Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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130 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Bild von unbeschreiblich malerischer Wirkung. An den Außenwänden<br />
sieht man e<strong>in</strong>e traurige Merkwürdigkeit: eiserne Fesseln nämlich <strong>in</strong> langen<br />
Reihen aufgehängt, welche man den Mauren <strong>in</strong> Granada abgenommen,<br />
und welche sie christlichen Sklaven anzulegen pflegten; es s<strong>in</strong>d<br />
R<strong>in</strong>ge, durch schuhlange dicke Eisenstäbe verbunden, und müssen dem<br />
Ansehen nach von außerordentlicher Schwere se<strong>in</strong>.<br />
Bei der Kirche San Juan beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong> Stadtviertel, welches man <strong>in</strong> dem<br />
eng begränzten Toledo, dessen schmale Gassen und zusammengedrängte<br />
Häuser uns deutlich gezeigt, wie sehr man bemüht war, hier auf dem<br />
Felskegel jeden Schuh breit des kostbaren Raumes gehörig zu benutzen,<br />
nicht vermuthet, leere, öde Stätten nämlich, mit Trümmerhaufen aller<br />
Art bedeckt und von alten Wohnhäusern umgeben, die trotz ihrer Armseligkeit<br />
<strong>in</strong> Bauart und Form so echt maurisch s<strong>in</strong>d, daß man glaubt,<br />
irgendwo <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em syrischen Orte zu se<strong>in</strong>. Ob die Kriege hier ihre verwüstenden<br />
Spuren h<strong>in</strong>terlassen, oder große Feuersbrünste, oder ob hier<br />
e<strong>in</strong> maurischer Herrscher ehemals Gärten und Badanlagen besaß, wer<br />
weiß das? Der weite Platz ist öde und leer, aber trotzdem <strong>in</strong>teressant<br />
und malerisch. Schutthaufen liegen überall umher, deren Geröll sich <strong>in</strong><br />
langen, schrägen L<strong>in</strong>ien bis an den Tajo h<strong>in</strong>unterzieht. Die hellgelben<br />
Gebäude, von denen ich oben sprach, sche<strong>in</strong>en sich wie scheu zurückgezogen<br />
zu haben, um mit ihrem luftigen Aufbau die wüsten Stätten<br />
ängstlich zu betrachten. In diesem Stadtviertel muß sich das Maurenthum<br />
am längsten erhalten haben; heute gehört es zum Judenquartier,<br />
und da wir unserem kundigen Führer folgten, so zeigte er uns <strong>in</strong> jedem<br />
sche<strong>in</strong>bar baufälligen Gebäude, oder h<strong>in</strong>ter jeder Mauer, wo wir<br />
höchstens e<strong>in</strong>e alte Scheuer erwarteten, e<strong>in</strong>ige schöne Denkmäler altarabischen<br />
Glanzes. Nachdem wir an e<strong>in</strong>em derselben angeklopft, öffnet<br />
sich uns e<strong>in</strong> altes, zusammengeflicktes Thor, und wir treten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Hof,<br />
<strong>in</strong> dessen H<strong>in</strong>tergrunde sich e<strong>in</strong> Gebäude erhebt, das schon von Außen<br />
durch se<strong>in</strong>e Form etwas verspricht. Wie s<strong>in</strong>d wir aber überrascht, als<br />
wir nun diesen Raum betreten und die reichen Knäufe auf den achteckigen<br />
Pfeilern sehen, welche die Bogen tragen, die <strong>in</strong> zierlicher Hufeisenform<br />
von e<strong>in</strong>em zum andern gesprengt s<strong>in</strong>d. Die Bogenstellungen<br />
trennen das Gebäude <strong>in</strong> drei Schiffe und tragen noch viele Spuren von<br />
Vergoldung, bunter Malerei und Stukkatur. An den Wänden und Säu-<br />
KAPITEL 15. TOLEDO. 131<br />
lenschäften die zierlichsten Arbeiten <strong>in</strong> glänzenden, alle Farben zeigenden<br />
Fayence-Platten! Leider war <strong>in</strong> diesem Raume arg gehaust worden.<br />
Die Decken s<strong>in</strong>d herabgefallen und die rohen Sparren schauen here<strong>in</strong>.<br />
Die Malereien waren größtentheils zerkratzt und abgeschlagen, und <strong>in</strong><br />
den Ecken lagen ganze Haufen der kostbarsten Azulejos, wo wir uns<br />
für e<strong>in</strong> paar Realen nach Belieben herauslesen durften. Heute heißt dieser<br />
Bau Santa Maria la blanca, und war e<strong>in</strong>st die Hauptsynagoge von<br />
Toledo.<br />
Nahe bei diesem Bauwerke, <strong>in</strong> dem von außen ganz unsche<strong>in</strong>baren<br />
Hause, von welchem ich oben sprach, bef<strong>in</strong>det sich die andere, frühere<br />
jüdische Synagoge, e<strong>in</strong> schöner Raum, ebenfalls im besten maurischen<br />
Styl und dabei vortrefflich erhalten; man erkennt noch deutlich<br />
den prächtigen Plafond mit Boiserieen, mit ihren Vergoldungen <strong>in</strong> herabhängenden<br />
Tropfen wie Eiszapfen und Verste<strong>in</strong>erungen aussehend.<br />
Überhaupt ist diese Decke noch vortrefflich erhalten und von e<strong>in</strong>er wunderschönen<br />
aus dem Achteck entspr<strong>in</strong>genden <strong>E<strong>in</strong></strong>theilung, zierlicher,<br />
sternförmiger Cassaturen, die nach der Mitte ansteigen. In den Ecken<br />
s<strong>in</strong>d noch Überreste der wunderbaren arabischen Bogen, <strong>in</strong> unzähligen<br />
Höhlungen durchbrochen, die ihnen das Ansehen von Bienenzellgeweben<br />
verleihen. Von unten s<strong>in</strong>d die Seitenwände bis auf Mannshöhe noch<br />
mit gut erhaltenen Azulejos bedeckt, an diese schließen sich die zierlichen<br />
Stuckarbeiten an; doch ist leider die frühere Malerei auf denselben<br />
verschwunden, und man sieht deutlich, daß die ganze herrliche Fläche<br />
von Vandalenhänden weiß übertüncht wurde. Auf den beiden kurzen<br />
Seiten des langen Saales bef<strong>in</strong>den sich oben <strong>in</strong> der Höhe kle<strong>in</strong>e Räumlichkeiten,<br />
welche durch die bekannten kunstreichen maurischen Gitter<br />
von dem Saale selbst abgesperrt waren. Diese Gitter s<strong>in</strong>d das Zierlichste,<br />
was man sehen kann, gerade goldene L<strong>in</strong>ien, die sich so unglaublich<br />
verschl<strong>in</strong>gen und umwenden, daß das Auge kaum folgen kann,<br />
und so <strong>in</strong> den Zwischenräumen die zierlichsten Figuren, meistens Achtecke<br />
oder Sternchen, bilden. Hier und da sieht man <strong>in</strong> der Stuckarbeit<br />
noch Spuren von Inschriften, die aber ebenfalls durch weiße Tünche fast<br />
ganz zugedeckt und vertilgt s<strong>in</strong>d. Heute ist diese Kirche dem San Benito<br />
Abad geweiht, und wird geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> el Transito genannt.<br />
Über den öden Platz, <strong>in</strong> welchem die Synagoge liegt, gehen wir aber-