Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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162 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
beständig staffelförmig abfällt. So befanden wir uns hier auf dem Plateau,<br />
welches vom Fuß der Montes de Toledo bis nach der Sierra Morena<br />
reicht, welche auf dieser Seite nur e<strong>in</strong>ige hundert Fuß hoch emporsteigt,<br />
um nach Andalusien h<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e neue Terrasse von eben so viel tausend<br />
Fuß bis <strong>in</strong> die Ebene von Baylen und Jaen niederzureichen. Durch die<br />
ger<strong>in</strong>ge Höhe der Sierra Morena gegen Norden kommt es denn auch,<br />
daß sie von niederen, unbedeutenderen Bergketten so lange verdeckt<br />
wird. So sahen wir dieses Gebirge heute Morgen, <strong>in</strong> der Ebene reitend,<br />
wieder nicht mehr, dagegen war e<strong>in</strong> anderer Gebirgszug am Horizonte<br />
aufgetaucht, e<strong>in</strong> Seitenläufer der Sierra de Alcaras, welcher östlich allerd<strong>in</strong>gs<br />
mit der Sierra Morena zusammenzuhängen sche<strong>in</strong>t. Auch die<br />
bläuliche Wand dieser Bergkette hatte so die eigenthümlichen und malerischen<br />
Zackenformen, welche man so häufig bei den spanischen Bergen<br />
antrifft, und woher auch wohl der Name Sierra – Säge für Gebirge<br />
im Allgeme<strong>in</strong>en kommen mag, sowie auch der öfters wiederkehrende<br />
Ausdruck für Pässe und Schluchten dientes, Zähne, wie die dientes de la<br />
vieja zwischen Sevilla und Antequera und Granada und Guadiz. Wenn<br />
man hier <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> von e<strong>in</strong>er Ebene spricht, so muß man sich ke<strong>in</strong>e Flächen<br />
darunter vorstellen, sondern das Terra<strong>in</strong> ist wellenförmig, <strong>in</strong>dem<br />
sich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Hügel an den andern reiht, woher es denn auch kommt,<br />
daß der Weg jetzt auf- und abwärts, jetzt rechts und l<strong>in</strong>ks läuft.<br />
Die Vegetation hatte sich schon bedeutend verändert, Haide, G<strong>in</strong>ster<br />
und niedere Buxbaumsträucher waren gänzlich verschwunden, und dafür<br />
sahen wir häufig Gruppen von ziemlich großen Ste<strong>in</strong>eichen und <strong>in</strong><br />
der Nähe der Flußbette Eschen, Erlen und Pappeln, auch bemerkten wir<br />
<strong>in</strong> geschützten Lagen wieder bessere Olivenbäume; überhaupt schien<br />
die Gegend hier sorgfältig angebaut zu se<strong>in</strong>. <strong>E<strong>in</strong></strong> paar Stunden nach unserem<br />
Austritt erreichten wir die weitläufigen Gebäude e<strong>in</strong>es ehemaligen<br />
Klosters, welche jetzt zu landwirtschaftlichen Zwecken benützt<br />
wurden und auch e<strong>in</strong>e Posada enthielten. Wie die Lage der meisten<br />
Klöster, die ich noch gesehen, war auch diese sorgfältig gewählt und<br />
hatte man dazu e<strong>in</strong>en höheren Hügel ausgesucht, der die Umgegend<br />
beherrschte und dessen Fuß von e<strong>in</strong>em ziemlich ausgedehnten Teiche<br />
bespült wurde; r<strong>in</strong>gs umher lagen Fruchtfelder und schöne grüne Wiesen.<br />
KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 163<br />
Felipe schien nicht Lust zu haben, sich bei der Posada aufzuhalten,<br />
denn, sagte er, heute hätten wir an guten Wirthshäusern und Dörfern<br />
die Auswahl. Doch betrog ihn auch heute wieder e<strong>in</strong> tückischer Zufall;<br />
wohl passirten wir e<strong>in</strong> paar hübsche, re<strong>in</strong>liche Dörfer, wo Felipe nicht<br />
anhalten wollte, weil se<strong>in</strong> S<strong>in</strong>n auf e<strong>in</strong> zweites Kloster gerichtet war,<br />
das wir um Mittag erreichen sollten. Endlich sahen wir auch die Kirche<br />
desselben und daneben stattliche Gebäude, die etwas versprachen; als<br />
wir aber an das große Thor kamen, öffnete sich erst nach langem Pochen<br />
e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Thürchen <strong>in</strong> demselben, und e<strong>in</strong>e alte Frau, die an der<br />
Spalte erschien, gab uns den untröstlichen Bescheid, die Venta sei vor<br />
e<strong>in</strong>iger Zeit geschlossen worden und sie dürfe niemand <strong>in</strong> die Gebäude<br />
lassen. Glücklicherweise hatten wir, wie auch gestern, e<strong>in</strong>igen Mundvorrath<br />
mitgenommen, weßhalb es uns auch gar nicht e<strong>in</strong>gefallen wäre,<br />
e<strong>in</strong> Obdach aufzusuchen, wenn sich nicht gegen zehn Uhr e<strong>in</strong> so scharfer<br />
und kalter W<strong>in</strong>d erhoben hätte, daß wir uns trotz <strong>Spanien</strong> und allen<br />
Frühl<strong>in</strong>gsbotschaften, nach e<strong>in</strong>em flackernden Feuer sehnten. Felipe<br />
ließ übrigens ke<strong>in</strong> Wort der Klage hören, er zuckte leicht mit den Achseln,<br />
und wir hatten bald <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kel der hohen Mauer, welche den<br />
Klostergarten umgab, e<strong>in</strong> w<strong>in</strong>dstilles Plätzchen gefunden.<br />
Nach glücklich beendetem Frühstück, an welchem auch unsere Thiere<br />
theilgenommen, zäumten wir diese wieder auf, zogen die Sattelgurte<br />
fester und ritten von dannen. Bald nachher kamen wir durch das seichte<br />
Flußbett des Guadiana, der, wie die meisten kle<strong>in</strong>eren Flüsse <strong>Spanien</strong>s,<br />
um diese Zeit sehr wenig Wasser enthielt, doch sahen wir an breiten<br />
Sandstreifen auf se<strong>in</strong>en beiden Ufern, die mit Ste<strong>in</strong>geröll bedeckt<br />
waren, daß der Fluß auch zeitweise anders aussehen müsse. Und dieß<br />
ist auch der Fall, namentlich im Frühjahr nach heftigen Regengüssen,<br />
wo er oft <strong>in</strong> vierundzwanzig Stunden anschwillt und reißend durch die<br />
Ebene schäumt. Für solche Fälle f<strong>in</strong>det man denn wohl an den Hauptstraßen<br />
lange ste<strong>in</strong>erne Brücken aus alter Zeit, von denen aber die meisten<br />
untauglich s<strong>in</strong>d, da die wilden Wasser e<strong>in</strong>stens Pfeiler und Bögen<br />
weggerissen, an deren Wiederherstellung hier natürlich ke<strong>in</strong> Mensch<br />
denkt. Diese Nachlässigkeit ist unbegreiflich, namentlich da es an dem<br />
herrlichsten Baumaterial nicht fehlt. Die gleiche Sorglosigkeit herrscht<br />
ja aber auch bei den Straßen selbst. Wie oft ritten wir stundenlang durch