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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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384 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Leider war die f<strong>in</strong>stere und regnerische Nacht nicht zur Beobachtung<br />

geschaffen, und so ungern wir es thaten, mußten wir uns doch endlich<br />

entschließen, <strong>in</strong> die Cajüte h<strong>in</strong>abzukriechen, obendre<strong>in</strong> da unser Appetit<br />

sich stark meldete. Die beiden Betten, welche wir am vorigen Tage<br />

belegt, waren freilich leer geblieben, doch hatte sich gegenüber e<strong>in</strong>e spanische<br />

Familie e<strong>in</strong>quartiert, der Vater mit zwei kle<strong>in</strong>en Söhnen und e<strong>in</strong>e<br />

sehr dicke Mutter, die sich bei unserem <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt entrüstet erhob und<br />

für e<strong>in</strong>en Augenblick e<strong>in</strong>en Anblick gewährte, wie die Sph<strong>in</strong>x der alten<br />

Griechen. Anfänglich wollte sie uns nicht <strong>in</strong> ihrer Nachbarschaft dulden<br />

und hielt uns e<strong>in</strong>e lange Rede mit solch spanischer Zungenfertigkeit und<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeit, daß wir wenig mehr verstanden, als am Schluß jeden<br />

Satzes, bevor sie heftig Athem holte, das wohlbekannte: Caramba! Endlich<br />

schlug sich der Kellner <strong>in</strong>’s Mittel, und da auch se<strong>in</strong>e Vorstellungen<br />

nichts fruchten wollten, so zog er entrüstet den Vorhang vor ihrem Bette<br />

zusammen, worauf wir sie noch längere Zeit h<strong>in</strong>ter der Gard<strong>in</strong>e dumpf<br />

grollen und murmeln hörten wie e<strong>in</strong> verziehendes Gewitter.<br />

Da sich der Restaurateur nicht darauf vorgesehen hatte, im Hafen<br />

von Tarifa e<strong>in</strong> Nachtessen besorgen zu müssen, so fiel dieses sehr frugal<br />

aus und er<strong>in</strong>nerte mich an die Klage des <strong>E<strong>in</strong></strong>siedlers: Immer Früchte und<br />

gar ke<strong>in</strong> Fleisch! Nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Chocolade war zu bekommen, und<br />

nachdem wir noch auf dem Verdeck im sanft herabrieselnden Regen e<strong>in</strong>e<br />

Cigarre geraucht, krochen wir <strong>in</strong> unsere Bettkasten. Vorher aber hatte<br />

mich der Steuermann versichert, wir würden <strong>in</strong> der Frühe zur Fahrt<br />

durch die Meerenge e<strong>in</strong>en klaren Morgen haben; e<strong>in</strong>e Aussicht, die mich<br />

alles nächtliche Ungemach <strong>in</strong> der heißen dunstigen Cajüte gern ertragen<br />

ließ. Schon vor Tagesanbruch befand ich mich auf dem Verdeck und<br />

bemerkte mit großer Freude nicht nur, daß der Regen aufgehört hatte,<br />

sondern daß auch das dickte Gewölk am Himmel zerrissen war und<br />

hie und da e<strong>in</strong> bleicher Stern hervorbl<strong>in</strong>kte. Freilich waren r<strong>in</strong>gs umher<br />

Meer und Felsen noch <strong>in</strong> Nebel und Dunkelheit e<strong>in</strong>gehüllt, doch konnte<br />

man jetzt schon die Wasserfläche des Hafens von Tarifa, sowie die malerischen<br />

Umrisse der Mauern und Thürme erkennen. Der Capitän befand<br />

sich ebenfalls auf dem Verdeck und blickte ungeduldig an dem Schornste<strong>in</strong><br />

h<strong>in</strong>auf, aus welchem der Rauch anf<strong>in</strong>g emporzuqualmen. Ich muß<br />

gestehen, daß ich <strong>in</strong> unsäglicher Erwartung um mich her schaute; soll-<br />

KAPITEL 21. NACH GIBRALTAR. 385<br />

te ich doch e<strong>in</strong> Schauspiel erleben, wie nie zuvor: die Fahrt durch zwei<br />

Welttheile, die, obgleich e<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Wirklichkeit so nahe gerückt, doch<br />

wieder so gar ke<strong>in</strong>e Vergleichungs- und Berührungspunkte haben, die<br />

beiden Extreme der Civilisation, Europa und Afrika. Welche gewaltige<br />

Flut von Gedanken, Empf<strong>in</strong>dungen, Er<strong>in</strong>nerungen bestürmte uns hier<br />

beim Anblick dieses kolossalen Felsenthores, das mit se<strong>in</strong>en geschichtlichen<br />

Er<strong>in</strong>nerungen und schon mit se<strong>in</strong>em Namen: Säulen des Hercules,<br />

bis zur Fabelzeit h<strong>in</strong>aufreicht!<br />

Jetzt hob sich der Anker des Don Manuel, und während der wirklich<br />

klar aufsteigende Tag siegreich die Dämmerung verdrängte, glitten wir<br />

langsam aus dem Hafen von Tarifa, und befanden uns <strong>in</strong> kurzer Zeit <strong>in</strong><br />

der Straße, welche beide Welttheile und zwei gewaltige Meere trennt.<br />

Ich glaube nicht, daß es irgendwo auf der Erde e<strong>in</strong>e Stelle gibt von so<br />

großartiger landschaftlicher Schönheit wie hier; während wir l<strong>in</strong>ks die<br />

Berge von Tarifa hatten, rückwärts die zerklüfteten, sonderbar geformten<br />

Felsenspitzen des Cap Spartel, sah jetzt Tanger aus nebelhafter Ferne<br />

zu uns herüber; vor uns im Osten erhob sich die Sonne <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dunstkreise<br />

glühend roth, und ihren Strahlen entgegen, welche nun mit <strong>E<strong>in</strong></strong>em<br />

Male das tiefblaue Mittelmeer vor uns mit e<strong>in</strong>em purpurnen Lichtstrom<br />

übergossen, schwammen wir durch das gewaltige Riesenthor von Gibraltar.<br />

Mit e<strong>in</strong>em goldenen Glanze überströmten die herausdr<strong>in</strong>genden<br />

Strahlen den bis jetzt im trüben Morgendunste h<strong>in</strong>ter uns liegenden atlantischen<br />

Ocean, und wunderbar herrlich war es dabei anzusehen, wie<br />

die Spitzen der hohen Gebirge von Ronda auf der e<strong>in</strong>en und die Felsenkronen<br />

von Tetuan auf der andern Seite, die soeben noch <strong>in</strong> dunkles Violett<br />

gehüllt, da lagen, jetzt plötzlich von der Sonne glühend angestrahlt<br />

wurden, und wie zu gleicher Zeit die prachtvollen Felsen von Ceuta lange<br />

Schlagschatten auf die bewegte spiegelnde Flut warfen. Man hätte<br />

laut aufjauchzen können bei all der Pracht, und obgleich sich, sowie wir<br />

weiter fuhren, die Gestade von Europa und Afrika langsam verschoben,<br />

so zeigten sie doch immer neue reizende <strong>E<strong>in</strong></strong>zelnheiten. Was war aber<br />

<strong>in</strong> dieser gewaltigen Natur unser elendes Schiffle<strong>in</strong>? Noch immer war<br />

der enge Kanal zwischen beiden Welttheilen im Aufruhr, und die Fluten,<br />

welche vom heftigen W<strong>in</strong>de bewegt das Mittelmeer h<strong>in</strong>austreibt,<br />

kämpften erbittert mit der Strömung, die, e<strong>in</strong> eigenthümliches Spiel der

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