22.12.2012 Aufrufe

Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

42 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

gutes und properes Aussehen, wie im französischen Nachbarland; natürlich<br />

besteht die Mannschaft aus jungen Leuten, die sich unter den<br />

Waffen hie und da noch unerfahren und unbeholfen zeigen, aber das<br />

ist <strong>in</strong> mancher größern Armee ebenso, und wenn man die afrikanischen<br />

Regimenter des französischen Heers, und den größten Theil des heutigen<br />

österreichischen und russischen Heers ausnimmt, so f<strong>in</strong>det man ja<br />

auch im übrigen Europa wenig Soldaten von ächt kriegerischem Aussehen.<br />

Was das Officiercorps anbelangt, so kann ich auch hier nur nach<br />

dem Äußern urtheilen, dieses aber läßt bei den Spaniern nichts zu wünschen<br />

übrig; ihre Officiere s<strong>in</strong>d gut gekleidet, und machen durch Miene,<br />

Wuchs und Haltung e<strong>in</strong>en durchaus günstigen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck. Sonderbar ist<br />

das Beibehalten des Stocks als Zeichen des Befehlshabers, auch zu Pferd.<br />

Wenn man die Spanier und den Charakter ihrer verschiedenen Volksstämme<br />

betrachtet, so begreift man wohl, daß sie e<strong>in</strong>e Nation se<strong>in</strong> könnten,<br />

aber nur ausnahmsweise e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>iges Volk. Bei ke<strong>in</strong>er der großen<br />

Nationen Europas, selbst nicht bei uns Deutschen, stehen die Prov<strong>in</strong>zialunterschiede<br />

<strong>in</strong> Volkscharakter und Volkssitten e<strong>in</strong>ander so schroff gegenüber<br />

wie hier. Abgesehen davon, daß der Aragonier, der Andalusier,<br />

der Castilianer und der Baske sich gänzlich von e<strong>in</strong>ander abscheiden,<br />

da auch der letztern Sprache verschieden ist, so betrachtet selbst der<br />

Bewohner jeder Prov<strong>in</strong>z den nächsten Nachbar im gewissen S<strong>in</strong>n des<br />

Worts als e<strong>in</strong>en Fremden, mit dem sich eng verbunden nicht gut leben<br />

läßt, der an e<strong>in</strong>er Masse von Fehlern und Lächerlichkeiten laborirt, und<br />

welchen zu verspotten und zu tadeln durchaus ke<strong>in</strong>e Sünde ist. Daher<br />

wohl ihre ewige Une<strong>in</strong>igkeit; daher stehen sich auch die verschiedenen<br />

Stämme so oft fe<strong>in</strong>dselig gegenüber, und was von ihnen zusammenhält,<br />

bildet wieder zwei große, scharfgetrennte Lager, die Progressisten und<br />

Moderados. Kennen wir doch <strong>in</strong> der spanischen Geschichte nur zwei<br />

Momente, wo das Volk fest zusammen hielt: aus Zwang von oben unter<br />

der starren Faust Philipps II. und aus freiem Willen im Krieg gegen Napoleon.<br />

Deßhalb muß <strong>Spanien</strong> se<strong>in</strong>er Natur nach e<strong>in</strong> Föderativstaat se<strong>in</strong><br />

und wird ebensowenig vollkommen konstitutionell regiert werden können,<br />

als es je e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Monarchie war. Übrigens ist das monarchische<br />

Pr<strong>in</strong>cip <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> vorherrschend. Der Spanier ist unter e<strong>in</strong>er halbwegs<br />

guten Regierung streng conservativ; das Königthum wäre geachtet, und<br />

KAPITEL 12. MADRID. 43<br />

Herrscher und Volk würden im besten <strong>E<strong>in</strong></strong>klänge leben, wie schon das<br />

alte Lied sagt:<br />

El que quiera zer libre que aprendra,<br />

En España hay un pueblo y un rey,<br />

El primero dietando las leyes,<br />

El segundo sujeto a la ley.<br />

Wer da frei se<strong>in</strong> will, erfahre,<br />

Volk und König s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong>!<br />

Das Gesetz, vom König kommt es,<br />

Und das Volk ist ihm gehorsam!<br />

Um diese Verschiedenheiten der Charaktere <strong>in</strong> kurzen Worten zu verdeutlichen,<br />

so ist dem stolzen Castilianer, bei dem wir uns gerade bef<strong>in</strong>den,<br />

immer noch etwas geblieben von dem feierlichen Hidalgo mit<br />

großem Degen und steif emporgewichstem Schnurrbart, wie er zu Zeiten<br />

des Don Quixote lebte, und wie wir ihn aus dem Gil Blas kennen,<br />

stolz auf se<strong>in</strong> Haus und auf se<strong>in</strong>en Stammbaum. Die Arbeit ist ihm e<strong>in</strong>e<br />

Last, und sobald e<strong>in</strong> castilianischer Eckensteher ke<strong>in</strong>e Hand zur Arbeit<br />

rührt, wenn ihn nicht der Hunger treibt, so sieht man den Gewerbsmann<br />

und den Bürger, namentlich draußen <strong>in</strong> den Dörfern, noch immer steif<br />

und aufrecht <strong>in</strong> braunem Mantel und spitzem Hut, und er wird sich nur<br />

mit f<strong>in</strong>sterer Miene herablassen, dem Fremden e<strong>in</strong>e Dienstleistung, für<br />

welche man ihn theuer bezahlen muß, zu verrichten.<br />

Ganz anders ist der Andalusier: obgleich ebenfalls e<strong>in</strong> großer Freund<br />

vom Nichtsthun, ist er dabei lustig bis zur Ausgelassenheit, mittheilsam,<br />

witzig und voll von Späßen und Liedern, die er bereitwillig dem Fremden<br />

zum Besten gibt. Er liebt zierliche Kleider, ist durchdrungen von<br />

dem Gefühl se<strong>in</strong>er körperlichen Schönheit, liebenswürdig, zuvorkommend<br />

und sich se<strong>in</strong>er Unwiderstehlichkeit beim schönen Geschlecht bewußt.<br />

Hier muß ich des Majo erwähnen, der, obgleich man ihn auch an<br />

andern Orten <strong>Spanien</strong>s f<strong>in</strong>det, doch ächt andalusisch ist. <strong>E<strong>in</strong></strong> wörtliche<br />

Übersetzung von Majo oder Maja gibt es gar nicht; doch werden diese<br />

Worte auch <strong>in</strong> der Bedeutung von schön, geputzt, gebraucht. – Ay,<br />

que majo estas, niña! Ei, wie hast Du Dich geputzt, Mädchen! Der Majo<br />

erhält se<strong>in</strong>en Namen hauptsächlich durch die Kleidung, die er trägt,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!