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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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192 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

cher Zeit traurig berühren, wenn er bedenkt, was dieses ganze herrliche<br />

Land unter e<strong>in</strong>er kräftigen Regierung durch Herbeiziehung und Unterstützung<br />

fremder Arbeitskräfte se<strong>in</strong> könnte, und welche glückselige Zukunft<br />

sich dadurch Tausenden unserer armen Landsleute eröffnen würde,<br />

die jetzt über das Weltmeer ziehen, um bei den kalten und herzlosen<br />

Yankees zu verkümmern.<br />

Unsere kle<strong>in</strong>en Esel trabten so Stunde um Stunde lustig über die breite<br />

Straße dah<strong>in</strong>, die sanft aufstieg, zuweilen aber auch wieder kurze<br />

Strecken abwärts führte. In e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Dörfchen hielten wir unsere<br />

Mittagsrast, ritten dann e<strong>in</strong>e Zeit lang <strong>in</strong> der Hochebene fort, worauf<br />

sich der Weg zu e<strong>in</strong>em Male h<strong>in</strong>absenkte, h<strong>in</strong>ter welchem sich die<br />

schwärzlichen Massen des Gebirges ziemlich steil erhoben, das dort bei<br />

Concepcion de Almuradiel se<strong>in</strong>en höchsten Punkt erreicht. Unser Führer<br />

oder eigentlich Treiber verließ hier die breite Straße und trieb se<strong>in</strong>e<br />

Thiere, um den Weg abzukürzen, e<strong>in</strong>en ziemlich steilen Felsenpfad<br />

h<strong>in</strong>ab, was für uns Reiter nichts weniger als angenehm war. Von e<strong>in</strong>em<br />

Wege war hier eigentlich nicht die Rede: bald g<strong>in</strong>g es durch das Bett e<strong>in</strong>es<br />

kle<strong>in</strong>en Baches, über Rollkiesel, bald über breite Felsenplatten, die so<br />

glatt waren, daß ich jeden Augenblick erwartete mit me<strong>in</strong>em armen Esel<br />

<strong>in</strong> die Tiefe zu rollen. Dabei wollte uns der spanische Tyrann nicht e<strong>in</strong>mal<br />

absteigen lassen, stachelte vielmehr die Thiere immerfort, schnalzte<br />

dazu mit der Zunge und sprang <strong>in</strong> großen Sätzen nebenher. Daß wir ohne<br />

Unfall h<strong>in</strong>abkamen, betrachtete ich als e<strong>in</strong> Wunder; denn rückwärts<br />

blickend sah ich die Wand, welche wir herabgekommen waren, <strong>in</strong> erschreckender<br />

Steilheit aufsteigen.<br />

Unten bogen wir wieder <strong>in</strong> die breite Chaussee e<strong>in</strong> und betraten zu<br />

gleicher Zeit den Anfang des Passes von Despena-Perros, – e<strong>in</strong>e wilde<br />

Schlucht von steilen, viele hundert Fuß hohen Felsen gebildet, an deren<br />

e<strong>in</strong>er Seite die Straße <strong>in</strong> malerischen Wendungen h<strong>in</strong>führt. Sie ist auch<br />

hier vortrefflich unterhalten, für die Durchlassung der Wasser, die von<br />

den Felsen herabrieseln, ist aufs beste gesorgt, und an manchen Orten<br />

ist sie auf kühnen Bogen über die tiefen Schluchten weg geführt, welche<br />

die großen Gebirgswasser zur Zeit des <strong>W<strong>in</strong>ter</strong>s <strong>in</strong> die Felsen gerissen<br />

haben. Auf der l<strong>in</strong>ken Seite trennt uns vom Abgrunde, e<strong>in</strong>e hohe<br />

ste<strong>in</strong>erne Brustwehr. Zur rechten Seite der Straße erheben sich die zer-<br />

KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 193<br />

klüfteten Ste<strong>in</strong>wände e<strong>in</strong>es Glimmerschiefers <strong>in</strong> senkrechten Schichten,<br />

dessen rothe Farbe auffallend gegen das dunkle Grün der Stacheleichen<br />

und P<strong>in</strong>ien absticht, welche auf e<strong>in</strong>zelnen Terrassen, namentlich aber <strong>in</strong><br />

den Schluchten des Gebirges wachsen. Wo sich diese, besonders auf der<br />

westlichen Seite des Passes h<strong>in</strong> und wider erweitern, unterbrechen e<strong>in</strong>zelne<br />

große grüne Rasenplätze, jetzt von Pflanzungen zierlicher Eriken<br />

umsäumt, im Frühjahr aber beschattet von blühenden Mandelbäumen,<br />

den düstern Charakter der Gegend. Hier weiden Viehheerden, und der<br />

mächtige Toro der Sierra Morena, der gewaltige Kämpfer auf dem Stierplatze,<br />

wetzt se<strong>in</strong> Horn an den Stämmen der Eichen, scharrt die Erde<br />

und schaut brüllend nach dem vorüberziehenden Reisenden empor.<br />

H<strong>in</strong> und wider gewährten uns die Wendungen der Straße noch e<strong>in</strong>en<br />

Rückblick auf die rothe, kahle Ebene der Mancha bis nach dem fernen<br />

Castell des alten Consuegra und den Hügeln von Val de Penas.<br />

Ich er<strong>in</strong>nere mich nicht, je Abbildungen dieses Passes gesehen zu haben,<br />

und doch wäre das e<strong>in</strong>e der dankbarsten Aufgaben, die sich e<strong>in</strong><br />

Maler stellen könnte; namentlich e<strong>in</strong>e Strecke weiter oben sahen wir<br />

e<strong>in</strong>en Punkt, wo die Chaussee unter überhängenden Felsen dah<strong>in</strong>zieht,<br />

hoch auf der steilen Wand des Abgrundes. In der Höhe sche<strong>in</strong>t die Straße<br />

plötzlich aufzuhören, und dort erhebt sich zur l<strong>in</strong>ken Seite derselben,<br />

aus der nebenliegenden Schlucht aufsteigend, e<strong>in</strong> gewaltiger Felszacken,<br />

der mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Wachthaus der Guardias Civiles gekrönt<br />

ist und den Mittelpunkt der wilden Landschaft e<strong>in</strong>nimmt. Den H<strong>in</strong>tergrund<br />

bilden die steilen Felswände mit den Zickzackl<strong>in</strong>ien der Straße,<br />

die hoch auf die Höhe führen, bis wo die ersten Häuser des Dörfchens<br />

Santa Elena freundlich herabschauen. Hier ist die Gränze zwischen der<br />

Mancha und Andalusien; sie ist durch e<strong>in</strong>en uralten Ste<strong>in</strong> bezeichnet,<br />

worauf auf der castilischen Seite die Worte virgen del sagrario de Toledo,<br />

und auf der andalusischen die Santa faz de Jaen e<strong>in</strong>gehauen s<strong>in</strong>d.<br />

Diese bezeichnet das Schweißtuch der h. Veronica, was man <strong>in</strong> Jaen<br />

zeigt, jene das <strong>in</strong> der Kathedrale von Toledo so hoch verehrte Muttergottesbild.<br />

Obgleich es heute Morgen empf<strong>in</strong>dlich kalt gewesen war, so hatten<br />

wir doch jetzt um die Mittagszeit so heißen Sonnensche<strong>in</strong>, daß wir uns<br />

gegen die brennenden Strahlen schützen mußten und zu diesem Zwecke

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