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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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100 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Geflügel, Eiern und Sch<strong>in</strong>ken fertig, haben Alles obendre<strong>in</strong> tüchtig mit<br />

We<strong>in</strong> begossen und rüsten uns zum Aufbruch. Unser Spanier sammelt<br />

alle Überreste der Speisen sorgfältig <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Stück Papier und die der Getränke<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Magen, Jeder von uns zieht den Sattelgurt se<strong>in</strong>es Pferdes<br />

fester an, dann schw<strong>in</strong>gen wir uns auf, der kle<strong>in</strong>e Baumeister, der<br />

ganz des Teufels ist, s<strong>in</strong>gt: Wohlauf, Cameraden, aufs Pferd, aufs Pferd!<br />

und galoppirt mit wahrer Todesverachtung den ziemlich steilen Hügel<br />

h<strong>in</strong>ab. Wir waren so erstaunt über diese Keckheit, daß sich selbst der<br />

lange Maler, der immer etwas eifersüchtig war auf die Reitkunst der<br />

Anderen, nicht enthalten konnte, <strong>in</strong> die größten Lobsprüche auszubrechen,<br />

worauf uns denn der Baumeister lächelnd gestand, wir hätten alle<br />

Ursache, mit se<strong>in</strong>er Reiterei zufrieden zu se<strong>in</strong>, denn offenherzig gesagt,<br />

bef<strong>in</strong>de er sich heute zum erstenmale so eigentlich recht zu Pferde.<br />

Daß wir durch diese kle<strong>in</strong>en Neckereien rascher vorwärts kamen,<br />

war der Hauptvortheil derselben während dieses langwierigen Rittes.<br />

Glücklicherweise änderte sich auch nach e<strong>in</strong>er Stunde das Terra<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

wenig, wir verließen die Fahrstraße, mit derselben Sand und Haide und<br />

ritten durch grüne Berghalden – doch muß man sich ke<strong>in</strong>en Wald auf<br />

unserem Wege vorstellen – dann durch Wiesenthäler ohne alle Pfade,<br />

wo wir auch e<strong>in</strong>igemal den Weg verloren, jedoch nicht die Richtung;<br />

denn schon kurz nach unserer Rast sahen wir fern am Horizont e<strong>in</strong>e<br />

nebelhafte Masse emporsteigen, e<strong>in</strong>en seltsam geformten Felsen, nicht<br />

unähnlich dem des Alcazar von Toledo. Bald verschwand er unseren<br />

Blicken wieder, kam aber bei jeder Anhöhe, die wir erstiegen, abermals<br />

zum Vorsche<strong>in</strong>, war jedoch noch lange Zeit me<strong>in</strong>em Auge so undeutlich,<br />

daß ich ihm nicht die Form e<strong>in</strong>es Schlosses abgew<strong>in</strong>nen konnte.<br />

Toledo liegt von Aranjuez über fünf deutsche Meilen entfernt. Zwischen<br />

beiden Städten bef<strong>in</strong>det sich ke<strong>in</strong> Dorf; ja das e<strong>in</strong>zige Haus ist die<br />

Venta, von der wir oben sprachen und die <strong>in</strong> Trümmern liegt. Hier und<br />

da, aber äußerst selten, sieht man wohl die Spuren e<strong>in</strong>es angebauten<br />

Feldes, e<strong>in</strong>en unbedeutenden Streifen, wo der Pflug die Erde aufgerissen.<br />

Und doch sche<strong>in</strong>t der Boden an manchen Stellen nicht schlecht zu<br />

se<strong>in</strong>, auf jeden Fall besser als <strong>in</strong> Catalonien, wo jede Handbreit Erde benutzt<br />

ist. Die gränzenlose Verwilderung hier kommt aber wohl daher,<br />

daß das ganze Terra<strong>in</strong>, auf dem wir heute ritten, Kroneigenthum ist und<br />

KAPITEL 14. ARANJUEZ. 101<br />

nur zu Jagdgründen und Viehweiden benützt wird. Da aber ke<strong>in</strong> hoher<br />

oder niederer Wald vorhanden ist, so beschränkt sich die Jagd wohl<br />

nur auf Kan<strong>in</strong>chen und Rebhühner; und was die Weide anbelangt, so<br />

sieht man nur <strong>in</strong> der Nähe von Aranjuez junge und alte Maulesel, sowie<br />

Pferde und Fohlen des königlichen Gestüts die Gesträuche abnagen und<br />

das magere Gras fressen. Übrigens s<strong>in</strong>d die Ynguada’s von Aranjuez berühmt<br />

und sollen die besten Reit- und Zugthiere <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> hervorbr<strong>in</strong>gen.<br />

Nach und nach trat denn auch die seltsame Silhouette der Stadt Toledo<br />

deutlicher und klarer zwischen den Bergen hervor. Wir unterschieden<br />

schon hohe Mauern mit ausgezackten Z<strong>in</strong>nen, sowie Thürme, doch<br />

Alles so auf e<strong>in</strong>en Punkt zusammengedrängt und hoch erhoben, daß<br />

man hätte glauben müssen, Toledo sei nichts als e<strong>in</strong> mächtiges Schloß<br />

auf hohem, steilem Felsen. – Toledo! welch prächtig kl<strong>in</strong>gendes Wort!<br />

Toledo! Wenn man im Angesicht se<strong>in</strong>er hohen Mauern ihm entgegenreitet,<br />

zuweilen e<strong>in</strong>en Blick darauf wirft und dann, <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerungen alter<br />

Zeiten schwelgend, vor sich niederschaut und diesen Namen ausspricht,<br />

so ist er wie e<strong>in</strong> Zauberwort, das e<strong>in</strong>e alte gewaltige Zeit lebendig<br />

vor unser <strong>in</strong>neres Gesicht zaubert. Man sieht Schwerter blitzen<br />

und Lanzen, Helmzierden wehen und christliche Fahnen mit dem rothen<br />

Kreuze von San Jago zwischen Reiherbüschen und dem Feldzeichen<br />

der tapferen Mauren. Die stolze Geschichte Castiliens rollt an uns<br />

vorüber mit ihren Heldenthaten, die ans Fabelhafte streifen. Geharnischte<br />

Schattengestalten reiten mit uns gegen Toledo, und wenn wir ihre<br />

Blicke verstehen, so lesen wir <strong>in</strong> ihnen von Kampf und Sieg, von ritterlichen<br />

Abenteuern und zarter M<strong>in</strong>ne, sehen aber auch, wie sie unser<br />

friedliches Reiterhäufle<strong>in</strong> mit ziemlich zweideutigen Blicken betrachten,<br />

wie e<strong>in</strong> sonderbares Lächeln über die eisernen Züge fliegt, während sie<br />

an uns vorüber galoppiren, uns natürlich weit zurücklassend; denn die<br />

Schattengestalten berühren ja nicht den Boden, und die längst vermoderten<br />

Pferde werden vom Hauch des W<strong>in</strong>des dah<strong>in</strong>geführt. – Toledo!<br />

Ja, bei se<strong>in</strong>em Anblicke wird es selbst uns ganz kriegerisch zu Muthe;<br />

der Boden hier haucht e<strong>in</strong>e berauschende Atmosphäre aus. Gebt mir<br />

Schild und Lanze, auf, gen Toledo! – Dulc<strong>in</strong>ea ist das schönste Weib der<br />

Erde! – –

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