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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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226 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

sten gewesen, die wir betraten, so würden wir zu diesem Spaziergang<br />

Tage lang gebraucht haben; <strong>in</strong> Toledo, Jaen und so vielen andern Orten<br />

konnten wir oft Stunden lang betrachtend vor e<strong>in</strong>em maurischen<br />

Thorbogen, vor e<strong>in</strong>em zierlichen Fenster stehen bleiben, die sich aber<br />

auch dort nur vere<strong>in</strong>zelt zwischen den übrigen Bauwerken und an den<br />

Häusern zeigten, wogegen uns hier <strong>in</strong> Granada auf jedem Schritte irgend<br />

e<strong>in</strong> Anklang aus der Zeit der kunsts<strong>in</strong>nigen Araber aufstieß. War<br />

es hier e<strong>in</strong>e ganze Hausfaçade mit hufeisenförmigen Fensterbogen, zierlichen<br />

Säulchen oder e<strong>in</strong>er maurischen Terrassenkrönung, so war es dort<br />

e<strong>in</strong> Thor mit herrlich gemeißelten Inschriften, hier e<strong>in</strong>e Brücke, die unverkennbare<br />

Spuren ihrer Erbauer trugen. Dabei haben manche Straßen,<br />

namentlich aufwärts an den Ufern des Darro etwas unbeschreiblich<br />

malerisch Ru<strong>in</strong>enhaftes, hervorgebracht durch die Überreste e<strong>in</strong>er<br />

kühn gesprengten Brücke, von der man noch Stücke der Endpfeiler, die<br />

Hälfte des zierlichen Bogens und dergleichen an den Häusern kleben<br />

sieht, oder durch e<strong>in</strong>en Balcon mit fehlenden Gittern, e<strong>in</strong>er Wand mit<br />

grünen Schl<strong>in</strong>gpflanzen bedeckt, oder durch e<strong>in</strong> weithervorspr<strong>in</strong>gendes<br />

maurisches Dachgesims, das e<strong>in</strong>stens schön geschnitzt war und <strong>in</strong> hellen<br />

Farben prangte. Doch ist jetzt das Holzwerk verwittert, theilweise<br />

herabgefallen und grau geworden.<br />

Die Straßen von Granada s<strong>in</strong>d sehr eng und gewunden, wie <strong>in</strong> allen<br />

Städten von arabischer Bauart; die neueren Privatwohnungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach<br />

und ohne besonderen Styl, nur haben sie größtentheils Terrassen<br />

und hoch oben auf dem Dache meistens gegen Westen geöffnete Arcaden.<br />

Obgleich die Stadt an schönen öffentlichen Gebäuden, Kirchen,<br />

Klöstern, Spitälern aus der früheren und späteren christlichen Zeit reich<br />

ist, so s<strong>in</strong>d diese doch nicht im Stande, von Granada den so poetischen<br />

maurischen Hauch oder Anstrich, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu<br />

verwischen, vielmehr ist es gerade, als haben die Araber erst gestern die<br />

Stadt verlassen und könnten schon morgen wieder kommen, um ohne<br />

große Veränderungen von ihren Häusern und Schlössern Besitz zu ergreifen.<br />

S<strong>in</strong>d es doch kaum vierhundert Jahre, daß der letzte König von<br />

Granada, Boabdil, die Stadt verlassen mußte, und wenn ihm auch e<strong>in</strong>e<br />

große Menge se<strong>in</strong>er Anhänger nach Afrika folgte, so blieb doch e<strong>in</strong>e<br />

größere Anzahl edler Familien und Bürger zurück, die freilich nach und<br />

KAPITEL 18. GRANADA. 227<br />

nach gezwungen wurden, zum Christenthum überzutreten, aber trotzdem<br />

noch lange an den Sitten und Gebräuchen ihrer Väter festhielten.<br />

Bis zur Zeit Karls des Fünften war maurische Tracht noch ziemlich allgeme<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> Granada und erkauften sich doch noch im Jahr 1536 die übrig<br />

gebliebenen Araber für achtzigtausend Dukaten das Recht, die Tracht<br />

ihrer Väter beibehalten zu dürfen, für welche Summe Karl der Fünfte<br />

se<strong>in</strong>en Palast auf der Alhambra zu bauen begann.<br />

Wie denn <strong>in</strong> der Stadt fast ke<strong>in</strong> altes Haus mehr ist, das nicht mehr<br />

oder m<strong>in</strong>der Überreste arabischer Baukunst zeigt, neben andern Gebäuden,<br />

die <strong>in</strong> demselben Styl noch vollkommen erhalten s<strong>in</strong>d, so er<strong>in</strong>nern<br />

auch die Namen der Plätze, die Vivarrambla, sowie mancher Straßen<br />

und Thore, der Zacat<strong>in</strong>, Calle de los Zenetes, de los Gazules, de los Gomeles<br />

lebhaft an die Herrschaft der Araber.<br />

Was muß Granada <strong>in</strong> jener Zeit gewesen se<strong>in</strong>, wenn man bedenkt,<br />

wie viel Wunderbares heute noch übrig geblieben ist, nachdem Fanatismus<br />

und Rohheit drei Jahrhunderte lang ihre verwüstende Hand an<br />

die Thürme und Schlösser der maurischen Königsstadt legten, damals,<br />

wo Granada zehn glänzende Schlösser zeigte, die auf den Abhängen<br />

des Gebirgs standen? Damals, wo Granada der letzte Hort des Maurenthums<br />

<strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> war? wo sich die Blüthe der arabischen Ritterschaft<br />

zusammenfand zu Schutz und Trutz ihres letzten Besitzthums <strong>in</strong> dem<br />

schönen <strong>Spanien</strong> gegen die unter König Ferd<strong>in</strong>and mächtig andr<strong>in</strong>genden<br />

Christen? – damals, wo die Stadt der letzten maurischen Könige<br />

noch sechzigtausend wohlgerüstete Streiter <strong>in</strong>’s Feld stellte? –<br />

Die Kathedrale von Granada, die wir im Vorübergehen besahen, ist<br />

im sechszehnten Jahrhundert erbaut; e<strong>in</strong>gespannt <strong>in</strong> e<strong>in</strong> sehr enges Stadtviertel,<br />

hat man r<strong>in</strong>gs um dieselbe ke<strong>in</strong>en geeigneten Gesichtspunkt, um<br />

sie als Ganzes aufzufassen und auf die beiden Thürme, deren höher gediehener<br />

uns sogar noch unvollendet sche<strong>in</strong>t, ist nur von ferner gelegenen<br />

Plätzen über der umgebenden Häusermasse weg e<strong>in</strong> Aufblick zu<br />

bekommen. Der ganzen Anlage nach könnte man diese große Kirche<br />

e<strong>in</strong>e Schwester derjenigen von Jaen nennen, so ähnlich s<strong>in</strong>d sich beide<br />

<strong>in</strong> der Wahl der dabei angewandten Bauformen. Das Innere ist schlank<br />

und von edlen Verhältnissen, namentlich der Chorabschluß von mächtiger<br />

Wirkung; was uns aber besonders anzog, war die Nordseite und

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