Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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158 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Wir hatten gehofft, von droben an immer abwärts steigend unser<br />
Quartier zu erreichen, sahen uns aber getäuscht, denn als wir im Thale<br />
ankamen, bemerkten wir e<strong>in</strong>e neue Hügelkette, die quer vor uns lagerte<br />
und noch überschritten werden mußte. Diese sei aber auch die letzte,<br />
behauptete Felipe. Da der Boden aus weichem Sande bestand, so me<strong>in</strong>te<br />
er, wir sollten zu guter Letzt noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Wettrennen halten, worauf<br />
er alsbald mit se<strong>in</strong>em fl<strong>in</strong>ken Maulthier im Galopp vorang<strong>in</strong>g und<br />
wir ihm so gut als möglich folgten. Auf der Höhe angekommen, sahen<br />
wir denn auch die weite Ebene dicht vor uns und auf wenige Schritte<br />
das Dorf Fuente el Fresno – unser heutiges Nachtquartier. Mir schien es<br />
weniger groß als unser gestriges, aus e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Straße bestehend,<br />
die am Abhange der letzten Hügelkette h<strong>in</strong>lief und größtentheils nur<br />
e<strong>in</strong>e Reihe Häuser hatte. <strong>E<strong>in</strong></strong>e kle<strong>in</strong>e Kapelle zeigte e<strong>in</strong> unbedeutendes<br />
Thürmchen.<br />
Unser heutiger Wirth war der Alcalde des Orts, Don Jose Maria Arritajo,<br />
e<strong>in</strong> freundlicher Mann <strong>in</strong> brauner Capa, der uns am Thore se<strong>in</strong>es<br />
Hauses recht herablassend empf<strong>in</strong>g, ja mir vielleicht sogar den Steigbügel<br />
gehalten hätte, wenn ihm nicht e<strong>in</strong> herumlungernder junger Bursche<br />
bei diesem Liebesdienst zuvorgekommen wäre. Die Posada, welche<br />
der Herr Alcalde hielt, war <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em viel kle<strong>in</strong>eren Maßstabe als unsere<br />
gestrige, die weite Halle fehlte und die Küche nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Gemach<br />
neben dem Thorweg, natürlich mit hochloderndem Feuer, um welches<br />
schon e<strong>in</strong>e Menge Eseltreiber und anderer Gesellen es sich bequem gemacht<br />
hatten. <strong>E<strong>in</strong></strong> paar hübsche zerlumpte Kerle, denen man bei uns<br />
mit Schrecken begegnet wäre, lachten uns freundlich entgegen, <strong>in</strong>dem<br />
sie sich freuten, uns wieder zu sehen. Es waren von jenen Reitern zu<br />
Esel, die heute Morgen den Zorn Felipe’s rege gemacht und die es auch<br />
jetzt nicht unterließen, ihn tüchtig zu necken daß er mit se<strong>in</strong>em langbe<strong>in</strong>igen<br />
Maulthier zurückgeblieben sei. Horschelt zeichnete den hübschesten<br />
dieser Bursche, worüber sich Alle wie die K<strong>in</strong>der freuten und<br />
das ganze Haus herbeilief, um das Bild Christovals – so hieß der junge<br />
Eseltreiber – zu sehen. Daß hierauf Alle gezeichnet se<strong>in</strong> wollten, versteht<br />
sich von selbst. Der Maler kam nicht eher zur Ruhe, bis er auch<br />
den Alcalden, als den Würdigsten, mit e<strong>in</strong>igen Strichen skizzirt.<br />
Während dieß dr<strong>in</strong>nen vor sich g<strong>in</strong>g, besprach ich mich draußen mit<br />
KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 159<br />
der Wirth<strong>in</strong> über unser D<strong>in</strong>er, dessen Hauptbestandtheil aus Tauben mit<br />
Reis bestehen sollte, und trat dann unter das Hofthor, um mich <strong>in</strong> der<br />
Straße umzusehen. Seitwärts vom Hause standen fünf oder sechs sehr<br />
zerlumpte Arriero’s, die heftig zusammen stritten, aber plötzlich aufhörten,<br />
als sie me<strong>in</strong>er ansichtig wurden, ihre Hüte abzogen, auf mich<br />
zutraten, worauf der älteste begann, mit außerordentlicher Beredtsamkeit<br />
e<strong>in</strong>e Menge Worte an mich h<strong>in</strong>zusprechen, von denen ich Alcazar<br />
de San Juan, von dem sie her kämen, und Senor Alcalde verstand, womit<br />
sie mich anzureden schienen. Wahrsche<strong>in</strong>lich hatte mir nur me<strong>in</strong> andalusisches<br />
Costüm <strong>in</strong> ihren Augen zu dieser Würde verholfen, denn als<br />
ich ihnen achselzuckend e<strong>in</strong> paar Worte ihrer schönen Sprache, wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
schauerlich genug, entgegnete, prallten sie lachend zurück<br />
und wandten sich von mir. <strong>E<strong>in</strong></strong> Mädchen, welches mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>de auf<br />
dem Schooß an der benachbarten Hausthüre saß, erklärte ihnen mit lustiger<br />
Miene, ich sei e<strong>in</strong> Fremder, der eben e<strong>in</strong>geritten, Senor Alcalde<br />
aber wohne im Nebenhause und sie möchten nur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehen. Das thaten<br />
sie denn auch, natürlich mit abgezogenen Hüten, und ich g<strong>in</strong>g h<strong>in</strong>ter<br />
ihnen dre<strong>in</strong>, um die Audienz mit anzusehen, welche ihnen der Ortsvorsteher<br />
<strong>in</strong> der Kam<strong>in</strong>ecke sitzend augenblicklich ertheilte. Es war komisch,<br />
wie er dabei trachtete, se<strong>in</strong>e Stellung und das ernste, würdevolle<br />
Gesicht beizubehalten, mit dem er dem Maler sitzen zu müssen geglaubt.<br />
Worüber der Streit gehandelt, kann ich nicht angeben, doch wurde<br />
er baldigst geschlichtet, und beide Parteien schienen ziemlich befriedigt<br />
das Haus zu verlassen.<br />
H<strong>in</strong>ter der Küche wurde uns e<strong>in</strong>e Schlafkammer e<strong>in</strong>geräumt, die sehr<br />
e<strong>in</strong>fach und ländlich war, neben dem Lager, das man für uns hergerichtet,<br />
führte e<strong>in</strong>e Leiter auf den offenen Söller des Hauses, und im H<strong>in</strong>tergrunde<br />
des Gemachs befand sich e<strong>in</strong>e weite, unverschließbare Öffnung,<br />
die <strong>in</strong> den Raum g<strong>in</strong>g, wo die Maulthiere und Esel standen. Dabei war<br />
der Strohsack me<strong>in</strong>es Bettes so offenherzig, daß e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er hungriger<br />
Esel mit dem Maul <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Innern wühlte, Halm um Halm hervorzog<br />
und <strong>in</strong> stiller Betrachtung verspeiste, bis ich ihm ernstlich wehrte.<br />
Unser Mittag- oder Nachtessen wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Gange aufgetragen,<br />
bestehend aus e<strong>in</strong>er großen Schüssel voll Reis und gekochter<br />
Tauben, und war mit e<strong>in</strong>em solchen Aufwand von spanischem Pfeffer