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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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138 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

selbst gekämpft und waren jetzt recht froh, als wir endlich mit uns im<br />

Re<strong>in</strong>en zur Stadt h<strong>in</strong>abstiegen. Am Zocodover sei e<strong>in</strong>er der ersten Pferdevermiether<br />

von Toledo, hatte man uns gesagt, und wir fanden auch<br />

bald dessen Behausung, und zwar <strong>in</strong> jenem kle<strong>in</strong>en maurischen Hofe,<br />

von dem ich vorh<strong>in</strong> gesprochen, wo wir den großen Haufen Pferdegeschirr<br />

gesehen. Der Padron war e<strong>in</strong> dicker Mann mit e<strong>in</strong>em ernsten und<br />

f<strong>in</strong>steren Gesichte, der kaum von se<strong>in</strong>em Stuhle aufstand, als wir <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />

Wohnung traten, und unter e<strong>in</strong>em steifen Kopfnicken mit se<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>gern<br />

leicht den breiten Rand se<strong>in</strong>es Hutes berührte. Unseren Wunsch,<br />

Pferde und e<strong>in</strong>en Begleiter nach Val de Penas zu erhalten, nahm er sehr<br />

herablassend auf, wechselte aber e<strong>in</strong>en bedeutsamen Blick mit zweien<br />

se<strong>in</strong>er Stallleute, die neben ihm standen, die aber beide sehr hoch die<br />

Achseln zuckten und me<strong>in</strong>ten, das sei e<strong>in</strong> weiter Weg. Sehr weit, bekräftigte<br />

derPadron, bei zweiunddreißig Leguas. In wie viel Tagen können<br />

wir das zu Pferde machen? fragte ich ihn. Er rechnete an den F<strong>in</strong>gern<br />

nach: Erstes Nachtquartier Yvenes, sieben Leguas; den zweiten Tag nach<br />

Fuentelfresno, acht Leguas; den dritten nach Almagro, acht Leguas; bleiben<br />

für den vierten Tag ebenfalls noch acht Leguas nach Val de Penas –<br />

wenn die Herren, fuhr er lächelnd fort, sich ausdauernd genug fühlen,<br />

vier Tage lang täglich be<strong>in</strong>ahe acht Leguas über sehr schlechten Weg zu<br />

reiten. Wenn es die Thiere aushalten, me<strong>in</strong>ten wir, so soll es an uns nicht<br />

fehlen. Das sei eben die Frage, entgegnete der Padron wichtig; er müsse<br />

uns das Beste geben, was <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Stalle sei, und daß er dafür e<strong>in</strong>en<br />

höheren Preis verlange, als für e<strong>in</strong> gewöhnliches Reitthier, das würden<br />

wir doch wohl begreiflich f<strong>in</strong>den. Wir fanden dieß aber durchaus nicht<br />

begreiflich, sondern erklärten ihm, nur auf den <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> gewöhnlichen<br />

Preis, und zwar für Tag und Pferd e<strong>in</strong>en Duro unterhandeln zu<br />

wollen. Zuerst zuckte er verächtlich die Achseln, gab auch e<strong>in</strong> paar Carajo<br />

von sich und me<strong>in</strong>te, das sei der Preis für e<strong>in</strong>en schlechten Esel, für<br />

e<strong>in</strong> miserables Maulthier, höchstens für e<strong>in</strong>e Tagereise zur Sommerzeit.<br />

Natürlich machten wir auf diese Bemerkung h<strong>in</strong> Miene, den Hof zu verlassen;<br />

doch hielt er uns mit der Bemerkung zurück, er wolle nochmals<br />

das Ganze berechnen. Wir brauchten also drei Pferde, zwei für uns, e<strong>in</strong>es<br />

für den Begleiter: seien täglich drei Duros, <strong>in</strong> vier Tagen zwölf, für die<br />

Rückreise eben soviel, mache vierundzwanzig. Allerd<strong>in</strong>gs pflegt man<br />

KAPITEL 15. TOLEDO. 139<br />

bei Reittouren so <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> zu rechnen, doch mit dem Unterschiede,<br />

daß man für drei Tage der H<strong>in</strong>reise nur zwei zur Rückkehr annimmt;<br />

davon wollte aber der Pferdevermiether nichts hören. Vierundzwanzig<br />

Duros und e<strong>in</strong> Tr<strong>in</strong>kgeld für unseren Begleiter, im Falle wir mit ihm zufrieden<br />

seien, das war se<strong>in</strong> Ultimatum, auf welches endlich e<strong>in</strong>gegangen<br />

wurde, unter der Bed<strong>in</strong>gung, morgen früh um sechs Uhr abzureisen.<br />

Wir besahen noch Pferde und Sattelzeug – e<strong>in</strong>e Vorsicht, welche bei ähnlicher<br />

Veranlassung ke<strong>in</strong> Reisender <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> versäumen sollte. Auch<br />

unseren Begleiter ließen wir uns vorstellen; es war e<strong>in</strong> junger Bursche<br />

mit e<strong>in</strong>em pfiffigen Gesichte, der uns freundlich angr<strong>in</strong>ste.<br />

So waren wir also für den nächsten Tag engagirt und froh, dem verhaßten<br />

Eilwagen entronnen zu se<strong>in</strong>.<br />

Da der Tag schön und klar zu Ende g<strong>in</strong>g, so machten wir noch e<strong>in</strong>en<br />

Spaziergang an den Tajo h<strong>in</strong>ab, und zwar bis tief an das Flußufer unterhalb<br />

der Brücke von Alcantara. Da liegt e<strong>in</strong>e alte kle<strong>in</strong>e Mühle zwischen<br />

den Felsen des Ufers so still und melancholisch, wie ich mich lange nicht<br />

er<strong>in</strong>nerte, Ähnliches gesehen zu haben. <strong>E<strong>in</strong></strong> Wehr von schwarzen, bemoosten<br />

Ste<strong>in</strong>en staut das Wasser zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en dunkeln See, der<br />

unergründlich tief zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t und dabei so verführerisch ruhig und<br />

klar ist, so anlockend und geheimnißvoll glänzend, daß es, glaube ich,<br />

für e<strong>in</strong> betrübtes Gemüth gefährlich wäre, hier lange h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuschauen;<br />

ist man doch hier <strong>in</strong> der tiefen Schlucht, namentlich wenn der Abend<br />

nieders<strong>in</strong>kt, wie von allem Leben abgeschnitten. Geheimnißvoll gluckst<br />

und murmelt das Wasser neben uns und schleift <strong>in</strong> seltsamen Tönen<br />

an den steilen Felswänden, während es eilfertig dah<strong>in</strong>schießt und uns<br />

zuzurufen sche<strong>in</strong>t: Komm mit, komm mit! – Dunkle Abendschatten liegen<br />

schon auf der tiefen Schlucht, und nur das dah<strong>in</strong>strömende Wasser<br />

leuchtet und glänzt eigenthümlich. In unbestimmten Umrissen sehen<br />

wir gegenüber auf der Stadtseite die alten Thürme am Wasser stehen<br />

und die zerbröckelten Mauern, welche sich den Abhang h<strong>in</strong>aufziehen.<br />

Dort bemerken wir noch die gewaltigen Überreste e<strong>in</strong>es alten Gebäudes,<br />

das staffelförmig bis zur Stadt emporsteigt und von irgend e<strong>in</strong>em<br />

Erzbischof von Toledo erbaut wurde, um die Stadt mit e<strong>in</strong>er größeren<br />

Menge Wassers zu versehen, das hier mittelst e<strong>in</strong>es Druckwerks emporgehoben<br />

werden sollte; doch wurde es nie beendigt, die dicken Mauern

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