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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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164 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

tiefe Kothpfützen, selbst auf Hauptstraßen, an Stellen, wo sich sogar an<br />

e<strong>in</strong>er Seite e<strong>in</strong>e felsige Wand h<strong>in</strong>zog, von der man nur Ste<strong>in</strong>e abzustoßen<br />

brauchte, die dann ohne weitere Mühe h<strong>in</strong>abgerollt wären und so<br />

die Straße verbessert hätten.<br />

Was den Weg anbelangt, auf dem wir nun schon seit drei Tagen ritten,<br />

und der doch von e<strong>in</strong>er wichtigen Stadt, wie Toledo, ausg<strong>in</strong>g, so<br />

befand er sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Naturzustande, und die Ingenieure, welche ihn<br />

angelegt, waren im wahren S<strong>in</strong>ne des Wortes Esel gewesen. Wo der erste<br />

Trupp dieser nützlichen Thiere h<strong>in</strong>zog, da folgten die anderen so lange,<br />

bis vielleicht später e<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>er Kopf unter ihnen e<strong>in</strong>en besseren Pfad über<br />

die benachbarten Äcker auffand, worauf denn die alte Straße für fernere<br />

Zeiten verlassen blieb.<br />

Als wir uns zum Ritt von Toledo anschickten, hatte man uns auch<br />

wohl schüchtern von Ladrones gesprochen, uns aber mit noch größerer<br />

Besorgniß die Frage gestellt: was wollen Sie anfangen, wenn unterwegs<br />

e<strong>in</strong> tüchtiges Regenwetter e<strong>in</strong>tritt? Und unser Gastwirth hatte geme<strong>in</strong>t,<br />

im Sommer sei er auch schon e<strong>in</strong>mal nach Fuente el Fresno geritten, aber<br />

im <strong>W<strong>in</strong>ter</strong> – davor wolle ihn Gott bewahren. Und der Mann hatte recht.<br />

Was bei anhaltend schlechtem Wetter <strong>in</strong> diesen Gegenden und auf diesen<br />

Wegen mit uns geworden wäre, weiß ich selbst nicht. Doch hatten<br />

wir ja mit vielem Glück schon drei Viertel des Weges h<strong>in</strong>ter uns, auch<br />

war der Himmel klar und blau, der allerd<strong>in</strong>gs heftige W<strong>in</strong>d trocknete<br />

Felder und Straßen augensche<strong>in</strong>lich ab, und wenn ich me<strong>in</strong>em Reisegefährten<br />

scherzweise die Frage stellte: würdest du selbst bei Regenwetter<br />

Toledo zu Pferd verlassen haben, oder <strong>in</strong> den Eilwagen gestiegen se<strong>in</strong>?<br />

so antwortete er mir lachend: Ne<strong>in</strong>, das Letztere gewiß nicht, es ist doch<br />

e<strong>in</strong> ganz anderes Leben, so se<strong>in</strong> eigener Herr zu se<strong>in</strong> und hoch vom<br />

Sattel herab <strong>in</strong> die Welt schauen zu können. – Und so war es auch. Ich<br />

hasse nichts so sehr, als das dumpfe H<strong>in</strong>brüten, <strong>in</strong> welches wir bei e<strong>in</strong>er<br />

längeren Fahrt, selbst <strong>in</strong> bester Gesellschaft, am Ende verfallen. Und<br />

so tausenderlei Schönes geht dabei für uns verloren, wird uns von dem<br />

engen Rahmen des Wagenfensters neidisch abgesperrt, so viele Bilder<br />

und <strong>E<strong>in</strong></strong>drücke aller Art, die wir, frei um uns schauend, so gerne <strong>in</strong> die<br />

Seele strömen lassen – schöne Bilder, prächtige Gedanken, die uns erfreuen,<br />

wenn wir auch nicht im Stande s<strong>in</strong>d, den hundertsten Theil da-<br />

KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 165<br />

von wieder zu geben. Wie angenehm ist es auch, um leiblicher Genüsse<br />

zu gedenken, mit der Befriedigung e<strong>in</strong>es schönen Durstes nicht von der<br />

Stunde des Mayorals abhängig zu se<strong>in</strong>, der wieder auf den schlechten<br />

Weg und elende Maulthiere angewiesen ist.<br />

So kommen wir jetzt an e<strong>in</strong> freundliches Dorf mit breiten und zugleich<br />

gepflasterten Straßen, an dessen <strong>E<strong>in</strong></strong>gang sich Felipe lächelnd umschaut<br />

und, <strong>in</strong>dem er die ausgespreizten F<strong>in</strong>ger der rechten Hand an<br />

den aufwärts gekehrten Mund hält, pantomimisch die gläserne Gießkanne<br />

bezeichnet, von der ich früher sprach. Der vortreffliche Führer<br />

weiß e<strong>in</strong>e noch vortrefflichere kle<strong>in</strong>e Kneipe mit dem allervortrefflichsten<br />

Landwe<strong>in</strong>, der sehr gut schmeckt und nur wenige Kupfermünzen<br />

kostet. Wir restauriren uns, und dann geht es wieder lustig vorwärts,<br />

bei Wiesen und Feldern vorbei, durch die Furth e<strong>in</strong>es Baches, aufwärts<br />

über e<strong>in</strong>e Haide, die schon dichter mit starken Olivenbäumen besetzt<br />

ist. Wir kommen bereits dem Süden näher, s<strong>in</strong>d wieder <strong>in</strong> der Mancha<br />

und haben l<strong>in</strong>ks die Stadt Ciudad real, die wir aber nicht sehen.<br />

Für mich war es höchst <strong>in</strong>teressant, als wir nun an großen Olivenpflanzungen<br />

vorbeikamen, wo gerade die Ernte gehalten wurde. Ich bemerkte,<br />

daß dieß hier auf die gleiche Weise vor sich g<strong>in</strong>g, wie ich es häufig<br />

<strong>in</strong> Italien gesehen. Auch hier lagen um den Stamm herum große Tücher<br />

von grauer Le<strong>in</strong>wand, und Männer waren beschäftigt, mit langen<br />

Stangen die Früchte abzuschlagen, während kle<strong>in</strong>e Bursche und Mädchen<br />

überall an den Zweigen h<strong>in</strong>gen und die schönsten Oliven <strong>in</strong> Körbchen<br />

pflückten. Als es später wurde und wir <strong>in</strong> die Nähe des Städtchens<br />

Almagro, des Zieles unseres heutigen Marsches, kamen, geriethen wir<br />

<strong>in</strong> zahlreiche Haufen dieser nun nach Hause zurückkehrenden Arbeiter.<br />

Viele saßen auf Pferden und Eseln und er<strong>in</strong>nerten mich <strong>in</strong> ihrem<br />

Costüm an die Bauern und Bedu<strong>in</strong>en bei Beirut und Jaffa. An den nackten<br />

Füßen hatten sie Sandalen, darüber e<strong>in</strong>e kurze Hose von Le<strong>in</strong>wand,<br />

e<strong>in</strong>e Blouse von gleichem Stoff, und über Alles das fiel e<strong>in</strong> breiter, langer<br />

Mantel herab, oftmals weiß und braun gestreift und von gleichem<br />

Schnitt, wie ihn die Söhne der Wüste tragen. Auch das flatternde Kopftuch<br />

fehlte nicht, hier e<strong>in</strong> lose umgewundenes Taschentuch, gelb und<br />

roth, und um die Täuschung vollständig zu machen, trugen die meisten<br />

Männer auf der Schulter die langen Stangen, welche sie zum Oliven-

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