Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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170 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
chen schien und zuweilen mit dem Löffel <strong>in</strong> der Brühe herumfuhr, auch<br />
dieselbe kostete, so war es doch der Mistkäfer, der mit eigenen schmutzigen<br />
Händen die Ingredienzien h<strong>in</strong>zuthat, als: Zwiebel, Salz oder Pfeffer.<br />
Daß sie dabei mit eben diesen Händen abwechselnd <strong>in</strong> ihr schwarzes,<br />
struppiges Haar fuhr, war noch nicht das Schlimmste, und nach<br />
später glücklich vollbrachtem Nachtessen versicherte mich Horschelt,<br />
er habe gesehen, wie der Mistkäfer vor der Thüre e<strong>in</strong>iges Holz kle<strong>in</strong> gemacht<br />
und sich dabei e<strong>in</strong>es Vortheils bedient habe, den man auch bei<br />
unsern Holzspältern sieht, um den glatten Stiel des Beils fester halten<br />
zu können. Doch <strong>in</strong> ähnlichen Fällen schließt man die Augen zu und<br />
greift es herzhaft an. Daß wir es mit unserem Nachtessen nach zwölfstündigem<br />
Ritte ebenso machten, wird uns ke<strong>in</strong>e hungrige Seele verübeln;<br />
dabei war aber Hammelfleisch und Reis ziemlich schlecht, der<br />
We<strong>in</strong> mittelmäßig, und sogar unser letzter Trost, die Chokolade, e<strong>in</strong>e<br />
Brühe fast so dünn, wie man sie im lieben Deutschland zu tr<strong>in</strong>ken pflegt.<br />
Überhaupt hatten wir mit Schrecken bemerkt, daß je mehr wir uns dem<br />
Süden <strong>Spanien</strong>s näherten, die Chokolade an Güte abnahm; es war nicht<br />
mehr die prächtige dicke Masse von Valencia und den Posaden aus der<br />
Mancha, deren f<strong>in</strong>gerdicken Rahm man mit dem Löffel abschöpfte und<br />
dieser dann doch noch <strong>in</strong> dem übrigen fast aufrecht stehen blieb. So ändert<br />
sich alles <strong>in</strong> dieser Welt, aber was half unser Klagen? wir machten<br />
dadurch die Köch<strong>in</strong> nicht re<strong>in</strong>licher und die Chokolade nicht dicker. Interessant<br />
war uns e<strong>in</strong> großer, sehr alter, mess<strong>in</strong>gner, dreiarmiger Leuchter,<br />
welcher unserem Souper leuchtete; dieser hatte nämlich oben auf<br />
der Spitze den kaiserlich österreichischen Doppeladler, wohl kunstlos<br />
gearbeitet, aber nicht zu verkennen. Obgleich man denselben <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong><br />
an fast allen Gebäuden aus der Regierungszeit Karl’s V. häufig f<strong>in</strong>det,<br />
so überraschte es uns doch eigenthümlich, ihn an e<strong>in</strong>em Hausgeräth zu<br />
f<strong>in</strong>den, doch fanden wir es angenehm, das bekannte, liebe Wappenzeichen<br />
hier vor uns zu sehen.<br />
Die ganze Fonda mit ihren ziemlich großen Gebäuden hatte dabei etwas<br />
so Ödes und Unheimliches, daß wir zum erstenmal unsere Thüre<br />
zu verriegeln suchten und vor Schlafengehen die Gewehre neben uns<br />
lehnten und die Messer unter dem Kopfkissen verbargen. Morgen also<br />
sollten wir Val de Penas erreichen und dort unsere Freunde wiederf<strong>in</strong>-<br />
KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 171<br />
den; ich sage Freunde, denn neben unserem Reisegefährten, Baumeister<br />
Le<strong>in</strong>s, hatten uns bekanntlich noch e<strong>in</strong> paar liebe deutsche Bekannte aus<br />
Madrid, Herr Ste<strong>in</strong>feld und Herr Weiß, am Fuß der Sierra Morena Rendezvous<br />
gegeben, um mit uns durch den herrlichen Gebirgspaß zu ziehen.<br />
Schon öfters während der langen Ritte der letzten Tage hatten wir uns<br />
dieses Zusammentreffen aufs Lebhafteste und Freundlichste ausgemalt,<br />
und beschlossen, wo möglich den Freunden zuvorzukommen und sie<br />
mit e<strong>in</strong>em Glase des vortrefflichen We<strong>in</strong>es, der dort wächst, des besten<br />
spanischen Landwe<strong>in</strong>es – <strong>in</strong> der schönsten Val de Penas-Laune zu empfangen.<br />
Da wir aber von Almagro dorth<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>e Strecke von circa<br />
acht Leguas hatten, beschlossen wir, noch vor der Morgendämmerung<br />
aufzubrechen, was auch dem edlen Felipe recht angenehm zu se<strong>in</strong> schien,<br />
denn da er uns <strong>in</strong> Val de Penas verlassen sollte, so hoffte er, an demselben<br />
Tage mit se<strong>in</strong>en Thieren noch e<strong>in</strong>e gute Strecke des Heimwegs<br />
zurücklegen zu können.<br />
Es war noch f<strong>in</strong>stere Nacht, als er uns weckte, kaum drei Uhr, und sogar<br />
<strong>in</strong> unserem Schlafzimmer recht empf<strong>in</strong>dlich kalt. Wir kleideten uns<br />
hastig an, und erhielten unsere Chokolade durch den Mistkäfer, den Felipe<br />
ebenfalls zu so guter Stunde von se<strong>in</strong>em Strohsacke aufgejagt. Daß<br />
diese edle Spanier<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrem vollständigen Anzug zu Bett gegangen<br />
se<strong>in</strong> mußte, sahen wir deutlich an ihren Kleidern, welche sich genau <strong>in</strong><br />
demselben Zustande befanden, wie Abends vorher. Unsere Rechnung<br />
war größer als an den vorhergehenden Tagen, und so verließen wir denn<br />
noch ziemlich schlaftrunken und mißmuthig die Fonda und klepperten<br />
durch die öden Gassen Almagro’s.<br />
Der Himmel war klar und sternenhell und die Kälte so groß, daß der<br />
Boden hart gefroren war. Wenn ich bei diesen unseren Touren zu Pferde<br />
saß, so war es me<strong>in</strong> erstes Geschäft, sämmtliches Gepäck, Waffen und<br />
alle Gegenstände zu untersuchen, die ich bei mir trug, ob ich nichts zurückgelassen.<br />
Dieß hatte ich heute Morgen vergessen, mich fest <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e<br />
Manta gewickelt, und trabte, die brennende Cigarre im Munde, verdrossen<br />
und schweigend über das dämmerige Feld dah<strong>in</strong>; Horschelt machte<br />
es ebenso, und Felipe, den die Vepackung se<strong>in</strong>es Maulthiers aufgehalten<br />
hatte, kam h<strong>in</strong>ter uns dre<strong>in</strong>. Auf e<strong>in</strong>mal rief er uns zu, wir möchten