Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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286 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
die Vega von Granada hatten wir gleich h<strong>in</strong>ter der Berghöhe verloren<br />
und um den Contrast recht fühlbar zu machen, umgab uns jetzt e<strong>in</strong>e<br />
wilde Felsgegend mit der dürftigsten Vegetation. <strong>E<strong>in</strong></strong>ige magere Buxbaumsträuche<br />
standen hie und da und wir ritten abwechselnd auf Sand<br />
und rauhem Geste<strong>in</strong>. Zuweilen sahen wir etwas wie e<strong>in</strong>e Straße, auch<br />
Fahrgeleise <strong>in</strong> derselben, doch lief sie meistens so steil auf und ab und<br />
war so holperig, daß man nicht begreifen konnte, wie sich e<strong>in</strong> Fuhrwerk<br />
hieher verirren möge. Unbegreiflich bleibt es freilich, daß von irgend e<strong>in</strong>er<br />
Wagenverb<strong>in</strong>dung zwischen Granada und Cordova, zwei Städten,<br />
die zusammen m<strong>in</strong>destens 100,000 <strong>E<strong>in</strong></strong>wohner haben, nicht die Rede ist.<br />
Natürlich müßte, um e<strong>in</strong>e Diligence befördern zu können, erst e<strong>in</strong>e Straße<br />
gebaut werden, und davon ist, wie schon bemerkt, ke<strong>in</strong>e Rede. Geleise,<br />
die wir zuweilen <strong>in</strong> Sand e<strong>in</strong>geschnitten sahen, führten vielleicht<br />
von irgend e<strong>in</strong>em alle<strong>in</strong>stehenden Hause urbar gemachten Feldern oder<br />
nach dürrem Strauchwerk, hier Wald genannt, um das Holz zu holen.<br />
Die Wagenverb<strong>in</strong>dung zwischen Granada, Cordova, Sevilla u. s. w.<br />
geht über Jaen und erreicht bei Baylen die große Straße von Madrid nach<br />
Sevilla. Auf dem direkten Weg zwischen Granada und Cordova, den wir<br />
jetzt zogen, gibt es nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en ordentlichen Pfad für die Reitthiere<br />
und Jeder sucht sich den besten Weg nach se<strong>in</strong>em Belieben aus; der<br />
Begegnenden s<strong>in</strong>d auch hier sehr wenige, vielleicht e<strong>in</strong> Mann zu Esel,<br />
der <strong>in</strong> der Nachbarschaft e<strong>in</strong> Geschäft hat, oder e<strong>in</strong> paar Leute, die mit<br />
Hacke und Art aufs Feld und <strong>in</strong> den Wald ziehen, höchst selten irgend<br />
e<strong>in</strong> Corsar aus Cordova, der mit se<strong>in</strong>en Maulthieren e<strong>in</strong>e Ladung Waaren<br />
nach Granada gebracht oder von dort geholt. <strong>E<strong>in</strong></strong> Grund mit für die<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit dieses Weges mag wohl dar<strong>in</strong> liegen, daß die Gebirge zwischen<br />
Granada und Cordova von jeher zu den verrufensten von ganz<br />
<strong>Spanien</strong> gehörten. Hier trieb der bekannte und berüchtigte Jose Maria,<br />
e<strong>in</strong>er der renommirtesten Räuber se<strong>in</strong> Wesen; wenigstens hatte er <strong>in</strong> diesen<br />
unwegsamen <strong>E<strong>in</strong></strong>öden se<strong>in</strong> Hauptquartier, von wo er die große Straße<br />
nach Andalusien und die Ebene von Granada unsicher machte und<br />
woh<strong>in</strong> er sich zurückzog, wenn er von den Truppen Ferd<strong>in</strong>ands VII.<br />
angegriffen wurde. Auch behauptete er sich Jahrelang gegen dieselben,<br />
wurde auch niemals bezwungen, sondern machte später se<strong>in</strong>e förmliche<br />
Kapitulation mit der Regierung, die ihm nicht nur völlige Straflosigkeit<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 287<br />
zusicherte, sondern sogar e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>trägliche Anstellung gab. Se<strong>in</strong>e Gesellen<br />
wurden ebenfalls amnestirt und zu ehrbaren Sal<strong>in</strong>enwächtern, Förstern<br />
und Feldschützen gemacht, welche <strong>in</strong>dessen das alte Handwerk<br />
nur mit dem Unterschied forttrieben, daß sie am Wege herumlungernd<br />
die vorübergehenden Reisenden nicht nur überfielen, sondern sie mit<br />
vorgehaltenem weitschlündigem Trabuco um e<strong>in</strong> Almosen baten.<br />
Da wir gerade bergan zogen auf e<strong>in</strong>em Pfade, der so mit Rollste<strong>in</strong>en<br />
bedeckt war, daß die Pferde ke<strong>in</strong>en sichern Tritt hatten, so ritten<br />
wir langsam und befragten unsern Hombre valiente über die Thaten des<br />
großen Jose Maria. Nun hat aber e<strong>in</strong> ächter Andalusier von dem Schlage<br />
Alonzo’s nur dreierlei im Kopfe, das s<strong>in</strong>d: schöne Mädchen, Stiergefechte<br />
und Räubergeschichten. In letzteren war nun unser Führer außerordentlich<br />
zu Hause, und schien <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Jugend die Geschichte der berühmten<br />
Räuberchefs ungefähr so auswendig gelernt zu haben, wie wir<br />
<strong>in</strong> der Schule das Leben der berühmten Generale aus den Befreiungskriegen.<br />
Der Hombre tigre setzte sich quer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Sattel, schielte nach<br />
der Bota, die auf dem Maulthier h<strong>in</strong>g, und <strong>in</strong> welcher unser We<strong>in</strong> bef<strong>in</strong>dlich<br />
war, nachdem wir ihm die Erlaubniß zu e<strong>in</strong>em tüchtigen Schlucke<br />
gegeben, von der er gründlichen Gebrauch machte, drehte er sich e<strong>in</strong>e<br />
Papiercigarre und gab uns e<strong>in</strong>e Menge Räubergeschichten zum Besten.<br />
Übrigens war Jose Maria nicht se<strong>in</strong> Mann. Er war zu grausam, sagte er<br />
und brauchte se<strong>in</strong>e Navaja ohne daß es immer gerade nothwendig war;<br />
auch mochte er die Weiber nicht leiden und das ist <strong>in</strong> den Augen e<strong>in</strong>es<br />
Spaniers e<strong>in</strong> großes Verbrechen. Der Liebl<strong>in</strong>g Alonzo’s war dagegen<br />
ke<strong>in</strong> anderer Räuberchef der damaligen Zeit, der zwischen Valencia und<br />
Orihuela, namentlich <strong>in</strong> den Gebirgen bei Elche se<strong>in</strong> Wesen trieb, Jayme<br />
Alfonso der Bärtige, mit dem langen, vollen Barte, der ihm bis zum Gürtel<br />
herabreichte. El Barbudo ist überhaupt e<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>g des niederen spanischen<br />
Volkes, e<strong>in</strong> zweiter R<strong>in</strong>aldo R<strong>in</strong>ald<strong>in</strong>i. Wie gesagt, unser Führer<br />
schwärmte für ihn und wußte die merkwürdigsten se<strong>in</strong>er Thaten. Der<br />
Barbudo g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Majotracht, das Haar nach Art der Stierfechter h<strong>in</strong>ten<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Netz von grüner Seide tragend; natürlicherweise war er<br />
e<strong>in</strong> Mann von ungeheurer Kraft und trieb das Räuberhandwerk auf e<strong>in</strong>e<br />
sehr noble und anständige Art. Er legte den Kaufleuten, die ihre Waaren<br />
mittelst Galeeren und Corsaren über Land schafften, e<strong>in</strong>en gewissen