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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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400 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Umrissen schwarz aufsteigenden Felswand von Gibraltar. Alle<strong>in</strong> tröstlich<br />

bei diesem Unwetter und dem trüben Abschiede von <strong>Spanien</strong> war<br />

das Licht des Leuchtthurms am Fuß der Ste<strong>in</strong>wand, das ich lange, lange<br />

durch Nebel und Dunst strahlen sah, uns freundlich nachblickend, wie<br />

e<strong>in</strong> schöner glänzender Stern.<br />

Obgleich ich schon mehrere kle<strong>in</strong>e Überfahrten auf Schraubendampfern<br />

gemacht, so war doch me<strong>in</strong>e jetzige die erste größere Reise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

solchen Fahrzeuge. Von außen hatte die Prov<strong>in</strong>ce d’Oran nicht viel versprochen.<br />

Es war e<strong>in</strong> düsteres, schwarzes, ja ich könnte mit Recht sagen,<br />

schmieriges Fahrzeug, schlank und schmal wie e<strong>in</strong> Klipper gebaut, mit<br />

sehr enger und nichts weniger als comfortabler Kajüte; auch die <strong>E<strong>in</strong></strong>richtung<br />

der Schlafkab<strong>in</strong>ete ließ Manches zu wünschen übrig, sehr viel aber<br />

<strong>in</strong> Betreff von frischer Wäsche. Im Allgeme<strong>in</strong>en haben die Schraubendampfer<br />

e<strong>in</strong>e weit unangenehmere Bewegung als die Ruderdampfer.<br />

Die Schaufelräder, zu beiden Seiten des Schiffes angebracht, stellen hierdurch<br />

gewissermaßen <strong>in</strong> der Bewegung e<strong>in</strong>e Art Gleichgewicht her und<br />

wenn auch bei scharfem W<strong>in</strong>d und Wellen sich e<strong>in</strong> Schaufelboot bäumt<br />

und schraubenförmige Bewegungen macht, so schaukelt es doch nicht<br />

so über alle Maßen auf se<strong>in</strong>em eigenen Kiel wie e<strong>in</strong> Schraubendampfer.<br />

War es doch hier zuweilen <strong>in</strong> der ersten Nacht, als sei die Schraube<br />

unter dem Schiff e<strong>in</strong> Mittelpunkt, um den wir zuweilen ganz herumfliegen<br />

sollten; dazu machte dieselbe mit ihren Drehungen unter dem<br />

Fußboden der Hauptkajüte e<strong>in</strong> ächzendes, polterndes, unausstehliches<br />

Geräusch, wogegen bei anderen Schiffen das Klatschen der Schaufelräder<br />

e<strong>in</strong>e wahre Musik genannt werden könnte. Im Hauptsalon befand<br />

sich außer uns nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Passagier, e<strong>in</strong> französischer Schiffskapitän,<br />

der se<strong>in</strong> Schiff vor nicht langer Zeit bei dem Sturme im Hafen von<br />

Gibraltar verloren hatte, und nun über Oran nach Marseille zurückg<strong>in</strong>g.<br />

Unser eigener Commandeur war e<strong>in</strong> langer, melancholischer Franzose,<br />

der während der heutigen Sturmnacht beständig <strong>in</strong> der Cajüte auf und<br />

ab eilte und dann wieder mit Zirkel und Quadrant über se<strong>in</strong>e Seekarten<br />

gebeugt saß. Er mochte auch se<strong>in</strong>e Ursachen dazu haben, vorsichtig, ja<br />

ängstlich zu se<strong>in</strong>; denn <strong>in</strong> der Nähe der himmelhohen Felswände wurden<br />

wir von den vom Sturme gepeitschten Wogen so h<strong>in</strong> und hergeworfen,<br />

daß Masch<strong>in</strong>e und Steuerruder zuweilen völlig machtlos erschie-<br />

KAPITEL 22. EIN STÜCKCHEN AFRIKA. 401<br />

nen; ja, ich b<strong>in</strong> überzeugt, wenn wir auch zuweilen e<strong>in</strong> paar Seemeilen<br />

vorwärts machten, so drückte uns gleich darauf wieder der wüthende<br />

Ostw<strong>in</strong>d ebensoviel rückwärts; und zweifle nicht, daß unser Kapitän<br />

gern nach Gibraltar zurückgekehrt wäre, doch fürchtete er sich bei der<br />

f<strong>in</strong>stern Nacht, das Schiff zu wenden und den <strong>E<strong>in</strong></strong>gang zur Bai wieder<br />

aufzusuchen. Die Prov<strong>in</strong>ce d’Oran hatte e<strong>in</strong>en großen Fehler, sie war als<br />

Bateau mixte gebaut, also e<strong>in</strong> Schiff, welches ebensogut mit der Masch<strong>in</strong>e<br />

laufen, als unter dem W<strong>in</strong>de segeln kann, und sollte mit Vere<strong>in</strong>igung<br />

dieser beiden Kräfte e<strong>in</strong> ausgezeichneter Läufer se<strong>in</strong>; heute aber, wo wir<br />

W<strong>in</strong>d und Wellen gegen uns hatten, erwies sich die Masch<strong>in</strong>e als viel zu<br />

schwach, so daß wir kaum von der Stelle kamen, und als ich am andern<br />

Morgen bei Tagesanbruch auf das Verdeck h<strong>in</strong>auf stieg, sah ich zu me<strong>in</strong>er<br />

sehr unangenehmen Überraschung den Felsen von Gibraltar wohl<br />

rückwärts von uns liegen, aber trotz Regen und Nebeldunst so deutlich,<br />

daß ich wohl abschätzen konnte, wir seien noch nicht viele Seemeilen<br />

von ihm entfernt.<br />

Es war e<strong>in</strong> trostloser, garstiger, grauer Morgen; W<strong>in</strong>d und Regen pfiff<br />

und sauste durch’s Takelwerk, die See war schmutzig gelb und kam uns<br />

rollend und schaumspritzend <strong>in</strong> gewaltigen Wogenketten entgegen. Obgleich<br />

wir jetzt mit voller Kraft fuhren, so kamen wir doch nur langsam<br />

vorwärts; ja zuweilen schien das Schiff ganz still zu stehen unter dem<br />

wüthenden Anprallen der Wellen und <strong>in</strong> solchen Augenblicken erzitterte<br />

das ganze Gebäude, wie vor Angst und plötzlichem Schreck. Sowohl<br />

unser eigener, als auch der fremde Kapitän und nicht m<strong>in</strong>der wir Passagiere<br />

waren froh, wenigstens die Nacht h<strong>in</strong>ter uns zu haben. Man kann<br />

Schiffbruch leiden und doch mit heiler Haut davon kommen, wie es mir<br />

vor Jahren im Meer von Marmora geschehen; aber an diese Felsenküsten<br />

geworfen zu werden, ist für Mannschaft und Schiff der sichere, unvermeidliche<br />

Untergang.<br />

Unser Dampfer war schwer mit Kaufmannsgütern beladen, hatte aber<br />

auch <strong>in</strong> der Vorkajüte wenig Passagiere. Hier befand sich u. A. e<strong>in</strong>e<br />

maurische Familie aus Oran, Vater, Mutter mit vier K<strong>in</strong>dern, armen,<br />

geduldigen Wesen, die bei verschlossener Lucke die Nacht ohne Betten<br />

zugebracht hatten und sich nun freuten, als das Tageslicht zu ihnen<br />

here<strong>in</strong>drang. Namentlich die armen K<strong>in</strong>der mit dem gelben, wachsblei-

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