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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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134 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

alten Burg der Gothenkönige, die besonders von Galafre, dem Vater der<br />

berühmten Galiana bewohnt wurde, 1504 gegründet und zu e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>delhaus<br />

bestimmt. He<strong>in</strong>rich von Egas, der Sohn des Erbauers der Kathedrale<br />

von Toledo errichtete den Bau, der ihn zu e<strong>in</strong>em der ersten<br />

Künstler se<strong>in</strong>er Zeit erhebt. Nach Durchwanderung aller Räume dieses<br />

Hauses, das später e<strong>in</strong> Spital wurde und heute e<strong>in</strong>e Cadettenschule ist,<br />

wandten wir uns, nicht ohne das Bild der herrlichen Treppe, e<strong>in</strong>er wahren<br />

Perle, uns noch e<strong>in</strong>mal recht e<strong>in</strong>geprägt zu haben, dem Alcazar zu.<br />

Um ihn sehen zu dürfen, muß man sich die Erlaubniß beim Director<br />

der Kriegsschule holen, der <strong>in</strong> der eben erwähnten Caserne wohnt und<br />

mir e<strong>in</strong>e Art Platzoffizier zu se<strong>in</strong> schien. Wir ließen uns bei ihm melden,<br />

er empf<strong>in</strong>g uns recht wohlwollend und als ihm unser wortführender<br />

Architekt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wohl gesetzten Rede unseren Wunsch vorgetragen,<br />

gab er uns e<strong>in</strong>e schriftliche Erlaubniß zum Besuche des Alcazar; doch<br />

hatten wir uns damit ke<strong>in</strong>en Führer erworben, der uns zu den prächtigen<br />

Ru<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>ausbegleitete, um uns Dieß und Das zu erklären; es<br />

wurde uns vielmehr bei Vorzeigung unseres Papiers von e<strong>in</strong>em Manne<br />

der Wache nur das vorh<strong>in</strong> erwähnte Gitterthor geöffnet, und dann<br />

mochten wir unsern Weg den Berg h<strong>in</strong>auf suchen, so gut uns das möglich<br />

war. Doch konnten wir nicht fehlen; denn kaum waren wir so weit<br />

empor gestiegen, um die Caserne unter uns zu sehen, so erblickten wir<br />

über uns auch schon die gewaltigen Massen des Alcazar, der, von allen<br />

Seiten frei stehend, trotzig und ernst <strong>in</strong> das Land h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schaut. Dieses<br />

ehemalige Schloß von Toledo ist e<strong>in</strong>e der prächtigsten und <strong>in</strong>teressantesten<br />

Ru<strong>in</strong>en. Wer es versteht, kann hier Überbleibsel auff<strong>in</strong>den von der<br />

Baukunst vieler Jahrhunderte, die hier nach e<strong>in</strong>ander ergänzten und restaurirten;<br />

ob sich noch Spuren von dem ersten Erbauer, dem Gothenkönig<br />

Wamba auff<strong>in</strong>den lassen, vermochte selbst unser Baumeister nicht<br />

mit Bestimmtheit anzugeben. Gothische, maurische und castilische Fürsten<br />

haben den Alcazar der Reihe nach bewohnt und ihn nach dem<br />

je herrschenden Geschmacke verändert und ausgeschmückt h<strong>in</strong>terlassen,<br />

e<strong>in</strong>es der seltsamsten Gebäude, die vielleicht jemals existirt. Leider<br />

ist hiervon fast gar nichts auf unsere Zeit gekommen; die gewaltigen<br />

Kämpfe <strong>in</strong> und um Toledo legten den größten Theil dieses Schlosses <strong>in</strong><br />

Trümmer, und so blieb es lange stehen, bis endlich Karl III. den Wie-<br />

KAPITEL 15. TOLEDO. 135<br />

deraufbau unternahm und mit königlicher Pracht vollführte; ihm also<br />

hat man die jetzige großartige Ru<strong>in</strong>e zu verdanken. Daß es nur Ru<strong>in</strong>e<br />

ist, daran tragen die Spanier selbst die Schuld; denn <strong>in</strong> den ersten<br />

Jahren des Unabhängigkeitskrieges schossen sie den Alcazar <strong>in</strong> Brand,<br />

um die Franzosen daraus zu vertreiben. Da <strong>in</strong>dessen das mächtige Gebäude<br />

von würfelähnlicher Form meistens aus festen Granitmauern bestand,<br />

so konnte das Feuer dem Äußeren nicht viel anhaben, das denn<br />

auch, namentlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er der Stadt zugekehrten Hauptfaçade, majestätisch<br />

und großartig aussieht. Hier ist die Mauer des Gebäudes von<br />

zwei starken Thürmen flankirt, welche e<strong>in</strong>e äußere Gallerie mit e<strong>in</strong>ander<br />

verband. Noch deutlich sieht man das kunstvolle ste<strong>in</strong>erne Geländer<br />

derselben fast unversehrt an der Vordermauer. Prächtig ist der große<br />

<strong>in</strong>nere viereckige Hof und wäre e<strong>in</strong>es Palladio würdig, bietet aber <strong>in</strong><br />

neuester Zeit e<strong>in</strong> trauriges Bild der Zerstörung. Die jonischen und kor<strong>in</strong>thischen<br />

Säulen, welche die zwei Reihen r<strong>in</strong>gs umherlaufender Arcaden<br />

tragen, s<strong>in</strong>d vortrefflichster Arbeit, doch stehen nur die untern<br />

noch alle aufrecht, und s<strong>in</strong>d ihre Capitäle theilweise abgeschunden und<br />

zertrümmert, die Säulenschäfte vom Rauche geschwärzt und auf mehrere<br />

Schuh hoch umgeben von Ste<strong>in</strong>- und Kalktrümmern. Die breiten<br />

prächtigen Treppen, welche im H<strong>in</strong>tergrunde des Hofes nach den oberen<br />

Gemächern führten, liegen, da die Vorderwand e<strong>in</strong>gestürzt ist, vor<br />

den Augen bloß da, und mancher der marmornen Fußtritte ist aus se<strong>in</strong>en<br />

Fugen gewichen, aus denen nun Gras und Strauchwerk lustig emporgewachsen<br />

ist. Steigt man h<strong>in</strong>auf, so bleibt man oben schw<strong>in</strong>delnd<br />

stehen, denn dort wo man ehemals e<strong>in</strong> weites Vestibüle betrat, bef<strong>in</strong>det<br />

sich nichts mehr, als vier nackte Seitenmauern, die vor uns tief h<strong>in</strong>ab gehen.<br />

Die Gewölbe und Platten des Fußbodens s<strong>in</strong>d verschwunden, und<br />

an e<strong>in</strong>igen Stellen blicken wir durch zerbrochene Kellerbogen auf den<br />

untersten Grund des Schlosses h<strong>in</strong>ab.<br />

Wenn wir nun den Treppen folgen, die uns h<strong>in</strong>unter <strong>in</strong> den Keller führen,<br />

so erstaunen wir über diese mächtigen unterirdischen Bauten. Der<br />

Begriff e<strong>in</strong>es Kellers reicht hier nicht aus; es s<strong>in</strong>d unterirdische Hallen<br />

und Säle, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Quadrat r<strong>in</strong>gs unter dem Gebäude durch<br />

e<strong>in</strong>ander laufen. Von Seiten der Franzosen wurden sie als Ställe benutzt,<br />

und es hatten hier die Pferde mehrerer Regimenter Platz. Auch heute

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