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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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10 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Die Stadt Madrid liegt lang und breit ausgestreckt auf e<strong>in</strong>er Hochebene,<br />

mit vielen kle<strong>in</strong>en Hügeln, weßhalb es auch wenige Straßen gibt, <strong>in</strong><br />

denen man nicht jeden Augenblick bergauf und bergab steigen muß.<br />

Die Spanier suchen e<strong>in</strong>e Vergleichung mit Rom und Konstant<strong>in</strong>opel,<br />

und sprechen auch hier von sieben Hügeln; doch s<strong>in</strong>d es, wie gesagt,<br />

deren viel mehr. Gegen Westen ist die Hochebene von e<strong>in</strong>er tiefen Böschung<br />

umgränzt, an deren Abhang sich Spaziergänge und Gartenanlagen<br />

h<strong>in</strong>unter bis an den Manzanares ziehen, der hier gewissermaßen<br />

die Gränze des städtischen Gebiets bildet, und, wie e<strong>in</strong> dünner heller<br />

Faden die Landschaft durchschneidend, längs der Stadt nur durch die<br />

se<strong>in</strong>en Lauf begleitenden Trockenplätze der zahlreichen Waschanstalten<br />

mit dem Auge verfolgt werden kann. Bis an se<strong>in</strong>e Ufer ziehen sich<br />

doppelte Reihen alter Ulmen, und an se<strong>in</strong>em Flußbett auf- und abwärts<br />

sieht man auch e<strong>in</strong>e Spur von Vegetation. Jenseits der prächtigen Brücke<br />

von Toledo, eigentlich die größte Ironie auf den kle<strong>in</strong>en Manzanares, ist<br />

aber das Terra<strong>in</strong> wieder eben so kahl, eben so öde wie auf der Seite, von<br />

welcher wir die Stadt erreicht hatten. Hoch an dem eben genannten Abhange<br />

steht das königliche Schloß, und von se<strong>in</strong>en Terrassen blickt man<br />

auf den Manzanares, die Brücke von Toledo, über diese h<strong>in</strong>aus auf die<br />

kahle Ebene, und freut sich, am Horizont die prächtige Bergkette des<br />

Guadarrama zu sehen mit se<strong>in</strong>en von Schnee glänzenden Kuppen, an<br />

dessen Fuß geschmiegt der Escorial liegt. Etwas freundliches hat übrigens<br />

dieser Anblick nicht, er ist ernst und gewaltig. Das hügelige Land,<br />

dunkel gefärbt, hie und da mit gelben und röthlichen Streifen zeigt so<br />

von weitem ke<strong>in</strong>e Spur irgend e<strong>in</strong>es Lebens. Dörfer oder e<strong>in</strong>zelne Wohnungen<br />

sieht man nicht, ebenso wenig Bäume oder Sträucher, nur e<strong>in</strong><br />

nackter Hügel liegt e<strong>in</strong>förmig neben dem andern, und am Horizont der<br />

weiten Fläche ragt das dunkle Gebirge empor mit scharfen Zacken und<br />

tiefen Schluchten, selbst im Licht der Sonne wohl majestätisch, aber f<strong>in</strong>ster<br />

und ernst.<br />

Ganz <strong>in</strong> Harmonie mit dieser Landschaft, zumal von der Nordseite<br />

gesehen, ist der an der Stelle des alten Alcazars der Mauren erbaute königliche<br />

Residenzpalast, von dessen Vorhof aus wir dieses melancholische<br />

Gemälde betrachten, e<strong>in</strong> ungeheures Viereck im Charakter des Palastas<br />

von Caprarola bei Rom; se<strong>in</strong>e Architektur ist streng, wenn auch<br />

KAPITEL 12. MADRID. 11<br />

<strong>in</strong> den <strong>E<strong>in</strong></strong>zelnheiten etwas verschnörkelt. Auf dem <strong>in</strong> derben Formen<br />

ausgeführten untern Stockwerk ist r<strong>in</strong>gs um das Gebäude her bis zum<br />

obersten Gesims die gewaltige Masse durch e<strong>in</strong>e an die Wand angelehnte<br />

Colonnade gegliedert, die an den vier Ecken stärker hervortritt,<br />

breite aus Granitquadern erbaute Terrassen und weite Durchfahrten,<br />

die auf den Vorhof führen, erstrecken sich zu beiden Seiten des letzten<br />

nach der Armeria Real, der großen königlichen Waffensammlung,<br />

die an se<strong>in</strong>em dem Schloß gegenüber liegenden Ende den weiten Platz<br />

abschließt. An dem dem Thal zugewendeten Terrassenflügel wird immer<br />

noch, aber sehr langsam gebaut, und der Fuß desselben sowie die<br />

Substructionen des Schlosses selbst verlieren sich auf dieser Seite <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Chaos halbfertiger gewaltiger Mauern. Die Nordseite, den entferntern<br />

und viel tiefer liegenden, ausgedehnten Baulichkeiten des Marstalls zugewendet,<br />

greift mit ihrem massenhaften Unterbau tief neben den umliegenden<br />

Straßen h<strong>in</strong>ab, und macht den <strong>E<strong>in</strong></strong>druck e<strong>in</strong>er festen Burg; nur<br />

Schade, daß das Ebenmaß dieser Façade durch Abtheilung <strong>in</strong> all zu viele<br />

Zwischengeschosse auf e<strong>in</strong>e bedauerliche Weise zerstückelt ist; der<br />

<strong>in</strong>nere quadratische Hof gewährt e<strong>in</strong>en prächtigen Anblick, die Haupttreppe<br />

aber gehört durch die Großartigkeit ihrer Anlage und ihre gigantischen<br />

Masse zu den imposantesten Architekturwerken.<br />

Gegenüber dem Paläste <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em niedrigen Gebäude der Armeria real<br />

bef<strong>in</strong>det sich die königliche Rüstkammer, mit prachtvollen Waffen aller<br />

Arten und Zeiten, Rüstungen und geharnischten Pferden. Obgleich<br />

die Sammlung nicht so reichhaltig ist, wie z. B. die des Tower und die<br />

Dresdener, so ist doch Alles werthvoll und dabei vortrefflich aufgestellt,<br />

die kle<strong>in</strong>eren Sachen <strong>in</strong> Glasschränken verwahrt, und das Ganze macht<br />

e<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>druck, wie die reiche Sammlung e<strong>in</strong>es Privaten, der jedem e<strong>in</strong>zelnen<br />

Stück mit Liebe und Geschmack se<strong>in</strong>en gehörigen Platz angewiesen<br />

hat. Die Rüstungen s<strong>in</strong>d vortrefflich unterhalten, die schwarzen<br />

orientalischen Kl<strong>in</strong>gen matt glänzend und das übrige Stahlwerk, wo es<br />

se<strong>in</strong> muß, spiegelblank. Dabei hat man sich aber wohl gehütet, Helme,<br />

Schilde oder Lanzenspitzen, welche die so wohlthuende Eisenfarbe hatten,<br />

dieses Überzugs zu berauben und ebenfalls zu glätten, wie das zum<br />

Beispiel <strong>in</strong> der großen Waffensammlung von Zarskoje-Selo bei Petersburg<br />

geschehen, wo alle Waffenstücke häufig aufs Neue polirt werden,

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