Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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260 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
tes mit höchst prosaischen Bemerkungen und Namen bekrizelt, ist recht<br />
traurig und that uns um so weher, als auch Mancher sich nicht gescheut<br />
hatte, mit se<strong>in</strong>em eigenen unbedeutenden Namen durch irgend e<strong>in</strong>e<br />
Arabeske zu fahren.<br />
Vom Tocador betreten wir e<strong>in</strong>e unregelmäßige Folge von Gemächern<br />
aus der Zeit Karls V., welche für ihn und se<strong>in</strong>en Hof e<strong>in</strong>gerichtet waren.<br />
In manchen derselben hat man mit wenig Geschick die maurischen<br />
Wandverzierungen aus den andern Theilen der Alhambra nachzuahmen<br />
versucht und sieht man auch hier buntfarbige Azulejos, gleichsam<br />
e<strong>in</strong>e Übersetzung derselben <strong>in</strong> Renaissanceformen, aber gegen jene arabischen<br />
von sehr dürftiger Zeichnung und Färbung, Unzählige tragen<br />
den Wahlspruch des so rastlos strebenden Kaisers: Plus oultre! Schade<br />
ist es überhaupt, daß bei den späteren vielen Restaurationen auch der<br />
Haupträume der Alhambra die früheren Azulejos nicht nachgeahmt,<br />
sondern andere willkürliche Dess<strong>in</strong>s substituirt wurden.<br />
Unter diesen Gemächern liegen die alten maurischen Bäder, zu denen<br />
man von e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Hof über e<strong>in</strong>ige abwärts führende Stufen gelangt.<br />
Hier f<strong>in</strong>den wir wieder Spuren der Wandverzierung, wie sie uns<br />
im Saal der Gesandten entzückten. Die Decken der Badekammern s<strong>in</strong>d<br />
aus zierlichen Gewölben gebildet mit vielen sternenförmigen Öffnungen,<br />
die wohl mit buntem Glase verschlossen waren und durch welche<br />
das here<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gende Licht freundliche, bunte Reflexe auf den weißen<br />
Marmor der Fußböden, der Badewannen, der Säulen und Pilaster warf.<br />
Sehr schön ist der daran stoßende Ruhesaal, luftig, schlank, r<strong>in</strong>gs von<br />
Altanen umgeben und mit e<strong>in</strong>er großen Brunnenschale <strong>in</strong> der Mitte. Bei<br />
der sehr bewegten Grundform, der Abwechslung von hohen und niederen<br />
Säulen, weiten und engen Bögen, den vielen Vor- und Rücksprüngen<br />
der Wände und der eigenthümlichen hoch oben here<strong>in</strong>geführten<br />
Beleuchtung ist derselbe e<strong>in</strong> sehr lebendiger, <strong>in</strong>teressanter Raum.<br />
Vom vielen Schauen ermüdet, kamen wir durch verworrene Treppen<br />
und Gänge und halbverfallene Gemächer wieder nach dem Löwenhofe,<br />
den wir unmöglich schnell wieder verlassen konnten. Ben Saken hatte<br />
unterdessen für e<strong>in</strong>ige Erfrischungen gesorgt. Der Hüter der Alhambra<br />
war so freundlich, uns e<strong>in</strong>e Guitarre zu leihen, und so lagerten wir<br />
uns <strong>in</strong> dem Saal der Schwestern, die Gläser klangen und altspanische<br />
KAPITEL 18. GRANADA. 261<br />
Romanzen, von der wunderbaren Pracht der Alhambra erzählend, von<br />
Liebe, Kampf und Sieg erklangen durch die stillen Räume des Löwenhofes.<br />
– Das war e<strong>in</strong>e unvergeßliche Stunde.<br />
Am andern Morgen <strong>in</strong> der Frühe waren wir schon wieder auf der Alhambra,<br />
schritten mit demselben Staunen, wie gestern, durch den hochgewölbten<br />
Bogen unter der gewaltigen Masse des Gerichtsthurmes h<strong>in</strong>durch<br />
und pochten wieder an die bescheidene Pforte, die so viel Kostbares<br />
verschließt. Nachdem wir die längs dem Myrthenhofe h<strong>in</strong> sich erstreckenden<br />
sogenannten Zimmer des Archivs, sowie den Hof der kle<strong>in</strong>en<br />
Moschee und diese selbst, die durch die Christen zu e<strong>in</strong>er Kapelle<br />
umgewandelt wurde, besichtigt und theilweise sehr vernachläßigt und<br />
herabgekommen gefunden, auch die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der Archivzimmer sehr<br />
unsorgfältig aufbewahrte kostbare Porzellan-Vase aufgesucht, kehrten<br />
wir wieder um, ließen dießmal den Palast Karls V. l<strong>in</strong>ks liegen, g<strong>in</strong>gen<br />
die breite Straße am We<strong>in</strong>thore h<strong>in</strong>auf, längs den zerstreut liegenden<br />
Häusern bei der Pfarrkirche vorbei und kamen endlich auf e<strong>in</strong>en<br />
großen wüsten Platz, der aber noch <strong>in</strong>nerhalb der mächtigen R<strong>in</strong>gmauern<br />
liegt. Hier waren zur Maurenzeit ebenfalls Gebäude und Gärten,<br />
doch ist jetzt Alles, bis auf die letzte Spur zerstört. Der Boden ist uneben<br />
und weit umher mit Mauertrümmern und Schutt bedeckt. Es ist eigenthümlich,<br />
daß dieser wüste Platz auf der Alhambra fast der e<strong>in</strong>zige Ort <strong>in</strong><br />
ganz <strong>Spanien</strong> ist, den man zur Mitternachtsstunde von übernatürlichen,<br />
gespenstischen Wesen bevölkert glaubt, was man bei uns <strong>in</strong> Deutschland<br />
von fast jedem Kreuzwege sagt. Hier, so erzählen sich furchtsame<br />
Leute, sieht man Kämpfe zwischen schattenhaften Mauren und Christen,<br />
hier über die Fläche jagt zuweilen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>samer Reiter, Mann und<br />
Roß ohne Kopf, verfolgt von e<strong>in</strong>em feurigen Stiere und was dergleichen<br />
Thorheiten mehr s<strong>in</strong>d. Etwas Unheimliches hat dieser Platz allerd<strong>in</strong>gs,<br />
wenn man so entfernt von jeder menschlichen Wohnung über ihn dah<strong>in</strong>schreitet;<br />
doch würde ich zur Nachtzeit mich weniger nach Gespenstern,<br />
als nach Rateros umschauen, denen es schwer wäre, hier zu entgehen,<br />
denn man mag flüchten, woh<strong>in</strong> man will, so stößt man immer wieder<br />
auf die gewaltigen R<strong>in</strong>gmauern der Alhambra, die <strong>E<strong>in</strong></strong>em e<strong>in</strong> gebieterisches<br />
Halt! zurufen. Es gehört schon am hellen Tage Kenntniß des Terra<strong>in</strong>s<br />
dazu, um von hier aus den <strong>E<strong>in</strong></strong>gang zur Schlucht zu f<strong>in</strong>den, wel-