Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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152 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
me zu nehmen und bis zur Morgendämmerung zu beglücken, obgleich<br />
wir frühzeitig mit den Hühnern zu Bette gegangen waren. – Glückselige<br />
Zeit, an die ich mich oft er<strong>in</strong>nere, sowie an unsere unfreundliche, f<strong>in</strong>stere<br />
spanische Kammer, wenn <strong>in</strong> der Heimath die schlaflosen Nächte oft<br />
so unendlich lang ersche<strong>in</strong>en und das weiße gespenstige Gaslicht durch<br />
die hellen Fensterscheiben dr<strong>in</strong>gt.<br />
Unser edler Felipe, der nicht m<strong>in</strong>der gut d<strong>in</strong>irt und geschlafen als<br />
wir, weckte uns beim Grauen des Morgens. Wir kleideten uns an, zahlten<br />
unsere Zeche, die <strong>in</strong> den meisten dieser Posaden für Mittag- oder<br />
Nachtessen, Bett und Frühstück gewöhnlich e<strong>in</strong>en Duro betrug, 3 fl. 30<br />
kr. rh.; das letztere besteht <strong>in</strong> der Regel aus Chokolade und Picatostes,<br />
d. h. <strong>in</strong> Olivenöl gebackenes Brod.<br />
Da unsere Posada, wie schon bemerkt, am Ende des Dorfes lag, so<br />
waren wir bald im Freien, ritten noch e<strong>in</strong>e kurze Strecke abwärts und befanden<br />
uns dann <strong>in</strong> der Fläche, die wir gestern Abend vom Berge aus gesehen,<br />
bemerkten aber, daß uns <strong>in</strong> Betreff derselben unser hoher Standpunkt<br />
e<strong>in</strong>igermaßen betrogen hatte, und daß von e<strong>in</strong>er ausgedehnten<br />
Ebene nach unseren Begriffen durchaus ke<strong>in</strong>e Rede war; nebendem daß<br />
die Morgendämmerung noch alles <strong>in</strong> ihren Schatten hüllte, hatten sich<br />
auch Nebel aufgemacht, die uns dicht und kältend umgaben; auch sanken<br />
sie nicht wieder herab, sondern hoben sich hoch empor, den Himmel<br />
mit grauen Wolken überziehend.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>e Zeitlang ritten wir im Thale fort, an Fruchtfeldern vorbei, bald<br />
aber wurde der Weg sandig, es g<strong>in</strong>g aufwärts e<strong>in</strong>e Heide h<strong>in</strong>an durch<br />
lange und breite Gassen, die von mannshohen Buxbaumsträuchen gebildet<br />
waren. Das Terra<strong>in</strong> war gänzlich verschieden von dem, welches<br />
wir gestern durchritten, und nicht so langweilig als das Felsenplateau<br />
zwischen Toledo und Orgaz; hätte uns e<strong>in</strong> heller Sonnensche<strong>in</strong> beglückt<br />
und die Landschaft gefärbt, so würden wir sie wunderschön gefunden<br />
haben, so aber bei grauem, trübem Regenhimmel machten die Schluchten,<br />
durch welche wir ritten, e<strong>in</strong>en gewaltigen, ernsten <strong>E<strong>in</strong></strong>druck. Bald<br />
g<strong>in</strong>g es zwischen Felsen h<strong>in</strong>durch, neben dem Flußbette e<strong>in</strong>es klaren<br />
Bergwassers dah<strong>in</strong>, deren wir heute viel sahen, bald über breite Wiesen,<br />
rechts und l<strong>in</strong>ks mit grünen Gebüschen besäumt, lange Strecken aufwärts,<br />
ohne eigentlichen Weg, und auf der Höhe angekommen, hatten<br />
KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 153<br />
wir meistens rechts und i<strong>in</strong>ks den Anblick e<strong>in</strong>er düstern, aber prachtvollen<br />
Gebirgslandschaft, wie man sie bei uns <strong>in</strong> Deutschland nicht schöner<br />
sehen kann. Die vielen Wasser, welche überall hervorsprudelten, begünstigten<br />
e<strong>in</strong>e reiche Vegetation, und wenn wir so vom Wege <strong>in</strong> die<br />
Berge h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schauten, so erblickten wir an dem niederen Gebirgszug<br />
neben und unter uns deutlich alle Quer- und Längenthäler, ausgezeichnet<br />
durch ihre mannigfaltigen grünen Schattirungen. Bei e<strong>in</strong>er solchen<br />
Partie wurde e<strong>in</strong>mal das heimathliche Gefühl me<strong>in</strong>es großen Malers außerordentlich<br />
rege, denn er machte mich auf e<strong>in</strong>en herrlichen Bergkegel<br />
aufmerksam, der se<strong>in</strong>er Behauptung nach das genaueste Ebenbild<br />
des Wendelste<strong>in</strong>es im bäurischen Oberlande sei. Schöne Formen hatte<br />
dieser Spanier allerd<strong>in</strong>gs; se<strong>in</strong> Fuß war grün bewachsen, an ihn schlossen<br />
sich graue, nackte Felspartieen, und se<strong>in</strong> Haupt, <strong>in</strong> violettem, bläulichem<br />
Duft, schien von den freilich tiefhängenden Wolken berührt zu<br />
werden. Neben ihm öffnete sich e<strong>in</strong> breites Thal, dessen Grund mit Wiesen<br />
bedeckt war, weder Weg noch Steg hatte, und weiter h<strong>in</strong>ten von e<strong>in</strong>er<br />
Menge kle<strong>in</strong>er Berge e<strong>in</strong>geschlossen war, von denen e<strong>in</strong>er über den<br />
andern hervorsah. Interessant war uns dieses Thal, weil sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Mitte e<strong>in</strong> grauer Fels erhob, der die fast schwarzen Mauern e<strong>in</strong>er mächtigen<br />
Burg trug, die noch ziemlich wohl erhalten schien; wenigstens bemerkten<br />
wir unversehrte Thürme, e<strong>in</strong>e vollkommen geschlossene Umfassungsmauer<br />
und e<strong>in</strong> großes Gebäude mit hohem Giebeldach. So viel<br />
wir aber weiter sehen konnten, waren die Fenster ohne Glas und Läden,<br />
und aus ke<strong>in</strong>em der zahlreichen Schornste<strong>in</strong>e kräuselte sich irgend e<strong>in</strong><br />
freundlicher Rauch hervor.<br />
Unser Weg war heute belebter als gestern; lange Züge Maulthiere kamen<br />
uns entgegen oder wurden von uns e<strong>in</strong>geholt, wogegen Schaaren<br />
von Eseln ohne Ladung uns den Vorrang abliefen und lustig bei uns<br />
vorbeitrabten; unsere Pferde waren vom gestrigen Marsche etwas ermüdet,<br />
und das beständige Auf- und Abklettern an den Bergen, bald<br />
durch sumpfige Wiesen, bald über glatte Ste<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>weg, ließ sie zu ke<strong>in</strong>er<br />
schnellen Gangart kommen; nur zuweilen erlaubte uns irgend e<strong>in</strong><br />
Sandstreifen oder e<strong>in</strong> Stück festen Weges e<strong>in</strong>en halbstündigen Trab, doch<br />
war dieses nicht andauernd genug, um es den Reitern zu Esel gleichthun<br />
zu können, von denen beständig Andere mit freundlichem Gruß, aber