Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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370 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
herbei und mit so vielem Volk, als Euch möglich ist. Darauf zog der König<br />
se<strong>in</strong>e Truppen zusammen, schickte se<strong>in</strong>e gothische Reiterei <strong>in</strong> aller<br />
Eile voraus und folgte selbst mit dem Hauptheer und dem ganzen Adel<br />
se<strong>in</strong>es Reiches. Am fünften Tage des Mondes Xawal, erzählt der arabische<br />
Geschichtschreiber, lagerte das Heer der Christen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stärke<br />
von neunzigtausend Mann, und ihm gegenüber stand der Maure Taric<br />
mit nur zwölftausend Saracenen, wovon aber die Hälfte aus wilden<br />
afrikanischen Reitern bestand. Die Bewegungen des christlichen Heeres<br />
glichen denen des Oceans, wenn se<strong>in</strong>e Wogen von der Flut gereizt<br />
s<strong>in</strong>d. Ihre ersten und h<strong>in</strong>tersten Reihen waren mit undurchdr<strong>in</strong>glichen<br />
Panzern bedeckt, die andern führten Lanzen, Schilder und Schwerter,<br />
und das leichte Volk war mit Bogen, Pfeilen, Schleudern oder auch nach<br />
der Sitte ihres Landes mit Beilen, Keulen und Streitäxten versehen. Aber<br />
Taric ließ sich von der zahllosen Menge nicht schrecken und vertraute<br />
auf die Überlegenheit der Se<strong>in</strong>en an Muth und Geschicklichkeit im Gebrauche<br />
der Waffen. Die Schlacht begann an e<strong>in</strong>em Sonntage mit dem<br />
ersten Sonnenstrahl und hörte beim <strong>E<strong>in</strong></strong>bruch der Nacht ohne Entscheidung<br />
auf, wobei die Heere auf dem Schlachtfelde übernachteten. Das<br />
g<strong>in</strong>g mehrere Tage so fort, und als endlich Taric sah, daß die Araber anfangen<br />
mochten zu weichen, sagte er ihnen: Wozu kann es euch nützen,<br />
daß ihr fliehet? Das Meer liegt unbesiegbar h<strong>in</strong>ter eurem Rücken, vor<br />
euch der Fe<strong>in</strong>d, dort der Tod, hier Aussicht auf glänzenden Sieg. Auf,<br />
mir nach, Ritter! Damit stürzte er sich auf die Christen, hieb rechts und<br />
l<strong>in</strong>ks nieder, was ihm entgegenstand und erreichte die christlichen Fahnen.<br />
Hierbei erzählt nun die arabische Geschichte, Taric habe den König<br />
Roderich nach kurzem Gefechte mit e<strong>in</strong>em Lanzenstiche getödtet, im<br />
Gegensatz zu den altspanischen Romanzen, die das Ende des unglücklichen<br />
Königs anders, poetischer, aber schrecklicher berichten. Genug,<br />
das Unbegreifliche geschah, das christliche Heer floh nach allen Richtungen,<br />
und hier am Guadalajete wurde <strong>Spanien</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Nacht<br />
für den Islam erobert. Zwei Jahre nach der Schlacht bei Xerez de la Frontera<br />
gehörte außer den Gebirgen von Asturien nichts mehr den Gothen,<br />
und hundert Jahre später hatte das spanische Volk, außer der Religion,<br />
alles was ihm sonst heilig war, Tracht, Sitte, selbst se<strong>in</strong>e Sprache an die<br />
Eroberer verloren.<br />
KAPITEL 21. NACH GIBRALTAR. 371<br />
Die altspanischen Romanzen lassen den König Roderich nicht <strong>in</strong> der<br />
Schlacht umkommen, sondern nachdem se<strong>in</strong> Heer geschlagen war und<br />
ihn alle se<strong>in</strong>e Freunde verlassen hatten, floh er auf verwundetem, wankendem<br />
Pferde, selbst todmüde und von Blut triefend, mit abgehauener<br />
Helmzierde und zerbrochenem Schwert und Schild, dem Guadalajete<br />
zu. Wahrsche<strong>in</strong>lich ritt er quer über das Feld, welches wir vor uns sehen,<br />
den Hügel h<strong>in</strong>auf, auf dem wir uns gerade bef<strong>in</strong>den; denn auf e<strong>in</strong>er<br />
Anhöhe am Rande des Schlachtfeldes hielt der König auf se<strong>in</strong>er Flucht<br />
an, um sich noch e<strong>in</strong>mal nach der blutgetränkten Ebene umzuschauen,<br />
wohl dieselbe, wo jetzt die kle<strong>in</strong>e Kapelle steht, und blickte dort h<strong>in</strong>ab<br />
<strong>in</strong> Jammer und Verzweiflung. Als er hierauf se<strong>in</strong>e Flucht gegen Norden<br />
fortsetzte, traf der unglückliche König e<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>siedler, dem er beichtete<br />
und der ihn, zur Buße für se<strong>in</strong>e Sünden, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e tiefe Grube steigen<br />
ließ, und ihm zur Gesellschaft e<strong>in</strong>e giftige Natter gab. Aber drei Tage<br />
mußte der Büßer vergeblich auf den tödtenden Biß der Schlange warten,<br />
der ihm e<strong>in</strong> Zeichen der himmlischen Gnade, der Vergebung se<strong>in</strong>er<br />
Sünden se<strong>in</strong> sollte. Am meisten drückte ihn wohl se<strong>in</strong>e schwere Schuld<br />
gegen die Tochter des Grafen Julian, die ihn ja auch <strong>in</strong> ihren Folgen um<br />
Thron, Reich und Leben brachte, und um das Wort der Schrift zu erfüllen:<br />
Womit du sündigst, sollst du bestraft werden, entgegnete endlich<br />
am vierten Tage der König auf die Frage des <strong>E<strong>in</strong></strong>siedlers:<br />
Dios es en la ayuda mia,<br />
La culebra me comia;<br />
Comeme ya por la parte<br />
Que todo lo merecia.<br />
Und damit endete Roderich.<br />
Für uns war es höchst <strong>in</strong>teressant, diese Gegend zu sehen. Hatten<br />
wir doch noch vor wenig Wochen <strong>in</strong> Toledo die Trümmer des stolzen<br />
Palastes gesehen, den sich der Gothenkönig erbaut, wo er <strong>in</strong> Pracht und<br />
Herrlichkeit lebte, und wo sich <strong>in</strong> den Bädern tief am Ufer des Tajo der<br />
schwarze Faden anknüpfte, der ihn hier bei der Ebene von Xerez de la<br />
Frontera so elend zu Grunde gehen ließ. Nachdem wir längere Zeit das<br />
Schlachtfeld betrachtet, auch kle<strong>in</strong>e Andenken mitgenommen, als Bergkräuter<br />
und Blumen, sowie ich auch nicht vergaß, vom Fuße des Hügels