e<strong>in</strong>mal zurück nach Cadiz blickte,<br />

erschien mir die Stadt am fernsten Horizonte wie e<strong>in</strong>e weiße Möve, die<br />

mit ausgebreiteten Flügeln auf der fast schwarzen Flut vor dem Sturme<br />

flieht. Leider war aber durch das Unwetter unsere Seefahrt sehr unangenehm<br />

geworden. Auf dem Verdecke konnte man sich kaum vor den<br />

Seekranken retten, und <strong>in</strong> der Cajüte war es entsetzlich dunstig. Der<br />

Kellner hatte freilich den größten Theil der Leidenden untergebracht,<br />

aber die armen Spanier<strong>in</strong>nen stöhnten, daß es zum Erbarmen war, und<br />

die Dünste, die sich durchs Treppenhaus entwickelten, konnten e<strong>in</strong>em<br />

alle Lust verleiden, dort h<strong>in</strong>abzusteigen.<br />

Wir hätten Gibraltar gegen acht Uhr Abends erreichen sollen, doch<br />

blies uns der W<strong>in</strong>d schon um Mittag fast gerade entgegen, und obgleich<br />

Don Manuel wacker durch die hohen Wogen dampfte, so kamen wir<br />

doch so langsam vorwärts, daß es vier Uhr Nachmittags wurde, ehe<br />

KAPITEL 21. NACH GIBRALTAR. 381<br />

wir das jetzt wild bewegte Schlachtfeld von Trafalgar erreichten. <strong>E<strong>in</strong></strong><br />

Schlachtfeld auf dem Lande hat immer irgend etwas, sei es e<strong>in</strong>e Anhöhe,<br />

e<strong>in</strong> Wald, e<strong>in</strong> Dorf, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Haus, woran die Phantasie anknüpfen<br />

und sich leicht die vergangene Zeit zurückzaubern kann. Hier<br />

aber schlugen die schmutzig grauen Wogen gerade so an’s Ufer, wie an<br />

jedem andern Punkte, und ob unter ihnen nun Muscheln und Ste<strong>in</strong>e<br />

ruhen, oder, wie hier, die Trümmer der spanischen und französischen<br />

Seemacht, wer kann das den so gleich bewegten und theilnahmlosen<br />

Wellen ansehen? Freilich schimmert dort durch Nebel und Regen e<strong>in</strong><br />

altersgrauer Maurenthurm auf der Höhe des Gestades, und am Ufer<br />

bl<strong>in</strong>kt heller und deutlicher e<strong>in</strong> neuer, weißer Fanal. Der erstere war gewiß<br />

Zeuge der gewaltigen Seeschlacht, welche acht Stunden westlich<br />

von hier mit unsäglicher Wuth entstammte, er hörte gewiß das wilde:<br />

Rule Britannia der englischen Matrosen; er vernahm vielleicht Kampfgeschrei,<br />

gewiß aber das Donnern der Geschütze und das krachende<br />

Aufstiegen des spanischen Admiralschiffes. – England expects every man<br />

to do his duty! Mit diesen e<strong>in</strong>fachen Worten g<strong>in</strong>g der große Nelson auf<br />

die fe<strong>in</strong>dlichen Flotten los, und es murmeln gewiß heute noch die Wogen<br />

<strong>in</strong> nächtlicher Stunde, wenn sie sich erzählen von dem berühmten<br />

Manne mit dem e<strong>in</strong>en Arm.<br />

Lange blickte ich zu dem grauen Maurenthurme empor, der sich, wie<br />

wir langsam dah<strong>in</strong>schwammen, immer dichter <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en grauen Nebelschleier<br />

hüllte, der alles das und noch so viel Anderes gesehen; aber<br />

was konnte ihn die Seeschlacht mit ihrem Kanonendonner kümmern: er<br />

dachte gewiß an Schwerterklirren und Lanzensausen und blickte sehnsüchtig<br />

nach der Küste von Afrika h<strong>in</strong>über, die sich vor ihm aufzuthürmen<br />

beg<strong>in</strong>nt, seufzend nach e<strong>in</strong>em neuen Taric und se<strong>in</strong>en tapferen Arabern.<br />

Der Regen und die dichten Wolkenmassen zugleich mit dem s<strong>in</strong>kenden<br />

Tage umgaben uns aber so bald schon mit Dämmerung und Nacht,<br />

daß an e<strong>in</strong>e Ankunft <strong>in</strong> Gibraltar heute nicht mehr zu denken war. Auch<br />

schien der Capitän um se<strong>in</strong> Schiffchen besorgt zu werden, denn trotzdem<br />

ihn jede Welle aufs Neue durchnäßte, verließ er se<strong>in</strong>en erhöhten<br />

Standpunkt am Maste ke<strong>in</strong>en Augenblick, bald se<strong>in</strong>e Befehle dem Steuermanne<br />

zurufend, bald <strong>in</strong> den Masch<strong>in</strong>enraum h<strong>in</strong>absprechend, wo

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