Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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388 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
aber, wo die Fahrzeuge immer etwas auf dem Wasser tanzten, steuerte<br />
unser Nachen nördlicher dem Ufer zu, um vielleicht fünfzig Schritte<br />
von demselben zu halten. Zugleich erschien denn auch e<strong>in</strong>e Menge<br />
Lastträger, die bis an den Gürtel <strong>in</strong>s Wasser g<strong>in</strong>gen, um unser Boot auszuladen.<br />
Sie nahmen Koffer und uns selbst auf ihre Schultern, und es<br />
war komisch anzusehen, wie wir rittl<strong>in</strong>gs den Strand erreichten. Nach<br />
e<strong>in</strong>igen Paßschwierigkeiten, die wir mittelst e<strong>in</strong> paar Peseten <strong>in</strong>’s Re<strong>in</strong>e<br />
brachten, durften wir über das eben bezeichnete alte Pfahlwerk e<strong>in</strong>en<br />
kle<strong>in</strong>en Dampfer besteigen, welcher die Verb<strong>in</strong>dung zwischen Algesiras<br />
und Gibraltar vermittelt. Damit hatten wir eigentlich das schöne <strong>Spanien</strong><br />
verlassen und wandten ihm lange schmerzliche Blicke zu, sandten<br />
noch viele Abschiedsgrüße h<strong>in</strong>über, wahrsche<strong>in</strong>lich auf Nimmerwiedersehen.<br />
–<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> gebrechlicheres und elenderes Fahrzeug, wie der Dampfer war,<br />
der uns h<strong>in</strong>überführte, hatte ich lange nicht gesehen;<br />
– – – e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es D<strong>in</strong>g,<br />
Das leck schon war und Wasser f<strong>in</strong>g.<br />
Als wie e<strong>in</strong> alter Stiefel,<br />
heißt es irgendwo von Charons Nachen, und gerade so war unser Fahrzeug,<br />
dabei von erschreckend englischem Ansehen; auf dem Verdeck die<br />
bekannten schweren Reiserequisiten, blonde Herren mit schottischem<br />
Plaid, und blonde Damen mit grünen Schleiern und wasserblauen Augen.<br />
Statt unseres prächtigen Piratenkapitäns vom Don Manuel stand<br />
hier e<strong>in</strong> fetter Kerl auf dem Radkasten <strong>in</strong> langer Ärmelweste, den Hut<br />
auf dem H<strong>in</strong>terkopfe, mit dickem aufgedunsenem Gesichte und röthlichem<br />
Backenbarte. Ja, es war wirklich Charons Nachen, der uns h<strong>in</strong>weg<br />
vom glühenden wunderbaren Lichte der Sonne <strong>in</strong> die kalte nüchterne<br />
Unterwelt führte. – Lebe wohl, du schönes <strong>Spanien</strong>!<br />
Bald legten wir am neuen Molo von Gibraltar an und hätten glauben<br />
können, während der kurzen Überfahrt von Algesiras viele, viele<br />
hundert Meilen nördlich gekommen zu se<strong>in</strong>. Hier waren englische Matrosen<br />
und englische Lastträger, englische Soldaten und englische Kaufleute;<br />
e<strong>in</strong> englischer Lohnbedienter pries uns das englische Clubbhaus<br />
an; englisch geschnittene Backenbärte befanden sich hier an englischen<br />
KAPITEL 21. NACH GIBRALTAR. 389<br />
sonst glatt rasirten Köpfen, und über dem Thor, durch das wir gebückt<br />
fast kriechen mußten, da des Sonntags halber nur der untere Theil geöffnet<br />
wurde, wehte die englische Flagge.<br />
Daß e<strong>in</strong>e Stadt wie Gibraltar, im Mittelpunkt des spanisch-andalusischen<br />
Lebens gelegen, zwischen Cadiz, Sevilla, Cordova, Granada und<br />
Malaga, gegenüber dem poetischen Maurenlande durch e<strong>in</strong> Paar Tausend<br />
Engländer e<strong>in</strong> so trostlos nüchternes Ansehen gew<strong>in</strong>nen kann, ist<br />
völlig unerklärlich. Wenn man durch die lange Hauptstraße Gibraltars<br />
geht, nicht rechts blickend wo durch irgend e<strong>in</strong>e Seitengasse e<strong>in</strong> Stück<br />
des Mastenwalds hervorsieht, aber nach l<strong>in</strong>ks, wo der gewaltige Fels<br />
here<strong>in</strong>ragt, so hätte man glauben können, <strong>in</strong> der stillsten Krämerstadt<br />
mitten im Lande zu se<strong>in</strong>, die fern, abgeschlossen von der Welt daliegt,<br />
und woh<strong>in</strong> sich höchstens zweimal <strong>in</strong> der Woche e<strong>in</strong> alter, gebrechlicher<br />
Post-Omnibus verirrt. Und diese drückende Leere auf den Straßen! Nur<br />
h<strong>in</strong> und wieder wandelt e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>samer Paletot oder e<strong>in</strong> paar rothröckige<br />
Soldaten. Gott sei Dank, daß wir an e<strong>in</strong>em Kaffeehaus vorbeikamen,<br />
vor dem e<strong>in</strong> paar Mauren saßen, den langen weißen Burnus über den<br />
seidenen malerischen Gewändern, mit schönen gelben, arabisch ernsten<br />
Gesichtern. Dazu die Stille der Häuser, ke<strong>in</strong> Gelächter, ke<strong>in</strong> Geplauder<br />
an den halboffenen Fenstern, ke<strong>in</strong> Guitarrenklang, ke<strong>in</strong> lustiges Lied.<br />
Wo waren die lieben spanischen Augen geblieben, die frischen lachenden<br />
Lippen mit den schönen Zähnen! Hie und da sah man wohl e<strong>in</strong>e<br />
Jungfrau am Fenster sitzen, aber aufrecht und steif, strenge und wohlerzogen<br />
die Blicke abwendend, wenn die vorüberwandelnden Fremdl<strong>in</strong>ge<br />
allzukühn aufschauten, oder das Fenster schließend, wie es ja auch wohl<br />
im ähnlichen Falle bei uns daheim geschieht von der wohlgekämmten<br />
Tochter e<strong>in</strong>er achtbaren Familie.<br />
Im Hôtel Gibraltar, e<strong>in</strong>em guten englisch e<strong>in</strong>gerichteten Gasthofe, bekamen<br />
wir ordentliche Zimmer, und kleideten uns sogleich um, um e<strong>in</strong>en<br />
Empfehlungsbrief abzugeben, den wir <strong>in</strong> Madrid erhalten, und zwar an<br />
den preußischen Consul, Herrn Schott, dessen liebenswürdige Persönlichkeit<br />
uns schon manche Reisende gerühmt hatten. Wir fanden auch<br />
alles Gute und Liebe, was man von diesem gastfreundlichen Hause gesagt,<br />
aufs Vollkommenste bestätigt, und wenn auch ke<strong>in</strong>e Vergeltung, so<br />
übe ich doch e<strong>in</strong>e Gerechtigkeit, wenn ich sage, daß Herr Consul Schott