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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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402 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

chen Te<strong>in</strong>t und großen, wunderschönen Augen blickten verwundert um<br />

sich und krochen zuweilen die Treppe h<strong>in</strong>auf, um sich das Meer anzuschauen.<br />

Anfänglich waren sie scheu, wie Rehe, und wenn sich <strong>E<strong>in</strong></strong>er<br />

von uns blicken ließ, so flohen sie behende <strong>in</strong> ihren Verschlag zurück;<br />

nach und nach aber wurden sie zutraulicher und nahmen Zwieback,<br />

Orangen und Zucker aus unsern Händen. So schmierig das Bettzeug<br />

auf diesem unangenehmen Schiffe war, ebenso unsauber waren auch<br />

Tischgeräth und Servietten; und um dieß mit der Küche <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>klang zu<br />

br<strong>in</strong>gen, war diese so ärmlich und schlecht, wie ich sie weder bei e<strong>in</strong>er<br />

Fluß- noch Seefahrt nie erlebt. Unser f<strong>in</strong>sterer Kapitän, der überhaupt<br />

e<strong>in</strong> merkwürdiger Herr war, schien gar ke<strong>in</strong>e frischen Vorräthe an Bord<br />

zu haben, und so lebten wir von Kartoffeln, Erbsen, Bohnen und Rauchfleisch,<br />

allerd<strong>in</strong>gs auf gut seemännisch, aber nicht gemäß dem vielen<br />

Gelde, welches uns der Agent <strong>in</strong> Gibraltar für e<strong>in</strong>e gute Verköstigung<br />

abgenommen. Das e<strong>in</strong>zige vergnügte Gesicht an Bord war aber unser<br />

schmutziger Kellner und dieser arme Teufel hatte gewiß die wenigste<br />

Ursache dazu, denn er mußte beim heftigsten Schaukeln des Schiffes<br />

den Tisch unten decken und durch W<strong>in</strong>d und Regen das Essen aus der<br />

Küche über’s Verdeck tragen. Doch behielt er immer dabei se<strong>in</strong> gr<strong>in</strong>send<br />

lächelndes Gesicht und dieß verließ ihn sogar nicht, als er e<strong>in</strong>mal<br />

mit der ganzen Suppenschüssel droben ausrutschte und auf das nasse<br />

Verdeck h<strong>in</strong>fiel.<br />

<strong>E<strong>in</strong></strong> guter Dampfer braucht von Gibraltar nach Oran sechsunddreißig<br />

Stunden, wir aber drei Nächte und zwei und e<strong>in</strong>en halben Tag und das<br />

unter beständigem Sturmw<strong>in</strong>d und Regen bei immer magerer werdender<br />

Ration. Endlich am dritten Tag <strong>in</strong> der Frühe sahen wir die fe<strong>in</strong>gezackte,<br />

hier grün bewachsene Küste Afrika’s vor uns und erreichten um<br />

Mittag Mers el Kebir, den Hafen von Oran. In jeder Beziehung waren<br />

wir sehr erfreut, unser ungastliches Schiff verlassen zu dürfen, mußten<br />

aber, ehe wir zur Stadt Oran h<strong>in</strong>auffahren durften, noch e<strong>in</strong>e sehr unangenehme,<br />

ja höchst unverschämte Mauthvisitation durchmachen. So<br />

empörend roh, wie hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er französischen Kolonie b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em<br />

ganzen Leben nicht behandelt worden. Nicht genug, daß man unsere<br />

Koffer und Nachtsäcke bis auf den Grund durchwühlte, wollte sich<br />

auch e<strong>in</strong> Kerl <strong>in</strong> blauer Blouse das Vergnügen machen, die Taschen un-<br />

KAPITEL 22. EIN STÜCKCHEN AFRIKA. 403<br />

serer Kleider zu untersuchen. Da ich aber ohnedieß ziemlich schlecht<br />

gelaunt war, so stieß ich ihn unter e<strong>in</strong>em kräftigen Worte von mir, wobei<br />

ich ausrief: wenn e<strong>in</strong>mal hier die Be- stimmung gelte, Reisende auf<br />

so unverschämte Art zu durchsuchen, so müsse ich mir das gefallen lassen,<br />

aber nur von e<strong>in</strong>em Angestellten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dienstuniform; von jedem<br />

hergelaufenen Kerl aber <strong>in</strong> schmieriger Blouse lasse ich mich nicht<br />

anrühren. Das wirkte und man ließ uns unseres Weges ziehen.<br />

Von Mers el Kebir nach Oran braucht man vielleicht drei Viertelstunden<br />

und fährt auf e<strong>in</strong>er breiten, vortrefflich unterhaltenen Chaussee <strong>in</strong><br />

guten Droschken, die sich bei Ankunft e<strong>in</strong>es Schiffes zahlreich am Meere<br />

e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den. Die Straße w<strong>in</strong>det sich malerisch längere Zeit <strong>in</strong> großen<br />

Bogen um die weite Seebucht herum und ist beim <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt <strong>in</strong> die Stadt<br />

durch e<strong>in</strong> von den Franzosen erbautes starkes Werk geschlossen. Die<br />

umliegenden Höhen zeigen e<strong>in</strong> Paar alte verfallene, maurische Forts,<br />

die jetzigen Vertheidigungsl<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d alle neu, trefflich gebaut und mit<br />

starken Erdwerken umgeben. Als die Franzosen im Jahr 1830 Oran besetzten,<br />

lag die ganze untere Stadt <strong>in</strong> Trümmern und wurde von den<br />

Eroberern neu aufgebaut, woher es kommt, daß der größte Theil von<br />

Oran vollständig das Ansehen e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en französischen Hafenstadt<br />

hat. Man hat beim <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt <strong>in</strong> dieselbe ke<strong>in</strong>e Idee, daß man sich an der<br />

afrikanischen Küste bef<strong>in</strong>det; die Straßen s<strong>in</strong>d gut gepflastert oder makadamisirt<br />

und auf ihnen sieht man neben zahlreichem französischem<br />

Militär nur den europäischen Paletot und runden Hut. Selten läßt sich <strong>in</strong><br />

diesem Stadtviertel e<strong>in</strong> Maure sehen, oder schleicht e<strong>in</strong> Bedu<strong>in</strong>e durch<br />

e<strong>in</strong>e Seitengasse. Die hübschen Häuser s<strong>in</strong>d neu und gleichförmig gebaut<br />

und enthalten französische Moden- und andere Magaz<strong>in</strong>e, Buchläden,<br />

Kaffeehäuser, Restaurationen und elegante kle<strong>in</strong>e Boutiquen aller<br />

Art – Girault et Compagnie, Magas<strong>in</strong> de Nouveautés. – Henri Favard, Salon<br />

pour la coupe des cheveux.<br />

Auf der Höhe des Berges, an dem Oran liegt, ist das Mauren- und Judenviertel,<br />

wo alte orientalische Er<strong>in</strong>nerungen <strong>in</strong> mir rege wurden. Oft<br />

war es mir, als wandelte ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Straße von Beirut; hier wie dort<br />

die ärmlichen hellgelben Lehmhäuser mit flachem Dach, zuweilen mit<br />

e<strong>in</strong>er Backste<strong>in</strong>kuppel; niedrige, schlecht verwahrte Thüren und die Gebäude<br />

vielleicht verziert mit den Überresten e<strong>in</strong>es reizenden arabischen

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