Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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224 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
haupt nichts mehr denken werde. Alle Mühseligkeiten der Reise, die<br />
wir bis jetzt erduldet, erschienen uns niedagewesen und tausendfach<br />
belohnt. Wer ja, wie wir schon <strong>in</strong> alten Mährchen lasen, das kostbarste<br />
Zauberschloß gew<strong>in</strong>nen wollte, oder die Hand der wunderschönen<br />
Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>, der mußte durch Wüsten und <strong>E<strong>in</strong></strong>öden ziehen, mußte sich<br />
mit Drachen und Riesen herumschlagen. Ja, <strong>in</strong> allen unsern kle<strong>in</strong>en Leiden<br />
war uns der Gedanke an Granada stets wie e<strong>in</strong> Stern <strong>in</strong> dunkler<br />
Nacht, und mehr als <strong>E<strong>in</strong></strong>mal citirte ich <strong>in</strong> den dürren Flächen der Mancha<br />
und den wilden Toledaner Bergen me<strong>in</strong>em Reisegefährten die Worte<br />
Freiligrath’s:<br />
Und düster durch versengte Halme<br />
Wall’ ich der Wüste dürren Pfad. –<br />
Wächst <strong>in</strong> der Wüste nicht die Palme?<br />
So hatten wir also die Palme errungen und Granada erreicht, und als<br />
wir auf den Balcon vor unserm Fenster <strong>in</strong> dem kle<strong>in</strong>en Gasthof der Fonda<br />
nueva traten, sahen wir vor uns auf dem Berge den schönen Traum<br />
aus der Jugendzeit mit <strong>E<strong>in</strong></strong>em Male verkörpert vor uns stehen, las torres<br />
bermejas, die rothen Thürme der Alhambra.<br />
In Madrid hatte man uns die Fonda M<strong>in</strong>erva zur Wohnung vorgeschlagen;<br />
als wir uns aber von dem Eilwagen dorth<strong>in</strong> begaben, war das<br />
Haus öde und leer, vor der Thür empf<strong>in</strong>g uns weder Wirth noch Kellner,<br />
sondern e<strong>in</strong> paar Maurerbursche mit Hammer und Kelle, welche<br />
uns anzeigten, der Gasthof sei auf e<strong>in</strong>e Zeitlang geschlossen, weil e<strong>in</strong><br />
neuer Eigenthümer im Begriff sei, ihn gänzlich umzubauen; zugleich<br />
aber erbot sich e<strong>in</strong>er dieser Arbeiter, uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en nahe liegenden andern<br />
Gasthof zu führen, wo wir uns recht gut bef<strong>in</strong>den würden. Da er<br />
hier<strong>in</strong> Recht hatte, so kann ich nicht umh<strong>in</strong>, die Fonda nueva allen künftigen<br />
Reisenden bestens zu empfehlen. Sie liegt auf dem Plaza del Lobo;<br />
dieser stößt an die breiteste Straße von Granada, die Carrera del Darro,<br />
von wo wir wenige Schritte zur Alameda vieja haben. Die Straße hat ihren<br />
Namen daher, weil der Darro mitten durch sie h<strong>in</strong>durchfließt, der<br />
hier von mehreren kle<strong>in</strong>en Brücken überwölbt ist. Gegenüber unsern<br />
Fenstern erhob sich e<strong>in</strong> eigenthümlicher alter Palast im ausgeartetsten<br />
KAPITEL 18. GRANADA. 225<br />
Rococogeschmack mit wunderlichen Bildhauerverzierungen und seltsam<br />
gewundenen Säulen, wie man sie sonst nirgends bei Bauwerken<br />
aus jener Zeit wohl f<strong>in</strong>den kann; das Dach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenthümlich ausgeschweiften<br />
Form und se<strong>in</strong>en sonderbaren Umrissen er<strong>in</strong>nerte mich<br />
lebhaft an neuere Gebäude <strong>in</strong> Constant<strong>in</strong>opel, namentlich die tief herabreichende<br />
Bedachung an e<strong>in</strong>en kostbaren alten Brunnen <strong>in</strong> Topchana.<br />
Dieser Palast hier <strong>in</strong> Granada heißt sonderbarer Weise das Haus des Veziers,<br />
dient aber jetzt zu e<strong>in</strong>er Kaserne.<br />
Unser Gasthof befand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neugebauten Hause; <strong>in</strong> den untern<br />
Räumen war e<strong>in</strong> Café, was für uns leider den Übelstand hatte, daß<br />
wir den ganzen Tag bis <strong>in</strong> die späte Nacht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> die unaufhörlichen<br />
Dudeleien e<strong>in</strong>es Klavierspielers mit anhören mußten, e<strong>in</strong>es unglücklichen<br />
Musikanten, der dort zum Vergnügen der Gäste fort und fort auf<br />
se<strong>in</strong>em Instrumente taglöhnerte. Ich habe dieser leidigen Zuthat zu vielen<br />
spanischen Kaffeehäusern schon <strong>in</strong> Madrid erwähnt; hier aber hätte<br />
der Gasthofbesitzer billigerweise etwas mehr Rücksicht auf se<strong>in</strong>e Gäste<br />
nehmen sollen. Im Übrigen war an den Zimmere<strong>in</strong>richtungen, an<br />
der Küche und den Preisen nichts zu tadeln; Frühstück und D<strong>in</strong>er wurden<br />
annähernd auf englische Weise servirt. Noch am Tage unserer Ankunft<br />
meldete sich e<strong>in</strong> Führer zur Alhambra und den übrigen <strong>in</strong>teressanten<br />
Punkten Granada’s, e<strong>in</strong> hübscher und lustiger Mensch, gebildet<br />
und von unerschöpflicher Laune, den ich empfehlend erwähnen muß.<br />
Er hieß ben Saken, e<strong>in</strong> Name, der fast arabisch kl<strong>in</strong>gt, und war der jüngere<br />
zweier Brüder von gleichem Beruf. Zur Ankunft hatten wir gut d<strong>in</strong>irt<br />
und schliefen vortrefflich, obgleich <strong>in</strong> gespannter Erwartung der wunderbaren<br />
D<strong>in</strong>ge, die wir morgen sehen sollten. War mir doch <strong>in</strong> der That<br />
zu Muth, wie <strong>in</strong> den Tagen me<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit vor dem Weihnachtsabend,<br />
wo wir e<strong>in</strong>e herrliche Bescheerung erwarteten, von deren Schätzen wir<br />
nichts ganz Gewisses wußten, und uns nur ahnungsvoll er<strong>in</strong>nerten, daß<br />
wir allerlei prächtige Sachen <strong>in</strong> bunten Farben schillernd durch die geöffnete<br />
Thür erblickt.<br />
Am andern Tage betraten wir schon <strong>in</strong> der Frühe die Gassen Granada’s,<br />
durch welche wir e<strong>in</strong>en Spaziergang machten und dann erst zur<br />
Alhambra h<strong>in</strong>aufstiegen. Hätten wir nicht dieses Ziel im Herzen gehabt<br />
oder wäre Granada die erste spanische Stadt mit maurischen Überre-