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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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174 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Felipe gönnte uns übrigens ke<strong>in</strong>en langen Spaziergang, denn auf der<br />

Höhe angekommen, ermahnte er uns aufzusteigen und schneller zu reiten.<br />

Er schien große Eile zu haben, nach Val de Penas zu kommen; dabei<br />

f<strong>in</strong>g er se<strong>in</strong> vorgestriges Manöver wieder an und ersuchte uns, die Gewehre<br />

<strong>in</strong> Bereitschaft zu setzen, da dieser Bergpaß ebenfalls e<strong>in</strong>er der<br />

verrufensten von ganz <strong>Spanien</strong> sei. Doch hatten wir nicht die m<strong>in</strong>deste<br />

Lust, uns mit dem Selbsttragen der Waffen zu beschäftigen, <strong>in</strong>dem<br />

wir auf dem außerordentlich holperigen Wege alle unsere Aufmerksamkeit<br />

der Führung der Pferde zuwenden mußten, die jeden Augenblick<br />

stolperten. Horschelts Pferd stürzte e<strong>in</strong>mal heftig auf die Knie nieder,<br />

sprang aber glücklicherweise im nächsten Augenblick wieder auf, ohne<br />

se<strong>in</strong>en Reiter abzuwerfen.<br />

Jetzt hatten wir das Thal durchritten und stiegen an der zweiten Bergkette<br />

<strong>in</strong> die Höhe. Mit jedem Schritte wurde übrigens die Gegend wilder<br />

und großartiger, und als wir auf der Höhe angekommen waren, hielten<br />

wir mit e<strong>in</strong>em Ausruf der Verwunderung an. Vor uns hatten wir e<strong>in</strong>e der<br />

malerischsten Schluchten, die e<strong>in</strong>e kühne Phantasie nur erf<strong>in</strong>den kann;<br />

wie Coulissen schoben sich mehrere hundert Fuß hohe Felsen senkrecht<br />

und scharf gezackt so <strong>in</strong> und durch e<strong>in</strong>ander, daß man die überaus steil<br />

abfallende Straße nur wenige Schritte mit den Augen verfolgen konnte.<br />

Zur L<strong>in</strong>ken hatten wir e<strong>in</strong>en den Pfad noch überragenden halbrunden<br />

Berg, der uns die Aussicht sperrte, rechts dagegen lagen die Felszacken<br />

terrassenförmig unter e<strong>in</strong>ander und schlossen sich <strong>in</strong> weiter Ferne<br />

sche<strong>in</strong>bar an e<strong>in</strong> majestätisches Gebirge, welches <strong>in</strong> prächtigen Umrissen<br />

und fast schwarzer Färbung dort lag – die Sierra Morena, die wir<br />

jetzt endlich und, wie wir glaubten, ziemlich nahe vor uns sahen. Gerade<br />

vor uns den Weg und die Schlucht h<strong>in</strong>ab aber war der Anblick entzückend<br />

schön; tief unten sahen wir das Ende dieses Bergpasses scharf<br />

begränzt durch zwei riesenhafte Felswände, zwischen denen h<strong>in</strong>durch<br />

wir e<strong>in</strong>en schmalen Streifen des grünen Thales erblickten. Von den dunkelgrauen<br />

Felsen e<strong>in</strong>gerahmt erschien dieß im hellsten Sonnenlichte wie<br />

e<strong>in</strong> glänzender Lichtstreifen, leuchtend und strahlend, während unten<br />

<strong>in</strong> der Schlucht und hier oben <strong>in</strong> dem Passe selbst die tiefen Schatten<br />

wahrhaft malerisch wechselten mit dem glühenden Lichte der Morgensonne,<br />

das r<strong>in</strong>gs um uns her die höchsten Felsspitzen vergoldete.<br />

KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 175<br />

Wir hätten hier stundenlang verweilen können, namentlich Maler Horschelt<br />

bedauerte es sehr, daß ihm die Zeit mangelte, e<strong>in</strong>e Farbenskizze<br />

aufzunehmen, doch wollte sich Felipe auf unseren Vorschlag, hier<br />

e<strong>in</strong>en Ruhepunkt zu machen, durchaus nicht e<strong>in</strong>lassen, sondern fuhr<br />

bei dieser Zmnuthung höchst verdrießlich auf se<strong>in</strong>em Maulthiere h<strong>in</strong><br />

und her und me<strong>in</strong>te, das sei e<strong>in</strong> undankbares Unternehmen, hier auf<br />

diesem verrufenen Platze anhalten zu wollen; er se<strong>in</strong>estheils habe nicht<br />

die ger<strong>in</strong>gste Lust dazu. So zogen wir denn noch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Strecke<br />

auf ebenem Wege fort, bevor wir an den Bergabhang kamen, und erlebten<br />

auf dem verrufenen Platze e<strong>in</strong> ganz eigenthümliches Abenteuer.<br />

Wir ritten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schmalen und tiefen Hohlwege, und als wir an<br />

die Schlucht gelangten, sahen wir mit e<strong>in</strong>emmale, daß uns andere Reisende<br />

entgegenkamen und zwar, was das Auffallendste war, nicht zu<br />

Pferd oder Maulthier, sondern auf großen zweirädrigen Karren, deren<br />

jeder von mehreren Maulthieren gezogen wurde und sich langsam und<br />

mühsam herauf bewegte, so daß die hölzernen Fuhrwerke zwischen den<br />

Ste<strong>in</strong>en bedenklich krachten und Räder und Achsen ächzten. Die Karavane<br />

bestand aus vier Wagen, die h<strong>in</strong>teren mit Ballen und Kisten beladen,<br />

während auf dem ersten e<strong>in</strong> wohlgekleideter Mann saß, im langen<br />

Überrock, den runden Hut auf dem Kopfe, auf dem Schoß e<strong>in</strong>e doppelläufige<br />

Fl<strong>in</strong>te; h<strong>in</strong>ter ihm auf e<strong>in</strong>em Strohsacke befanden sich zwei<br />

Frauenzimmer und e<strong>in</strong> paar kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der. Das alles stieg so plötzlich<br />

vor uns aus der Tiefe auf, daß wir im ersten Augenblick überrascht anhielten,<br />

im zweiten aber um uns herschauten, um <strong>in</strong> dem engen Hohlwege<br />

e<strong>in</strong>e Möglichkeit des Ausweichens zu entdecken. Die war durchaus<br />

nicht vorhanden, und schon wollte ich me<strong>in</strong> Pferd herumwerfen,<br />

um wieder zurückzureiten, als Felipe mit e<strong>in</strong>em lauten Ausrufe des Ärgers<br />

se<strong>in</strong> Maulthier gegen die ziemlich steile Wand des Hohlweges trieb<br />

und es zwang, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> paar tüchtigen Sätzen h<strong>in</strong>aufzuspr<strong>in</strong>gen. Horschelt<br />

folgte ihm, <strong>in</strong>dem er se<strong>in</strong>em Pferd e<strong>in</strong>en tüchtigen Hieb mit der Reitpeitsche<br />

gab, und ich machte es ebenso. Doch da ich sah, daß das Gewehr<br />

des Malers bei dem Satze aufwärts heftig an e<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong> anschlug, so riß<br />

ich das me<strong>in</strong>ige vom Sattelhaken <strong>in</strong> die Höhe und kam so mit hochgeschwungener<br />

Waffe droben an, wobei ich durch e<strong>in</strong>en flüchtigen Blick<br />

auf den Mann im Wagen wohl bemerkte, daß dieser se<strong>in</strong>e Doppelfl<strong>in</strong>te

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