Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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18 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
gen bis zur Straße Hortalexa, e<strong>in</strong>er so engen Gasse, daß Wagen und Reiter<br />
nur im Schritt und <strong>E<strong>in</strong></strong>er h<strong>in</strong>ter dem Andern durchpassiren können.<br />
Es wird uns schwer werden, dort auf dem schmalen Trottoir e<strong>in</strong>en Platz<br />
zu erhalten, doch s<strong>in</strong>d die Spanier e<strong>in</strong> sehr anständiges und höfliches<br />
Volk, und da die Umstehenden im Augenblicke hören, daß wir Fremde<br />
s<strong>in</strong>d, so drücken sie sich zusammen, lassen uns vornehm stehen, und<br />
nennen uns gern e<strong>in</strong>en eleganten Reiter, der vorbeikommt, oder den Namen<br />
der Herrschaft e<strong>in</strong>er besonders reichen Equipage.<br />
Die Straße Hortalexa ist sehr lang, schmal und mit hohen Häusern<br />
besetzt, bietet aber heute e<strong>in</strong>en Anblick, wie der Corso <strong>in</strong> Rom. Alle Balkonthüren<br />
s<strong>in</strong>d geöffnet und mit Damen besetzt, von denen wenigstens<br />
zwei Drittheile junge schöne Mädchen s<strong>in</strong>d. Nicht als ob die Straße deren<br />
selbst so viele auszuweisen hätte, sondern aus ganz Madrid f<strong>in</strong>det<br />
man sich hier bei Verwandten und Bekannten zusammen, um zu sehen<br />
und gesehen zu werden. Anfänglich üben auch die zahlreich besetzten<br />
Balkone e<strong>in</strong>e stärkere Anziehungskraft auf die Vorüberwandelnden, als<br />
der Zug der Pferde und Equipagen. Über den eisernen Geländern hängen<br />
bunte Teppiche, neben welchen vielfarbige Bänder flattern. Die Damen<br />
haben sich, dem Tage zu Ehren, ebenfalls festlich geschmückt und<br />
man sieht hier von der reizenden spanischen Nationaltracht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Stunde mehr, als sonst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Monate im übrigen Madrid und Alle da<br />
oben s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> lebhafter Bewegung. Ansche<strong>in</strong>end nur mit sich selbst oder<br />
dem Zuge drunten beschäftigt, blitzen die großen, schönen Augen doch<br />
überall herum und Alles, was ihnen halbwegs fremdartig ersche<strong>in</strong>t, erregt<br />
ihre Aufmerksamkeit. Dabei wird geplaudert, gelacht, die weißen<br />
Zähne gezeigt, jetzt der Fächer vorgehalten, h<strong>in</strong>ter dem man e<strong>in</strong> künstliches<br />
Erstaunen geschickt verbirgt, wenn e<strong>in</strong> vorüberziehender Reiter<br />
ziemlich laut versichert, er habe lange nichts so Schönes gesehen, als die<br />
Mädchenschaar da oben. Gleich darauf aber klappen die Fächer wieder<br />
zusammen, Alle beugen sich über das Balkongeländer, daß man glaubt,<br />
sie wollen sich herabstürzen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Wagen, der jetzt beim Hause angelangt<br />
ist, und <strong>in</strong> dem sich Bekannte bef<strong>in</strong>den, mit welchen nun augenblicklich<br />
e<strong>in</strong>e lebhafte Konversation beg<strong>in</strong>nt. Dazwischen werden<br />
Orangen und Zuckerwerk verspeist, auch kle<strong>in</strong>e Papier-Cigarren von<br />
den niedlichen F<strong>in</strong>gern gedreht und dem Nachbar gereicht, oder auch<br />
KAPITEL 12. MADRID. 19<br />
wohl von der Sennora selbst geraucht; natürlich h<strong>in</strong>ter vorgehaltenem<br />
Fächer, aber doch so, daß es die halbe Straße sehen kann.<br />
Was ich eben von e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zelnen Hause berichtete, vor welchem wir<br />
gerade stehen, wiederholt sich <strong>in</strong> der ganzen Länge der Straße, weßhalb<br />
diese e<strong>in</strong>en reichen, wunderbaren Anblick gewährt. Überall flatternde<br />
Teppiche und Bänder, strahlende Augen, wehende Mantillen und goldglitzernde,<br />
im Sonnenstrahl spiegelnde Fächer. Am <strong>E<strong>in</strong></strong>gang der Calle de<br />
Hortalexa bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Platz, wo sich Reiter und Equipagen<br />
sammeln, um von dort ihren Weg durch die Straße langsamer fortzusetzen.<br />
Hier kommt e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Reiter, die schwarze Sammtjacke mit silbernen<br />
Knöpfen besetzt, den castilianischen Hut auf dem Kopfe, mit emporgewichstem<br />
Schnurrbart, und er zügelt se<strong>in</strong> feuriges Pferd, das nun<br />
langsam, aber <strong>in</strong> die Zügel knirschend und mit dem Kopfe schüttelnd,<br />
vorbeitanzt, viel zu langsam für e<strong>in</strong>en ungeduldigen Trupp anderer Reiter,<br />
der ihm folgt. Caballero! ruft ihm <strong>E<strong>in</strong></strong>er zu, erweisen Sie uns die<br />
Gunst, e<strong>in</strong> wenig geschw<strong>in</strong>der zu reiten, was übrigens ke<strong>in</strong>e Wirkung<br />
hat, weßhalb denn die tolle Schaar nach wenigen Sekunden ihre Pferde<br />
<strong>in</strong> Galopp setzt und rechts und l<strong>in</strong>ks bei ihm vorbeijagt. Doch fühlt<br />
sich der erste Reiter <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Stolze verletzt, er läßt se<strong>in</strong>em schwarzen<br />
Hengste die Zügel, und da dieser mit e<strong>in</strong> paar Sätzen die Schaar<br />
überholt hat, so würde e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Wettrennen entstehen, wenn nicht e<strong>in</strong>er<br />
von den aufgestellten königlichen Reitern <strong>in</strong> der Straße dazwischen<br />
sprengte und Alle ermahnte, ruhig ihres Weges zu ziehen.<br />
Das hat denn e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Lücke gegeben, welche e<strong>in</strong> nun folgender<br />
Andalusier benützt, um im kurzen Galopp durch die Straße zu paradiren.<br />
Es gibt heutzutage ke<strong>in</strong>e schönere, ritterlichere Ersche<strong>in</strong>ung, als<br />
der Majo <strong>in</strong> voller Tracht zu Pferde; alles glänzt und flimmert an ihm,<br />
hochmüthig und stolz sitzt er auf dem reichverzierten Sattel, die gelben<br />
Ledergamaschen mit den flatternden Riemen schließen sich fest an die<br />
Weichen des Pferdes, und der elastische Oberkörper folgt zierlich jeder<br />
Bewegung. Gewöhnlich trägt der Majo e<strong>in</strong>e dunkelfarbene Jacke von<br />
Atlas, mit schwarzem Schmelz gestickt, darunter e<strong>in</strong>e hellere Weste mit<br />
Gold- und Silberschnüren besetzt, um den Leib die rothseidene Schärpe.<br />
Dabei ist er vollkommen Herr se<strong>in</strong>es Pferdes, und wenn der Hengst unter<br />
ihm noch so sehr auf dem Pflaster tanzt, raucht er doch ruhig se<strong>in</strong>e