Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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132 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
mals und kommen nach kurzer Zeit an dem schönen arabischen Thurme,<br />
Santo Tomé, vorbei wieder <strong>in</strong> belebte Stadtviertel und endlich auf<br />
den Sammelplatz des Toledaner gewerblichen Lebens den Zocodover.<br />
Dieser kle<strong>in</strong>e Marktplatz zeigt ebenfalls noch deutlich se<strong>in</strong>en maurischen<br />
Ursprung, er ist von regelmäßiger Form mit kle<strong>in</strong>en Häusern umgeben,<br />
deren jedes von dem andern verschieden ist. Aber an fast allen<br />
entdecken wir etwas, das die Zeit se<strong>in</strong>er Erbauer verräth; hier e<strong>in</strong> paar<br />
schlanke Säulen, welche e<strong>in</strong>en Balkon mit zierlicher Brüstung tragen,<br />
dort e<strong>in</strong>en zugemauerten Bogen <strong>in</strong> Hufeisenform; an jenem Hause e<strong>in</strong><br />
paar schmale vergitterte Fenster, <strong>in</strong> dem anderen daneben e<strong>in</strong>en zierlichen<br />
Hof mit Mosaikpflaster, e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Spr<strong>in</strong>gbrunnen und offenen<br />
Arcaden. Leider dient er nicht mehr den Zwecken, zu denen ihn<br />
se<strong>in</strong>e Erbauer bestimmt, und verschwunden s<strong>in</strong>d Weiber und K<strong>in</strong>der,<br />
die sich ehemals beim Klange des Saitenspiels e<strong>in</strong>em süßen Nichtsthun<br />
h<strong>in</strong>gaben. In den Ecken, wo früher Teppiche und Polster lagen, erblickt<br />
man jetzt Pferdegeschirr unordentlich durch e<strong>in</strong>ander geworfen, und<br />
aus dem Hause selbst kl<strong>in</strong>gen statt der Guitarrenklänge taktmäßige Ambosschläge<br />
zu uns herüber.<br />
So s<strong>in</strong>d fast alle Häuser des Zocodover, wo ehemals die alten Geschlechter<br />
wohnten, aufs prosaischste umgewandelt, und den heutigen<br />
Bedürfnissen entsprechend, reihen sich hier Werkstätten und Kramläden<br />
an e<strong>in</strong>ander. Dadurch ist nun freilich der Platz belebt, und <strong>in</strong>teressante<br />
Bauerngruppen aus der Mancha, die rothe wollene Decke auf<br />
der Schulter, den spitzen Hut auf dem Kopfe, besorgen ihre <strong>E<strong>in</strong></strong>käufe<br />
oder stehen plaudernd und Cigarren rauchend bei e<strong>in</strong>ander, während<br />
e<strong>in</strong> paar Reiter aus dem toledaner Gebirge <strong>in</strong> ihrem bunten, malerischen<br />
Costüme, welches ans Andalusische er<strong>in</strong>nert, mit Messern und langen<br />
Fl<strong>in</strong>ten bewaffnet, über den Zocodover galoppiren und lustig nach diesem<br />
oder jenem Fenster h<strong>in</strong>aufgrüßen, wo sich e<strong>in</strong> Paar blitzender Augen<br />
unter e<strong>in</strong>er schwarzen Mantille sehen läßt. – Der Platz ist mit Bäumen<br />
bepflanzt und mit Ste<strong>in</strong>bänken von sehr alter Form versehen, die<br />
wir beim kle<strong>in</strong>sten Sonnenstrahle, der sich auf den Platz schleicht, auch<br />
jetzt im <strong>W<strong>in</strong>ter</strong> fast immer besetzt fanden. Freilich war vom schönen<br />
Geschlechte nicht viel zu sehen, vom anderen dagegen ganze Reihen<br />
bleichsüchtiger Sem<strong>in</strong>aristen <strong>in</strong> langem schwarzem Rock, die hier un-<br />
KAPITEL 15. TOLEDO. 133<br />
beweglich saßen, wie Krähen auf e<strong>in</strong>er Stange.<br />
Auf der südlichen Seite des Zocodover, ungefähr <strong>in</strong> der Mitte, bef<strong>in</strong>det<br />
sich e<strong>in</strong> großer Thorbogen, h<strong>in</strong>ter welchem die gepflasterte Straße<br />
steil wie e<strong>in</strong> Dach den Tajo h<strong>in</strong>ab fällt. Wir folgen ihr e<strong>in</strong>ige Schritte,<br />
denn hier bef<strong>in</strong>den sich zwei der merkwürdigsten Bauwerke von Toledo:<br />
das Spital von Sta. Cruz, l<strong>in</strong>ks dicht an der Straße, von welcher ihr<br />
Vorhof durch e<strong>in</strong> äußerst kunstreiches Gitter getrennt ist: rechts e<strong>in</strong>e Caserne,<br />
neben welcher sich e<strong>in</strong> altes Lattenthor bef<strong>in</strong>det, durch welches<br />
der Weg zu dem mit Recht berühmten Alcazar von Toledo führt.<br />
Kaum ist man aus dem Thorbogen getreten, so zieht die Façade des<br />
Spitals die Blicke unwiderstehlich auf sich und nachdem man die Schwelle<br />
des den Vorhof umgebenden Eisengitters überschritten, bleibt man<br />
gefesselt stehen; das Gebäude imponirt nicht durch se<strong>in</strong>e Größe, aber<br />
sogleich erkennt man, daß man etwas ganz Ungewöhnliches vor sich<br />
hat. Aus der ersten Zeit der Renaissance stammend, ist e<strong>in</strong> Reiz über<br />
die Verhältnisse des Ganzen und der <strong>E<strong>in</strong></strong>zelheiten ausgegossen, der bei<br />
genauer Betrachtung zur Bewunderung h<strong>in</strong>reißt. Der Haupte<strong>in</strong>gang, e<strong>in</strong>e<br />
viereckige Thüre mit darüber angebrachter Halbkreisbekrönung und<br />
se<strong>in</strong>e nächsten Umgebungen s<strong>in</strong>d von e<strong>in</strong>er Fe<strong>in</strong>heit des Verständnisses<br />
und e<strong>in</strong>er Zartheit der Ausführung, die ihn zu e<strong>in</strong>em der hervorragendsten<br />
Erzeugnisse dieser Kunstperiode machen. Nachdem man das geräumige<br />
Vestibüle durchschritten, gelangt man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en weiten Hof mit<br />
zwei Bogenstellungen über e<strong>in</strong>ander von sehr gut abgewogenen Proportionen,<br />
aber bei e<strong>in</strong>er Wendung rückwärts trifft der Blick auf die Haupttreppe,<br />
die <strong>in</strong> drei Armen von dem Hofboden zum oberen Stock führt<br />
und e<strong>in</strong> Ausruf freudiger Überraschung ist die unwillkürliche Wirkung<br />
dieses Anblickes. So e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> der ganzen Anlage, gibt es nichts zierlicheres<br />
und wohlverstandeneres, wobei das Ornament edler vertheilt<br />
und die <strong>E<strong>in</strong></strong>zelheiten künstlerischer durchgebildet se<strong>in</strong> könnten. Herrliche<br />
Säle mit gekrümmten, prächtig geschnitzten Holzdecken liegen um<br />
den Hof her und die Kirche im griechischen Kreuz angelegt mit e<strong>in</strong>em<br />
schlanken Dom <strong>in</strong> der Mitte, muß gleichfalls von wunderschöner Wirkung<br />
gewesen se<strong>in</strong>, nun s<strong>in</strong>d leider zwei der Kreuzarme durch e<strong>in</strong>geschobene<br />
Wände davon abgeschnitten und so der Raum verstümmelt.<br />
Von dem großen Card<strong>in</strong>al Mendoza wurde dieser Bau an der Stelle der