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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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190 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

cherweise, man komme nicht vom Flecke, ist aber doch, ehe man sichs<br />

versieht, auf der Höhe der Straße angelangt, wo es denn abwärts mit<br />

noch etwas vermehrter Geschw<strong>in</strong>digkeit geht. Ich dachte bei diesem Ritt<br />

an Ägypten, an Kairo, wo wir auch viele Touren auf gleiche Art machten,<br />

wo die kle<strong>in</strong>en Esel gleichfalls vortrefflich s<strong>in</strong>d, doch nicht besser<br />

als die spanischen.<br />

So g<strong>in</strong>g es denn die lang ersehnte Sierra Morena h<strong>in</strong>auf, diese Scheidel<strong>in</strong>ie,<br />

welche die öde und flache Mancha von dem herrlichen Andalusien<br />

trennt. Wie ich schon früher bemerkte, ist der Gebirgszug auf dieser<br />

nördlichen Seite nicht hoch; der höchste Paß, der von Despena-Perros,<br />

Hundeabgrund, steigt durch steile und wilde Schluchten, nicht über 400<br />

Fuß, wogegen sich das Gebirge auf dem südlichen Abhang nach Andalusien<br />

um eben so viele tausend Fuß, aber sanft nach und nach abdacht.<br />

Die ganze Breite der Bergkette mag fünf bis sechs Stunden betragen, und<br />

die Länge von Osten nach Westen vielleicht siebenundzwanzig Stunden.<br />

Bis zur glücklichen Regierung Karl III. war die Sierra Morena e<strong>in</strong>e<br />

wilde Wüste mit felsigen dürren Höhen und morastigen Thälern, wo<br />

sich kaum das Maulthier im Nebel se<strong>in</strong>en Pfad suchte; <strong>in</strong> den Schluchten<br />

und Abgründen hauste der Drachen wilde Brut und im Passe von<br />

Despena-Perros war die Räuberei <strong>in</strong> schönster Blüthe und brandschatzte<br />

die Karavanen. Der damalige Intendant von Sevilla, Don Pablo Olavides,<br />

mochte wohl e<strong>in</strong>sehen, daß es mit spanischen Händen schwer<br />

gehen würde, durch diese felsige Scheidewand, welche den glücklichen<br />

Süden vom Norden trennt, e<strong>in</strong>e gute Straße zu brechen, weßhalb er auf<br />

den klugen <strong>E<strong>in</strong></strong>fall kam, am südlichen Abhange des Gebirges Colonien<br />

zu errichten, deren Bevölkerung man große Vortheile e<strong>in</strong>räumte und dafür<br />

die Verpflichtung auferlegte, sich nach dem Innern des Königreichs<br />

e<strong>in</strong>en guten Weg zu bahnen. Namentlich waren es Tausende von Deutschen,<br />

und unter diesen viele Schwaben, welche dem Rufe Don Pablos<br />

folgten und sich hier ansiedelten. Dabei hielt der Intendant von Sevilla,<br />

was er den Fremdl<strong>in</strong>gen versprochen und sorgte aufs Umfassendste<br />

für sie. So waren namentlich die deutschen Ansiedlungen wahrhaft verschwenderisch<br />

ausgestattet. Nicht nur fand jeder Colonist bei se<strong>in</strong>er Ankunft<br />

se<strong>in</strong> Haus fertig, se<strong>in</strong>en Boden und se<strong>in</strong>en Keller auf e<strong>in</strong> Jahr lang<br />

gefüllt, e<strong>in</strong>e Kuh und e<strong>in</strong> paar Maulthiere <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Stalle, sondern die<br />

KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 191<br />

Colonisten erhielten zugleich außer andern Vorrechten die Zusicherung<br />

der Befreiung vom Kriegsdienst, von Zehnten und Steuern auf ewige<br />

Zeiten. Leider dauerten diese ewigen Zeiten nicht gar zu lange, und nur<br />

bis zum Sturz des vortrefflichen Intendanten, nach welchem ihnen die<br />

Zehnten aufgenöthigt wurden. Die Inquisition unterbrach die großen<br />

Bemühungen Olavides, den se<strong>in</strong> König schon früher anderer Verdienste<br />

wegen zum Grafen von Pilo erhoben hatte; er ward, als der Toleranz<br />

eifrigster Beförderer, der Ketzerei beschuldigt und 1778 zu achtjähriger<br />

Gefangenschaft und Bußübung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kloster e<strong>in</strong>gesperrt, woraus<br />

er jedoch nach Venedig zu entfliehen Gelegenheit fand, später aber nach<br />

<strong>Spanien</strong> zurückkehrte, wo er 1803 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Alter von 63 Jahren starb.<br />

Unter andern weisen Bestimmungen, die Olavides für die neuen Colonien<br />

e<strong>in</strong>führte, befand sich auch die, daß ke<strong>in</strong> Gut zerstückelt oder vom<br />

Nachbar erworben werden durfte, sondern im Fall e<strong>in</strong>er Veräußerung<br />

oder Verpfändung an e<strong>in</strong>en neuen Pflanzer übertragen werden mußte.<br />

Obgleich später bei der Resolution auch noch mehrere der übrigen<br />

Privilegien verloren g<strong>in</strong>gen, so bildeten sie doch heute noch die lachendsten<br />

und fruchtbarsten Gefilde <strong>Spanien</strong>s und mildern auf das angenehmste<br />

den grellen Contrast zwischen den segenvollen Fluren Andalusiens<br />

und der ste<strong>in</strong>igen Mancha. Woh<strong>in</strong> das Auge sich wendet, gewahrt es<br />

hier bald e<strong>in</strong>zelne Höfe, bald niedliche und re<strong>in</strong>e Dörfchen zwischen<br />

wallenden Saaten und herrlichen Obstpflanzungen jeder Art. Zur ferneren<br />

Ausschmückung trägt auch die üppige Natur das ihrige bei, <strong>in</strong>dem<br />

e<strong>in</strong> jeder Garten mit großen Aloen und Cactuszäunen umgeben ist,<br />

die, wenn auch die meisten Bäume und Sträucher kahl und nackt ersche<strong>in</strong>en,<br />

doch ihr frisches Grün nicht verlieren. Die Hauptstadt dieser<br />

Ansiedlungen ist la Carol<strong>in</strong>a, meistens von Deutschen bewohnt, welche<br />

sich denn auch bald an die Arbeit machten, und nach schwerem, ausdauerndem<br />

Schaffen den berühmten Paß durch die Felsen und Schluchten<br />

von Despena-Perros zu Stande brachten, – e<strong>in</strong>e Chaussee, die sich <strong>in</strong><br />

ihrer prächtigen Anlage, <strong>in</strong> ihrer breiten und sanften Steigung mit jeder<br />

Kunststraße von Deutschland und der Schweiz messen kann.<br />

Wenn wir auch auf unserem heutigen Ritte versucht waren, den spanischen<br />

Straßen alle Unbill, alle bösen Benennungen abzubitten, die wir<br />

ihnen <strong>in</strong>sgesammt beigelegt, so muß es den Reisenden doch zu glei-

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