Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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270 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
den Xenil, e<strong>in</strong>em Bauwerke, das über die Römerzeit h<strong>in</strong>ausreicht. Wenn<br />
man sich dort aber l<strong>in</strong>ks wendet, so ist man wirklich überrascht, hier e<strong>in</strong>e<br />
noch viel längere Fortsetzung des Paseo zu f<strong>in</strong>den. An der Brücke bef<strong>in</strong>det<br />
sich der sogenannte Salon, e<strong>in</strong> fünfzig Fuß breiter, mit fe<strong>in</strong>em Kies<br />
bestreuter Platz; er hat an jeder Seite zwei Reihen Ulmen und Akazien,<br />
unter denen sich zierlich e<strong>in</strong>gehegte Gebüsche, Rosen, Oleander und<br />
Granaten bef<strong>in</strong>den; überall stehen ste<strong>in</strong>erne Bänke, und von hier aus<br />
setzt sich der Paseo über dreihundert Schritte weit am rechten Ufer des<br />
Xenils h<strong>in</strong> fort, beschattet von e<strong>in</strong>er vierfachen Reihe hoher Schwarzpappeln,<br />
und begränzt von e<strong>in</strong>em Rosengarten, wo die Rosensträuche<br />
auf Mannshöhe zu reichen Bouquets und Pyramiden zusammengebunden<br />
s<strong>in</strong>d. Am Ende des Paseo erhebt sich e<strong>in</strong> hoher marmorner Spr<strong>in</strong>gbrunnen,<br />
der e<strong>in</strong>en dicken Wasserstrahl so hoch emporschleudert, daß<br />
die Tropfen r<strong>in</strong>gs umher stäuben und die ganze Umgebung <strong>in</strong> heißen<br />
Sommernächten so köstlich erfrischen und abkühlen. Eigenthümlich ist<br />
an diesem Brunnen, daß das Wasser, nachdem es der obern gefüllten<br />
Schale entquollen, nicht von e<strong>in</strong>em untern Becken aufgefangen wird,<br />
sondern auf e<strong>in</strong> treppenförmiges Piedestal niederstürzt, wo alle Tropfen<br />
abprallen und weit h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en feuchten Kreis beschreiben. H<strong>in</strong>ten an<br />
den Spaziergang schließt sich e<strong>in</strong> dichtes Gehölz, das sich über den Xenil<br />
und die schmalen Fußwege wölbt, welche sich an se<strong>in</strong>em Ufer h<strong>in</strong>ziehen,<br />
und der Fluß braust hier, e<strong>in</strong> wilder Gebirgsstrom über Felsstücke<br />
dah<strong>in</strong>; l<strong>in</strong>ks von ihm erheben sich terrassenförmig Häuser, Gärten und<br />
We<strong>in</strong>lauben neben e<strong>in</strong>zelnen schwarzen Cypressen, bis zur Höhe des<br />
Berges, auf dem die Alhambra liegt, über welchen h<strong>in</strong>aus sich dann allmählig<br />
wieder die Sierra Nevada erhebt, bis hoch zu ihren schneebedeckten<br />
Gipfeln. In heißen Sommernächten, wo dieser Spaziergang von<br />
Tausenden von Männern und schönen Weibern und Mädchen bedeckt<br />
ist, die lachend, plaudernd und Fächer wedelnd bis nach Mitternacht<br />
hier umherwandeln, wo unter dicht belaubten Bäumen die herrlichste<br />
Kühle herrscht, wo Tausende von Rosen duften, wo die Brunnen plätschern,<br />
der Xenil schäumend vorbeirauscht, wo das volle Mondenlicht<br />
<strong>in</strong> den glänzenden, melancholisch schwärmenden Augen der Andalusier<strong>in</strong>nen<br />
zittert, muß der Paseo e<strong>in</strong> wahrhaft himmlischer Aufenthalt<br />
se<strong>in</strong>.<br />
KAPITEL 18. GRANADA. 271<br />
An der alten Brücke, von der ich vorh<strong>in</strong> sprach, bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e<br />
kle<strong>in</strong>e Kapelle, die dadurch merkwürdig ist, weil hier nach der Übergabe<br />
von Granada König Ferd<strong>in</strong>and und Isabella den Abzug der Mauren<br />
erwarteten. Tausende der christlichen Soldaten und der <strong>E<strong>in</strong></strong>wohner der<br />
Stadt blickten erwartend auf den Berg der Alhambra empor, und e<strong>in</strong><br />
Jubelruf zerriß die Lüfte, als mit <strong>E<strong>in</strong></strong>em Male oben auf der Z<strong>in</strong>ne des<br />
Torre de la Vela der Card<strong>in</strong>al Don Pedro Gonzales de Mendoza und neben<br />
ihm der Graf von Tendilla erschienen und dort die Fahnen mit dem<br />
Kreuze, sowie das königliche Banner von Castilien aufpflanzten. Unter<br />
dem Schmettern der Trompeten erschallte der Ruf der Herolde: Granada!<br />
Granada! für die ruhmgekrönten Könige von Castilien, Ferd<strong>in</strong>ando<br />
und Isabella! Das ganze Heer sank auf die Kniee; das königliche Paar<br />
aber rief: Non nobis, dom<strong>in</strong>e, sed tibi sit gloria! und seit langer, langer Zeit<br />
wieder ertönte <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en Kapelle e<strong>in</strong> feierliches Tedeum.<br />
Auf unsern häufigen Spaziergängen durch die Stadt, bei denen wir<br />
theils den Spital San Juan de Dios mit se<strong>in</strong>em herrlichen Treppenhause<br />
und der unnachahmlichen darüber gespannten vergoldeten Holzdecke,<br />
theils die arabischen Reste auf dem Albayc<strong>in</strong>, theils die maurischen Bäder<br />
an der Carrera del Darro zum Ziele nahmen, führte uns ben Saken<br />
e<strong>in</strong>es Tages zu e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Hause am Fuß des Berges, im Garten des<br />
Dom<strong>in</strong>ikanerklosters gelegen, von dem er sehr viel Rühmens machte<br />
und das er Cuarto real oder Casa de Boabdil nannte. Wir kamen durch<br />
e<strong>in</strong> ärmliches Stadtviertel, dann durch e<strong>in</strong>en öden Weg, der mit großen,<br />
halbverfallenen Mauern e<strong>in</strong>gefaßt war und gelangten aufwärtssteigend<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en verwilderten Garten auf der Höhe von e<strong>in</strong>er dieser Mauern gelegen.<br />
Es war eigentlich e<strong>in</strong> Ackerfeld, doch sah man an zertrümmerten<br />
ste<strong>in</strong>ernen Wege<strong>in</strong>fassungen, sowie an Überresten e<strong>in</strong>es marmornen<br />
Spr<strong>in</strong>gbrunnens und an andern Schutthaufen, daß es hier e<strong>in</strong>stens wohl<br />
anders ausgesehen habe. Jetzt war das Feld mit Maulbeerbäumen bedeckt,<br />
von Reben umrankt, die weite Guirlanden durch den ganzen Garten<br />
zogen. Nachdem wir dieses Feld durchschritten, erreichten wir e<strong>in</strong>e<br />
kle<strong>in</strong>e Thür, die e<strong>in</strong>en andern Garten voll undurchsichtiger Gebüsche<br />
verschloß. <strong>E<strong>in</strong></strong>e alte Frau ließ uns e<strong>in</strong>, und zwischen dichten Laubgängen<br />
sahen wir hier schon deutlich Spuren ehemaliger Pracht und Herrlichkeit.<br />
Da waren kle<strong>in</strong>e Terrassen mit zerfallenen Treppenstufen und