Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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118 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
ders hervorragt. Wunderschöne gothische Maßwerke bedecken die Wände,<br />
und durch vielfach verschlungene, <strong>in</strong> den korrektesten Dess<strong>in</strong>s ausgehauene<br />
Ste<strong>in</strong>gitter, die diese Kapelle von der Kirche trennen, hat man<br />
den Blick <strong>in</strong> das geheimnißvolle Dunkel der Hallen des Chorumganges.<br />
Von den herrlichen Grabmalen kann man sich kaum trennen, und<br />
wie schön s<strong>in</strong>d die Kapelle des heiligen Ildefonso und die Kapelle de<br />
Reyes Nuevos, welche von ihrem im Chorumgange angebrachten Portado<br />
durch die Kapelle bis zur Sacristei e<strong>in</strong>e ununterbrochene Reihe<br />
der vortrefflichsten Muster elegantester Renaissancearchitektur darbietet!<br />
Doch es wäre ke<strong>in</strong> Ende, die Kunstschätze der e<strong>in</strong>zelnen Kapellen<br />
aufzuzählen. Nur derjenigen unter dem Thurme wollen wir noch gedenken,<br />
die ganz arabisch ist, und deren wimmelndes, prachtvolles Detail<br />
der Wölbung bei je längerem Betrachten e<strong>in</strong> immer größeres Räthsel<br />
wird, und endlich des von Card<strong>in</strong>al Cisneros erbauten <strong>W<strong>in</strong>ter</strong>capitelsaales,<br />
zu dem vom Seitenschiff aus e<strong>in</strong>e herrliche, von gothischer Filigranarchitektur<br />
gekrönte Thür von der Hand des Antonio Rodriguez führt.<br />
Der Capitelvorsaal, dessen Wände mit schönen Fresken von Jean de<br />
Bourgogne geschmückt s<strong>in</strong>d, hat e<strong>in</strong>e Decke von wunderbarer Arbeit,<br />
von der man kaum weiß, ob Araber oder Christen sie gefertigt haben, so<br />
sehr durchdr<strong>in</strong>gen sich die wechselvollen gothischen und maurischen<br />
Formen, und Alles leuchtet von den brennendsten Farben. Der Capitelsaal<br />
selbst aber, dessen Wölbung ganz <strong>in</strong> goldenem Glanze strahlt,<br />
und von welcher zahllose Stalaktiten herunter zu hängen sche<strong>in</strong>en, hat<br />
nur e<strong>in</strong>en Raum, der ihm annäherungsweise gleicht, den ehrwürdigen<br />
großen Saal des venetianischen Dogenpalastes; ernst und würdig schauen<br />
im Kreise herum <strong>in</strong> doppelter Reihe die Bildnisse der Kirchenfürsten<br />
auf den Besucher herunter. Dem <strong>E<strong>in</strong></strong>gange gegenüber steht erhöht der<br />
erzbischöfliche Stuhl, bedeckt mit den reichsten Sculpturen und überragt<br />
von e<strong>in</strong>em schönen Bilde, der Krönung Marias. Zu beiden Seiten<br />
erheben sich mehrere Rang hoch schön geschnitzte Chorstühle, und die<br />
Wände s<strong>in</strong>d bedeckt mit fünfzehn merkwürdigen historischen Bildern<br />
Johanns von Burgund. <strong>E<strong>in</strong></strong> stolzer, feierlicher Raum!<br />
Schon vorh<strong>in</strong> erwähnte ich des Reichthums der Kathedrale von Toledo<br />
an edlen Metallen. – Neben e<strong>in</strong>er Anzahl silberner und goldener<br />
Gefässe, neben den vielen Gewändern der heiligen Jungfrau, die so mit<br />
KAPITEL 15. TOLEDO. 119<br />
Perlen und Diamanten bedeckt s<strong>in</strong>d, daß man zwischen ihnen durch<br />
ke<strong>in</strong>en Faden des Gewebes sehen kann, ist <strong>in</strong> der That sehr bemerkenswerth<br />
e<strong>in</strong>e Monstranz von Gold und Silber, woran der Metallwerth nicht<br />
gegen die riesenhafte Arbeit <strong>in</strong> Betracht kommen kann. Wie man uns erzählte,<br />
haben drei Generationen e<strong>in</strong>er Goldschmiedsfamilie, der Vater,<br />
der Sohn und der Enkel, ihr ganzes Leben auf diese Arbeit verwandt. –<br />
Auch an alten Bildern ist die Kirche sehr reich, doch s<strong>in</strong>d sie mit Ausnahme<br />
der Altarblätter so unvortheilhaft aufgehängt, daß es selbst für<br />
e<strong>in</strong>en Kenner, der ich nicht b<strong>in</strong>, unmöglich wäre, sie mit Vortheil zu betrachten.<br />
Die vielen Grabdenkmäler <strong>in</strong> der Kirche s<strong>in</strong>d von großer und angenehmer<br />
Wirkung für den Umherwandelnden; an den stillen marmornen<br />
Erzbischöfen können die Blicke ausruhen, wenn sie geblendet von<br />
dem Glanze des Goldes und dem ungewissen Leuchten und Schimmern<br />
der Glasmalereien e<strong>in</strong>en stillen W<strong>in</strong>kel suchen. Und das Ausruhenlassen<br />
der Blicke und Gedanken kann man schon brauchen, nachdem man<br />
e<strong>in</strong> paar Stunden lang umher gewandelt. Man fühlt sich ermüdet, übersättigt<br />
von dem, was man gesehen, und braucht e<strong>in</strong>e Restauration; und<br />
ich für me<strong>in</strong>e Person fand diese <strong>in</strong> der großen Kirche öfters, wenn ich<br />
mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>steren W<strong>in</strong>kel niedersetzte, das Gesicht <strong>in</strong> die Hände<br />
verbarg, und so die Ruhe auf mich e<strong>in</strong>wirken ließ.<br />
Auch e<strong>in</strong> Spaziergang <strong>in</strong> den prachtvollen Kreuzgängen, welche an<br />
den Dom stoßen, thut so wohl und erfrischt. An der Thür warfen wir<br />
noch e<strong>in</strong>en Blick rückwärts <strong>in</strong> den dämmernden Raum, die ganze Kirche<br />
funkelt vor dem Auge wie e<strong>in</strong> Kaleidoskop; die Kerzen am Hochaltare<br />
schimmern gleich rothen Funken und wie durch Nebel zu uns herüber.<br />
H<strong>in</strong>ter dem Chore liegt der ganze gewaltige Raum noch dunkler; und<br />
oben ganz <strong>in</strong> der Höhe läßt e<strong>in</strong> offenes Fenster e<strong>in</strong>en Lichtstrom here<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen,<br />
auf welchem der Staub sich mit Behagen schw<strong>in</strong>gt, und dessen<br />
Strahl e<strong>in</strong>e erhabene Marmorfigur trifft, die im allgeme<strong>in</strong>en Halbdunkel<br />
hell leuchtend und wie verklärt dasteht. Drunten vor dem Altar<br />
ist der heilige Dienst zu Ende, die Priester ziehen sich, die Kniee<br />
beugend, zurück; von der Orgel herab sausen und brausen nur noch<br />
e<strong>in</strong>zelne Töne. Man hört die Wegeilenden leise husten und sich räuspern;<br />
die Tritte ihrer Füße schlurfen auf dem Pflaster. <strong>E<strong>in</strong></strong>er, der an uns