Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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312 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
vor uns haben wir die Moschee selbst mit ihrem hohen Portal, e<strong>in</strong>e langgestreckte<br />
ruhige, e<strong>in</strong>fache Masse, die nicht ahnen läßt, was im Innern<br />
verborgen ist. So oft ich hierher kam, fand ich den Vorplatz belebter, als<br />
die Kirche selbst. <strong>E<strong>in</strong></strong>e Menge kle<strong>in</strong>er Buben spielten um die Bewässerungsr<strong>in</strong>nen<br />
am Boden oder umlagerten die Brunnen, wo sie vermittelst<br />
der herabgefallenen Blätter der Orangen Wasser schöpften und tranken.<br />
Alte Männer saßen, obwohl es dem Kalender nach <strong>W<strong>in</strong>ter</strong> war, <strong>in</strong> den<br />
schon recht heißen Strahlen der Sonne, die zur Mittagszeit neben dem<br />
Haupte<strong>in</strong>gange glänzend und die dunkeln Ste<strong>in</strong>mauern angenehm erwärmend<br />
here<strong>in</strong>drangen.<br />
Endlich öffnet sich vor uns die große Thüre der Moschee und wir stehen<br />
aufs Höchste überrascht vor dem Säulenwalde, der sich vor unsern<br />
Blicken erhebt und sich endlos auszudehnen sche<strong>in</strong>t. <strong>E<strong>in</strong></strong>tausend und<br />
achtzehn Säulen stehen hier <strong>in</strong> neunzehn Reihen von Norden nach Süden<br />
zu dem Alquibla, d. h. dem Theile gegen Mittag. In entgegengesetzter<br />
Richtung gezählt, bilden sie achtunddreißig andere Säulenreihen, die<br />
von Osten nach Westen gehen und hier e<strong>in</strong>e engere <strong>E<strong>in</strong></strong>theilung haben.<br />
Diese Säulen s<strong>in</strong>d von verschiedenen Arten von Marmor und Granit gearbeitet,<br />
bald weiß, gelblich, grau, röthlich, <strong>in</strong>s Bläuliche schimmernd,<br />
bald gefleckt, bald schwarz. Theils s<strong>in</strong>d sie glatt, theils canelirt, theils<br />
haben sie gewundene Verzierungen. Aber gerade diese Mannigfaltigkeit<br />
stört nicht im Ger<strong>in</strong>gsten die erhabene Wirkung, vielmehr erzeugt<br />
der Wechsel dieser Farben e<strong>in</strong>en überraschenden Totaleffect. Die Dicke<br />
derselben beträgt nicht über anderthalb Fuß, ihre Höhe nicht über sechszehn<br />
Fuß; sie tragen auf zum Theil etwas derben, an das Kor<strong>in</strong>thische<br />
er<strong>in</strong>nernden Kapitälen zwei Reihen von hoch gesprengten maurischen<br />
Hufeisenbögen übere<strong>in</strong>ander, so daß trotz der Niedrigkeit der Säulen,<br />
die aus e<strong>in</strong>gelegtem Holzwerk reich verzierte frühere Decke des Gebäudes<br />
an vierzig Fuß hoch war. Wor<strong>in</strong> liegt nun die ungeheure Wirkung,<br />
welche diese Kirche auf uns macht? Die Moschee des großen Kalifen<br />
<strong>in</strong> Damaskus ist erhabener, prächtiger, aber als ich sie betrat, umwehte<br />
mich nicht diese eigenthümliche, ich möchte fast sagen, berauschende<br />
Poesie, wie hier <strong>in</strong> dem endlos sche<strong>in</strong>enden Säulenwalde von Cordova,<br />
dort hat man Zeit und Laune, alles ruhig zu betrachten, zu vergleichen,<br />
abzumessen, hier möchte man nur träumend durchschreiten, und dabei<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 313<br />
trauernd an jenes wunderbare Volk denken, welches diese ungeheure<br />
Wirkung mit so wenig Mitteln hervorgebracht. Herrlich war die Ausschmückung<br />
<strong>in</strong> Gold und Farben, wie sie e<strong>in</strong>stens bestand –; jetzt ist<br />
sie verblichen und übertüncht. Aber die Conception des Ganzen ist so<br />
e<strong>in</strong>fach, wie möglich, Säulen, und Bogen die sie verb<strong>in</strong>den, und darüber<br />
das Dach, ke<strong>in</strong>e prachtvollen Fenster, ke<strong>in</strong>e großartige Kuppelwölbung!<br />
und doch so reizend, so unvergeßlich schön! Die Säulen s<strong>in</strong>d fe<strong>in</strong><br />
im Vergleich zu dem Anblick der großen Last, die sie tragen, aber aus<br />
welchen herrlichen Materialien bestehen sie, aus den härtesten Graniten<br />
und Marmorn, sie haben schon an die tausend Jahre ihre Last getragen<br />
und werden, wenn man sie nicht niederreißt, noch aufrecht stehen,<br />
wenn manches gewaltige Bauwerk e<strong>in</strong>er früheren oder späteren Periode<br />
zusammengestürzt ist.<br />
Langsam schreiten wir durch die stillen Räume und woh<strong>in</strong> wir uns<br />
wenden, wo wir auch stehen mögen, überall treten zahllose Perspectiven<br />
<strong>in</strong> geraden und besonders überraschend <strong>in</strong> den Diagonall<strong>in</strong>ien vor<br />
unsere Augen, so daß namentlich bei dem feierlichen Halbdunkel, welches<br />
hier herrscht, dieselben endlos zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>en.<br />
Ums Jahr 786 begann der König Abderrhaman I. den Bau der großen<br />
Moschee. Man behauptet, er habe selbst den Plan dazu entworfen und<br />
sei dabei von der Absicht ausgegangen, diesen Tempel dem <strong>in</strong> Damaskus<br />
ähnlich, aber größer und erhabener <strong>in</strong> Pracht und Aufwand, als die<br />
neue Moschee zu Bagdad errichten zu lassen, damit er mit der Alaksa,<br />
dem heiligen Hause zu Jerusalem verglichen werden könne. Bekanntlich<br />
verehren die Muhamedaner zwei Tempel oder heilige Häuser, die<br />
Caaba <strong>in</strong> Mekka und die Alaksa zu Jerusalem. Alaksa heißt die Entferntere,<br />
auch wird die Moschee <strong>in</strong> Jerusalem der Tempel der Auferstehung<br />
genannt, sowie auch Assahara die vom Felsen. Zum Bau der Mesquita<br />
wurden Säulen herbeigeschafft von Nimes und Narbonne <strong>in</strong> Frankreich,<br />
von Sevilla und Aragonien, von Italien, von Constant<strong>in</strong>opel und aus den<br />
Ru<strong>in</strong>en Carthago’s. Der erste Kalif erlebte aber den Ausbau nicht mehr,<br />
und leider entstellte se<strong>in</strong> Nachfolger Hirem, der e<strong>in</strong> berühmter Poet war,<br />
durch symmetriewidrige Erweiterung den ursprünglichen Bauplan und<br />
zerriß so die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit und Harmonie desselben. Das hätte aber Alles noch<br />
nicht so viel zu sagen gehabt, als die langsame und systematische Zer-