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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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276 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

lusiers für se<strong>in</strong>e Geliebte beziehen sich auf sal und salero. So ruft er ihr<br />

leidenschaftlich zu: salero del alma: Salzfaß me<strong>in</strong>er Seele! Das sche<strong>in</strong>t<br />

für uns übertrieben, hat man aber den Gruß gehört, womit der Majo die<br />

Maja anredet, se<strong>in</strong>en leidenschaftlichen Ausruf: Gott segne die Mutter,<br />

die dich geboren hat! Möge die heilige Jungfrau de<strong>in</strong>e schwarzen Augen<br />

bewahren, König<strong>in</strong>! Ha! Gottes Leben, welch e<strong>in</strong> Gang! Dann wird man<br />

sich nicht wundern, wenn noch e<strong>in</strong>e Steigerung erfolgt, viva la sal andaluz!<br />

– Übrigens ist la gracia andaluz <strong>in</strong> ganz <strong>Spanien</strong> sprichwörtlich, und<br />

von den Schönheiten anderer Länder sagt der Spanier: son bonitas, pero<br />

no tienen gracia, schön s<strong>in</strong>d sie wohl, aber ihnen fehlt die Grazie. Engländer<strong>in</strong>nen<br />

und Französ<strong>in</strong>nen mißfallen im Allgeme<strong>in</strong>en dem Spanier,<br />

erstere s<strong>in</strong>d ihm zu weichlich und prüde, die letztern haben zu viel von<br />

den Schönheiten se<strong>in</strong>es eigenen Landes, ohne diese jedoch erreichen zu<br />

können; die deutschen Frauen dagegen denkt sich mancher Spanier als<br />

Ideale von Sanftmuth, blonden Haaren, blauen Augen und e<strong>in</strong>em frischen<br />

Te<strong>in</strong>t von Rosen und Lilien, und sagt von ihnen: han de ser muy<br />

dulces las Alemanas, sie müssen wohl recht sanft se<strong>in</strong>, die Deutschen.<br />

Nachdem wir lange genug geschaut und der Strom der Spaziergänger<strong>in</strong>nen<br />

immer noch nicht enden wollte, stiegen wir zwischen e<strong>in</strong>er ausgesuchten<br />

Gruppe h<strong>in</strong>auf, nicht ohne uns häufig vergnügt lachend umzusehen;<br />

das nahmen aber diese schönen K<strong>in</strong>der durchaus nicht übel, ja,<br />

wenn irgendwo e<strong>in</strong> paar zwischen den Bäumen standen und auf den so<br />

dicht bevölkerten Zickzackweg h<strong>in</strong>abschauten und <strong>E<strong>in</strong></strong>er von uns vielleicht<br />

<strong>in</strong> die Worte ausbrach: Welche Schönheit, welche Augen! so war<br />

das für die schöne Andalusier<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Grund, um wegzuschauen, wie es<br />

die Tochter e<strong>in</strong>er andern Nation augenblicklich gethan hätte, sondern<br />

diese hier blickte uns mit gesenktem Fächer fest <strong>in</strong>’s Gesicht, als wenn<br />

sie sagen wollte: Schön b<strong>in</strong> ich, das weiß ich; betrachtet mich nur nach<br />

Herzenslust, das wird mir und euch ke<strong>in</strong>en Schaden br<strong>in</strong>gen.<br />

Dabei erwiederten Weiber und Mädchen augenblicklich unsere Grüße<br />

aufs Freundlichste und grüßen mußte man nach allen Seiten, denn<br />

das Gedränge war oft so dicht, daß man sich häufig im wahren S<strong>in</strong>ne<br />

des Wortes zwischen den reizenden Andalusier<strong>in</strong>nen durchdrängen<br />

mußte. Ich weiß nicht, wie ich darauf verfiel, als wir bei e<strong>in</strong>er Familie<br />

vorbeikamen, bestehend aus e<strong>in</strong>em ernsten Herrn, e<strong>in</strong>er etwas f<strong>in</strong>ster<br />

KAPITEL 18. GRANADA. 277<br />

blickenden Mutter und zwei wunderschönen Mädchen von fünfzehn<br />

und sechszehn Jahren, daß ich mir beifallen ließ, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

sehr schauderhaften Spanisch die prachtvollen Veilchenbouquets<br />

zu loben, welche Mutter und Töchter <strong>in</strong> den Händen trugen. Hatte ich<br />

nun e<strong>in</strong>en falschen Ausdruck gebraucht oder klang die Sprache gar zu<br />

hart und komisch, genug, der alte Herr gr<strong>in</strong>ste freundlich, die Mutter<br />

lächelte, beide Töchter aber lachten fröhlich h<strong>in</strong>aus und <strong>E<strong>in</strong></strong>e bot mir<br />

ihren Strauß mit den Worten: Nehmen Sie, wenn es Ihnen Vergnügen<br />

macht. Es s<strong>in</strong>d Veilchen von Granada, die schönsten der Welt. Wer aber<br />

nach solchen Zügen, die nur Herzensgüte und Freundlichkeit athmen<br />

und nur Beweise s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>er übersprudelnden geistigen Kraft und e<strong>in</strong>es<br />

warmen <strong>in</strong>nigen Gefühls, sich e<strong>in</strong>bilden wollte, er habe den Anfang zu<br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>timen Bekanntschaft gefunden, und dürfe es nächstens schon<br />

wagen sich e<strong>in</strong>ige Freiheiten herauszunehmen, der würde sich gewaltig<br />

wundern. Freilich gibt es Reisende, die eitel genug s<strong>in</strong>d, vielleicht<br />

an ihre Unwiderstehlichkeit glaubend, <strong>in</strong> Erzählungen durchblicken zu<br />

lassen, wie wenig Mühe es ihnen gekostet, mit den anständigsten spanischen<br />

Damen e<strong>in</strong> Verhältniß anzuknüpfen. Was aber von dergleichen<br />

Geschichten zu glauben ist, weiß jeder Unbefangene, namentlich hier <strong>in</strong><br />

<strong>Spanien</strong>, wo <strong>in</strong> dieser Richtung der Sche<strong>in</strong> so gewaltig trügt. Man f<strong>in</strong>det<br />

e<strong>in</strong> paar spanische Damen auf dem Paseo oder im Theater, man redet sie<br />

freundlich und ehrerbietig an und sie werden liebenswürdig und herzlich<br />

antworten. Sie werden sich nach beendigtem Gespräche mit Blicken<br />

entfernen, wor<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ganze Welt liegt. Ja, sie werden am folgenden Tage<br />

den Bekannten von gestern vielleicht zuerst und aufs Freundlichste grüßen<br />

und das wochenlang so fortsetzen. Hiemit ist aber auch die Gränze<br />

aller Annäherung erreicht, es sei denn, daß e<strong>in</strong>e Spanier<strong>in</strong> selbst e<strong>in</strong> Verhältniß<br />

anknüpfen will; dann freilich folgt sie ihrem festen Willen, aber<br />

auch dann läßt sie sich nicht lieben, sondern sie liebt.<br />

Auf dem Platze vor dem Kloster war nun e<strong>in</strong> buntes und bewegliches<br />

Leben; es war hier zu gleicher Zeit e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Jahrmarkt und zu Ehren<br />

der Heiligen wurde gegessen, getrunken, gesungen und getanzt. Weit<br />

auf der ganzen Anhöhe umher sah man zahlreiche Gruppen zerstreut,<br />

meistens lagerten befreundete Familien auf den Abhängen des Darroufers,<br />

der hier e<strong>in</strong> paar hundert Fuß tief unter uns floß. Auch wir legten

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