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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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34 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

waren die Chöre doch äußerst mangelhaft und sangen z. B. die herrlichen<br />

Kompositionen unisono. Ebenso waren die Solosänger, leider auch<br />

Robert, mittelmäßig; aber die Musik Meyerbeers ist nun e<strong>in</strong>mal nicht zu<br />

ru<strong>in</strong>iren und das Publikum blieb animirt unter rauschenden Beifallspenden<br />

bis zum Schluß. Die Costüme waren prachtvoll und die Decorationen<br />

hätte man vollendet nennen können, wenn sich nicht am Schluß des<br />

vierten Acts der Teufel <strong>in</strong>’s Spiel gemischt hätte und mit se<strong>in</strong>er ganzen<br />

Hölle erschienen wäre, um die gottlose Nonnenschaar zu verschl<strong>in</strong>gen.<br />

Überall klafften Abgründe, aus denen blutrothe Flammen hervorzüngelten<br />

und – horribile dictu! – der H<strong>in</strong>tergrund des Klosterhofes verwandelte<br />

sich <strong>in</strong> den kolossalen Rachen e<strong>in</strong>es fürchterlichen Ungeheuers,<br />

dessen glühender Schlund sämmtliche Nonnen verspeiste, als seien sie<br />

e<strong>in</strong> Bündel Monatrettige gewesen. Unbegreiflich ist es, daß die Masch<strong>in</strong>erie<br />

hier, auf dem ersten Theater, noch so zurück ist; sie s<strong>in</strong>d nicht im<br />

Stande, auf offener Scene zu verwandeln, vielmehr wird e<strong>in</strong> Wolkenvorhang<br />

herabgelassen, h<strong>in</strong>ter dem man nun die Zimmerleute hanthieren<br />

hört. Das spanische Publikum aber nimmt e<strong>in</strong>e solche Pause ganz geduldig<br />

und gnädig auf und benützt die Zeit, um mit dem Nachbar zu<br />

plaudern, oder die Nachbar<strong>in</strong> im Spiele mit dem Fächer zu übertreffen.<br />

Das Theater del Circo gibt kle<strong>in</strong>e spanische Opern, die beliebten Zarzuelas,<br />

und hat e<strong>in</strong> ordentliches Ballet; die übrigen, die gerade geöffnet<br />

s<strong>in</strong>d, mit Ausnahme des Theatro del Museo, füllen ihre Abende mit Possen,<br />

kle<strong>in</strong>en Lustspielen und Nationaltänzen aus. Die berühmteste Tänzer<strong>in</strong><br />

Madrids <strong>in</strong> diesem Genre, Senora Nena, e<strong>in</strong>e vortreffliche Künstler<strong>in</strong>,<br />

ist leider schon über die ersten Stadien, wenn auch nicht Thorheiten<br />

der Jugend h<strong>in</strong>weg, doch vergißt man ihre dreißig Jahre, wenn sie<br />

vortritt, den Kopf emporwirft und mit der Lebendigkeit e<strong>in</strong>er Schlange<br />

dah<strong>in</strong>schlüpft, nachdem sie das Publikum zu ihrem Privatvergnügen<br />

mit ihren immer noch schönen glänzenden Augen e<strong>in</strong>e lange Weile ruhig<br />

betrachtet. Sie lebt <strong>in</strong> ihrem Tanze, und wenn sie e<strong>in</strong>mal angefangen<br />

hat mit den Castagnetten zu rasseln und ihren Oberkörper durchzubiegen,<br />

so wäre, glauben wir, ke<strong>in</strong>e Macht im Stande, sie zurückzuhalten;<br />

jede Muskel, jeder Nerv tanzt mit, und das geht so durch den längsten<br />

Pas, bis sie am Schluß mit e<strong>in</strong>em unnachahmlichen Aplomb feststeht,<br />

lachend die weißen Zähne zeigt und, was die Hauptsache ist, nicht die<br />

KAPITEL 12. MADRID. 35<br />

Spur e<strong>in</strong>er Ermüdung. Sie tanzt im Theatro Lope, wo sich auch die e<strong>in</strong>zige<br />

vorzügliche Schauspielertruppe Madrids bef<strong>in</strong>det. Hier sieht man<br />

die alten vortrefflichen spanischen Lustspiele, die berühmte Palma und<br />

zwei Brüder A., <strong>in</strong> deren Händen sich die ersten Fächer bef<strong>in</strong>den. Die<br />

beiden letztern s<strong>in</strong>d von der König<strong>in</strong> dekorirt, und wenn e<strong>in</strong>er von ihnen<br />

im besternten Frack ersche<strong>in</strong>t, so erkennt man sogleich den Mann,<br />

der es gelernt hat, das Ordenskreuz auf der Brust auch <strong>in</strong> anderer Gesellschaft<br />

zu tragen. Wir sahen hier unter Anderem auch e<strong>in</strong>e Übersetzung<br />

der Dame aux Camélias, namentlich aber ältere Komödien, und die Palma<br />

spricht e<strong>in</strong> wunderbar schönes Spanisch, von so ausdrucksvollem<br />

Spiel begleitet, daß man sie versteht, auch wenn man nur wenige Worte<br />

dieser herrlichen Sprache weiß.<br />

Madrid hat sehr viele und auch schöne Kaffeehäuser, freilich s<strong>in</strong>d die<br />

hiesigen nicht mit dem Luxus ausgestattet, den man <strong>in</strong> Paris und Marseille<br />

f<strong>in</strong>det; doch s<strong>in</strong>d es weite Räume, oft von Säulen getragen, mit<br />

großen Spiegeln, reicher Vergoldung und Marmortischen. Es ist eigenthümlich,<br />

wie sich jeder Stand <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em gewissen Local zusammenf<strong>in</strong>det;<br />

hier sieht man Kaufleute, dort Beamte, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er andern Straße Militär,<br />

auf der Alcalà ist das große Café Suizo, das die Fremden, unter<br />

ihnen viele Deutsche, besuchen, und <strong>in</strong> welches auch wir häufig kamen.<br />

Interessant ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Kaffeehaus <strong>in</strong> der Verlängerung der Straße de<br />

la Montera, wo gewöhnlich nur Gäste s<strong>in</strong>d, die sich zur edlen Kunst der<br />

Stierfechter zählen, kräftige Gestalten mit gebräunten Gesichtern, lebhaften<br />

Augen und vollem Haarwuchs, an dem h<strong>in</strong>ten das kle<strong>in</strong>e Zöpfchen<br />

ersichtlich ist, welches bei der Function zur Befestigung des Haarbeutels<br />

dient. <strong>E<strong>in</strong></strong>es der bedeutenderen Kaffeehäuser bildete im gegenwärtigen<br />

Augenblicke den Aufenthaltsort der M<strong>in</strong>enspekulanten und<br />

war dasselbe jeden Abend überfüllt. Es ist nämlich <strong>in</strong> diesem Augenblick<br />

e<strong>in</strong>e eigene Wuth <strong>in</strong> die Spanier gefahren, überall Gold und Silberm<strong>in</strong>en<br />

entdecken zu wollen, und obgleich das Land <strong>in</strong> der That sehr<br />

reich an edeln Metallen ist, so wird doch oft mit e<strong>in</strong>er unbedeutenden<br />

Grube e<strong>in</strong> großartiger M<strong>in</strong>enschw<strong>in</strong>del getrieben, der auf diese Art viel<br />

edles Metall <strong>in</strong> Umlauf br<strong>in</strong>gt, aber leider nur zur Wanderung von e<strong>in</strong>er<br />

Tasche <strong>in</strong> die andere. Da viele fremde Ingenieure, namentlich Engländer,<br />

von diesen Gesellschaften, deren täglich neue entstehen, das Land berei-

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