Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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56 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
dem der Hauptzug des Guadarrama stolz und mächtig emporstieg, und<br />
zu gleicher Zeit e<strong>in</strong>en Anblick, den ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em ganzen Leben nicht<br />
vergessen werde. Escorial! rief der Mayoral, <strong>in</strong>dem er vor sich h<strong>in</strong>zeigte.<br />
Und an der gegenüber liegenden Felswand, sich scharf abhebend von<br />
der Schneedecke, welche sich dort befand, sahen wir <strong>in</strong> dunklen schweren<br />
Massen das riesenhafte Kloster mit se<strong>in</strong>er gewaltigen Kuppel und<br />
se<strong>in</strong>en hohen Thürmen, wie e<strong>in</strong>e Feenburg thronen. Ja, wie e<strong>in</strong>e Feenburg,<br />
wie das Schloß e<strong>in</strong>es mächtigen Zauberers, der se<strong>in</strong> Werk hoch <strong>in</strong><br />
die Luft h<strong>in</strong>gestellt hat. Denn gerade so sah es aus. <strong>E<strong>in</strong></strong> Nebelstreifen hatte<br />
sich unten um die Grundmauern des Gebäudes gelagert, e<strong>in</strong>er weißen<br />
Wolke ähnlich, die dasselbe zu tragen schien. Überraschend im höchsten<br />
Grade war dieser Anblick; dazu war die Sonne so freundlich, <strong>in</strong> diesem<br />
Augenblicke e<strong>in</strong>en klaren Strahl ihres Lichtes zu senden, welcher auf die<br />
wogenden Nebelmassen fiel, sie hell beglänzte und e<strong>in</strong>en wohlthuenden<br />
Schimmer auf die f<strong>in</strong>stere Häusermasse fallen ließ. Dieß Bild alle<strong>in</strong> hätte<br />
sich der Reise hieher verlohnt. – Und während wir abwärts rollten, blieb<br />
das Zauberschloß noch lange unverrückt vor unseren Augen wie hoch<br />
<strong>in</strong> der Luft schwebend stehen.<br />
Der Escorial, eigentlich San Lorenzo el real la Victoria, wie der wahre<br />
Name des berühmten Hieronymitenklosters ist, hatte von se<strong>in</strong>em Stifter,<br />
König Philipp II., e<strong>in</strong> ungeheures Territorium von Ländereien erhalten,<br />
die sich südlich von ihm ausbreiten. Hier befanden sich früher Fruchtfelder,<br />
Parkanlagen, und für die Mönche Spaziergänge jeglicher Art durch<br />
Wald und Flur. Schon zwei Stunden vorher, ehe man den Escorial erreicht,<br />
kommt man an se<strong>in</strong>e äußerste Gränze, e<strong>in</strong> Gebäude mit weitem,<br />
hohem Thorbogen, h<strong>in</strong>ter dem aber leider die gute Straße aufhört und<br />
man bei e<strong>in</strong>em rieselnden Bergwasser vorbei wie über e<strong>in</strong>en Waldgrund<br />
fährt. Hier ist von der ehemaligen Chaussirung des Weges kaum e<strong>in</strong>e<br />
Spur mehr übrig geblieben; die Mauern, welche ihn früher begränzten,<br />
s<strong>in</strong>d zusammengestürzt, haben die Straße verengt und auch wohl hie<br />
und da das Flußbett ausgefüllt, so daß das Wasser schäumend anprallt<br />
und sich nun über die benachbarten Gründe e<strong>in</strong>en anderen Weg suchen<br />
muß. Gleich h<strong>in</strong>ter dem oben erwähnten Thorbogen erblicken wir zu<br />
unserer L<strong>in</strong>ken e<strong>in</strong> mächtiges, vielleicht dreißig Fuß hohes Kreuz, welches<br />
auf der Stelle, wo es steht, mit se<strong>in</strong>em massenhaften Piedestal aus<br />
KAPITEL 13. ESCORIAL. 57<br />
e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Ste<strong>in</strong>blocke gehauen wurde. Von angesetztem Moos und<br />
Flechten hat es e<strong>in</strong>e grünliche Farbe angenommen, und paßt so recht <strong>in</strong><br />
die traurige, öde Wildniß. In der bessern Jahreszeit, wenn alles grün ist,<br />
mag es hier wohl freundlicher se<strong>in</strong> und alsdann das murmelnde Wasser<br />
unter den dichtbelaubten Eschen, Erlen und Ulmen vielleicht allerlei<br />
sonderbare D<strong>in</strong>ge erzählen, die sich hier heimlich begaben; denn <strong>in</strong><br />
der alten Zeit war der Escorial nicht nur e<strong>in</strong> Aufenthalt für Mönche,<br />
se<strong>in</strong> Gründer Philipp II. brachte hier mit dem ganzen Hofe jährlich e<strong>in</strong>ige<br />
Monate zu, und die armen spanischen Hofdamen und Edelfräule<strong>in</strong>,<br />
die sich gewiß <strong>in</strong> den düstern Klostermauern entsetzlich langweilten,<br />
liebten es wahrsche<strong>in</strong>lich, ihre Spaziergänge bis hier ans alte Kreuz auszudehnen,<br />
an dessen moosbedecktem Fuße man sicher oft e<strong>in</strong>ige von<br />
ihnen gelagert sah, wenn auch vielleicht nicht immer <strong>in</strong> <strong>in</strong>brünstigem<br />
Gebet begriffen. –<br />
Wir lassen es h<strong>in</strong>ter uns, der Weg ist zuweilen so eng, daß die überhängenden<br />
Zweige den Wagen streifen, und wird dabei so kothig, daß<br />
unsere armen Maulthiere nur mit Mühe fortkommen. Dazu geht es nach<br />
e<strong>in</strong>iger Zeit wieder ziemlich stark bergan, doch erhalten wir glücklicher<br />
Weise Vorspann und zwar zu unseren sechs Maulthieren noch vier Pferde,<br />
welche durch e<strong>in</strong>ander zu drei und drei gespannt werden, und so<br />
fahren wir nun unverdrossen wieder <strong>in</strong> scharfem Trab vorwärts. Wir<br />
nähern uns dem Ziele und erkennen das hier an regelmäßigen Alleen,<br />
die unsern Weg durchschneiden, dort an Thoren mit oder ohne Eisengitter,<br />
die wohl auf Felder und <strong>in</strong> umschlossene Parks führen. Letztere<br />
sche<strong>in</strong>en noch gut unterhalten zu se<strong>in</strong>, man sieht freistehende Gruppen<br />
von mächtigen Bäumen neben niederem Gebüsche, Wege, die sich um<br />
sie herum schlängeln, und von ihnen weg nach großen Teichen und ummauerten<br />
Bass<strong>in</strong>s führen. Auch e<strong>in</strong>en Spr<strong>in</strong>gbrunnen bemerken wir, der<br />
se<strong>in</strong>e kalten Wasserstrahlen <strong>in</strong> die w<strong>in</strong>terliche Luft h<strong>in</strong>aufspritzt; endlich<br />
auch wird der Weg wieder breiter und ist von e<strong>in</strong>er hohen Granitmauer<br />
e<strong>in</strong>gefaßt, über welche Ste<strong>in</strong>eichen ihre immergrünen Zweige<br />
h<strong>in</strong>ausstrecken. Wir biegen um e<strong>in</strong>e Ecke, und vor uns liegt das gewaltige<br />
Klosterschloß, ernst, ja düster auf se<strong>in</strong>en Terrassen und Plattformen,<br />
die sich gleich ste<strong>in</strong>ernen Redouten vor ihm erheben. Wie sehr man auch<br />
auf diesen großartigen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck vorbereitet se<strong>in</strong> mag, der erste Anblick