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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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78 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

führen rechts und l<strong>in</strong>ks zwei Thüren zu den Begräbnissen der Infanten,<br />

welche aber schon seit langer Zeit dem Besucher nicht mehr geöffnet<br />

werden dürfen, weil sich diese Grüfte, wie man sagt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er traurigen<br />

Unordnung bef<strong>in</strong>den.<br />

Das Pantheon selbst, zu dem wir noch wenige Stufen h<strong>in</strong>unter stiegen,<br />

ist e<strong>in</strong>e Rotunde mit massiver Kuppel, von der e<strong>in</strong> reicher Kronleuchter<br />

aus Krystall herabhängt; die Lichter an demselben waren schon<br />

angezündet und erlaubten uns so e<strong>in</strong>en genaueren Blick auf die schauerliche<br />

Pracht, <strong>in</strong> der die todten Könige und König<strong>in</strong>nen von <strong>Spanien</strong><br />

so still und gänzlich abgeschieden von der Welt ruhen; denn r<strong>in</strong>gsum<br />

sieht man weder Fenster noch sonstige Öffnungen. Wände und Decken<br />

dieses Tempels s<strong>in</strong>d aufs Kunstreichste mit Marmor <strong>in</strong> verschiedenen<br />

dunklen Farben ausgelegt; prächtig, aber düster ist der Altar; die H<strong>in</strong>terwand<br />

desselben besteht aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Stücke Porphyr, der wie<br />

e<strong>in</strong> Spiegel geschliffen und von Jaspispflastern und Säulen von Antico<br />

verde e<strong>in</strong>gerahmt ist. <strong>E<strong>in</strong></strong> schwarzes Marmorkreuz mit goldenem Crucifix,<br />

e<strong>in</strong>fach aber schön, erhebt sich vom Altar und fesselt den Blick des<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong>tretenden, der sich im ersten Augenblicke vergeblich nach den Königsgräbern<br />

umsieht, denn diese s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> die Augen fallend, sondern<br />

bestehen aus schwarzen Marmorsärgen, stehen <strong>in</strong> Nischen, welche<br />

sich <strong>in</strong> der Wand bef<strong>in</strong>den, und unterscheiden sich kaum von dieser; erst<br />

bei genauerem Betrachten entdeckt man vier goldene Löwentatzen, welche<br />

jeden Sarkophag tragen, und e<strong>in</strong>en goldenen Schild, auf welchem<br />

man <strong>in</strong> schwarzen Buchstaben die Namen der hier Ruhenden liest. Und<br />

welche Namen! Karl V., Philipp II. – – unter anderen, die uns weniger<br />

<strong>in</strong>teressiren. Zur Rechten ruhen die Könige, zur L<strong>in</strong>ken die König<strong>in</strong>nen,<br />

doch ist noch manche Nische leer und harrt des schwarzen Marmorsarges.<br />

Wohlthuend freundlich war heute <strong>in</strong> der schwarzen, spiegelnden Gruft<br />

der Altar verziert und mit weißen Spitzen und bunten Blumen hergerichtet<br />

zum Empfang der kle<strong>in</strong>en Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>; doch war dieß auch wieder<br />

die Ursache, daß uns der Führer, e<strong>in</strong> junger Geistlicher, zur Eile antrieb,<br />

denn die Messe <strong>in</strong> der Kirche mußte bald zu Ende se<strong>in</strong>, und dem feierlichen<br />

Leichenzuge hier auf der Treppe der Gruft zu begegnen wäre für<br />

beide Theile recht unangenehm gewesen.<br />

KAPITEL 13. ESCORIAL. 79<br />

Nach beendigtem Amte droben ordnete sich die Geistlichkeit <strong>in</strong> Prozession,<br />

umzog den Katafalk und schritt alsdann unter Abs<strong>in</strong>gung des<br />

Psalmes: Laudate pueri Dom<strong>in</strong>um de coelis dem Sarge voraus, der nun von<br />

vier königlichen Haushofmeistern getragen und am <strong>E<strong>in</strong></strong>gange des Pantheon,<br />

welches sich unter dem Hauptaltar bef<strong>in</strong>det, niedergesetzt wurde.<br />

Hier nahmen ihn vier Stallmeister der König<strong>in</strong> <strong>in</strong> Empfang und trugen<br />

ihn die Stufen h<strong>in</strong>ab bis zum ersten Treppenabsatze, von wo ihn vier<br />

Kammerherren der König<strong>in</strong> vor den kle<strong>in</strong>en Altar, der sich im Pantheon<br />

selbst bef<strong>in</strong>det, niedersetzten.<br />

Nachdem sich die Großen des Hofs sowie die hohe Geistlichkeit und<br />

von dem übrigen Gefolge so viele als <strong>in</strong> der königlichen Gruft Platz fanden,<br />

um den Sarg versammelt hatten, wobei übrigens die Treppen bis<br />

oben h<strong>in</strong>auf dicht besetzt waren, wurde die äußere Umhüllung desselben<br />

abermals geöffnet und der Marquis de los Llamos sowie der Großnotar<br />

des Königreichs und die vier Kammerherren der verstorbenen<br />

Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> betrachteten aufs Neue das Gesicht des königlichen K<strong>in</strong>des.<br />

Sie erhoben die Hand und schwuren, das sei dieselbe Leiche, die sie im<br />

Palast übernommen. Dann sprach der Marquis de los Llamos mit lauter<br />

Stimme: Dieß ist gewiß und wahrhaftig der Körper der durchlauchtigsten<br />

Infant<strong>in</strong> von <strong>Spanien</strong>, Tochter unserer erhabenen König<strong>in</strong>, welche<br />

Gott schützen möge, Donna Isabella II. und Don Franzisco de Assis Maria.<br />

Darnach schritten die hohe Geistlichkeit, die Großen und Edelleute<br />

des Hauses sowie e<strong>in</strong>e Deputation des Ayuntamiento ebenfalls an den<br />

Sarg h<strong>in</strong>, schauten h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, und nachdem dieß geschehen, fragte der Marquis<br />

de los Llamos mit lauter Stimme: Haben alle Anwesenden, die Väter<br />

unserer heiligen Kirche, die Großen des Reichs, die Edelleute des<br />

Hauses, durch eigenen Anblick, sowie nach me<strong>in</strong>em Zeugnisse, dem<br />

des Großnotars des Königreichs und der begleitenden Kammerherren<br />

Ihrer Majestät diese Leiche für die durchlauchtige Infant<strong>in</strong> von <strong>Spanien</strong><br />

erkannt, welche durch mich vom Palaste zu Madrid gestern hieher<br />

gebracht worden ist? Worauf alle Anwesenden erwiderten: Ja, wir haben<br />

sie erkannt. Nun wurde der Sarg wieder geschlossen, der Schlüssel<br />

zur äußeren Umhüllung abgezogen und dem Director der königlichen<br />

Kapelle zu San Lorenzo übergeben, der ihn hoch emporhielt und feierlichst<br />

gelobte, die Befehle Ihrer Majestät, die fernere Beisetzung betreffend,<br />

aufs Pünktlichste zu erfüllen.

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