Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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320 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Wie den Fall dieser prachtvollen Schlösser ahnend, sprach der Poet<br />
Abulasi, e<strong>in</strong> sehr gelehrter und berühmter Mann, als er <strong>in</strong> Gedanken<br />
vertieft, an dem Ufer des Flusses von Cordova, dem Alcazar gegenüber,<br />
auf und ab g<strong>in</strong>g, folgende Verse aus dem Stegreif:<br />
Alcazar! welche Herrlichkeiten<br />
Und Reize schließest du nicht e<strong>in</strong>,<br />
De<strong>in</strong> Schicksal wolle dich bewahren<br />
Vor unheilschwerem Untergang!<br />
Welch e<strong>in</strong>e Menge mächt’ger Herrscher<br />
Bewohnte dich schon, Königshaus!<br />
Heut zwar schw<strong>in</strong>gt noch um de<strong>in</strong>e Grüfte<br />
Der Himmel günstig se<strong>in</strong>en Stab.<br />
Belehr’ die Welt, die von dem Glücke<br />
So leicht und oft betrogen wird,<br />
Warum auch du sie willst betrügen,<br />
Da jeder doch die Täuschung kennt?<br />
O glaube nicht, so muß es bleiben,<br />
Die Zeit geht ihren eignen Lauf;<br />
Wornach sie heut mit Sehnsucht haschet,<br />
Verächtlich wirft sie’s morgen h<strong>in</strong>.<br />
Wo s<strong>in</strong>d sie denn, die mächt’gen Herren,<br />
Die e<strong>in</strong>st <strong>in</strong> Syrien geherrscht,<br />
Die Säulen, Thürme und die Bogen,<br />
Und ihrer Schlösser ganze Pracht?<br />
Herabgestürzt von ihren Höhen,<br />
Bemerkt man ihre Spuren kaum,<br />
So wenig als am Fuß des Berges<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> w<strong>in</strong>ziges Ameisennest.<br />
Weit besser ists, im Thale wohnen<br />
Bei Mäßigkeit und stiller Ruh,<br />
Als Freuden <strong>in</strong> den Höhen suchen<br />
Und an des Abgrunds steilem Rand.<br />
Der wird hienieden besser leben,<br />
Der taub ist für der S<strong>in</strong>nen Reiz.<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 321<br />
Laßt die Verborgenheit uns loben,<br />
Wenn bei des Frühroths schönem Glanz<br />
Die Wolken nach und nach verschw<strong>in</strong>den<br />
Und man sich still des Tages freut.<br />
Und der Verfall dieses prächtigen Hauses erfolgte schneller und gänzlicher,<br />
als es die f<strong>in</strong>sterste Phantasie hätte zu träumen gewagt. Nachdem<br />
die Christen Cordova e<strong>in</strong>nahmen, fiel Stadt und Burg ums Jahr 1493 <strong>in</strong><br />
die Hände Ferd<strong>in</strong>and’s von Aragonien. Karl V. gab den Alcazar der Inquisition,<br />
welche sich <strong>in</strong> dem Palast e<strong>in</strong>nistete und ihn nach ihren Bedürfnissen<br />
umänderte; d. h. die Spr<strong>in</strong>gbrunnen versiegen ließ, die Gärten<br />
verwildern und die fe<strong>in</strong>en graziösen maurischen Fenster theils zumauern,<br />
theils mit unförmlichen eisernen Gittern versehen ließ. Dann<br />
begann hier e<strong>in</strong> furchtbares blutiges Treiben, über das selbst Alhakem<br />
I. erstaunt gewesen wäre. Die schönen Gartensäle mit den kühlen Gewölben<br />
wurden zu Gefängnissen und Folterkammern, im Prunkzimmer<br />
der maurischen Könige wohnte der Groß<strong>in</strong>quisitor und im Saale<br />
Almansor’s des Duldsamen, wo e<strong>in</strong>stens mit goldenen Buchstaben <strong>in</strong><br />
die Wand gegraben war: Die Könige Cordova’s gestatten den Christen<br />
die freie Ausübung ihrer Religion hielten jetzt christliche Mönche ihr<br />
blutiges Gericht.<br />
Nach und nach aber zerfiel Schloß und Gärten, überhaupt was lieblich<br />
und schön gewesen war vom Palast der maurischen Könige. Nur die<br />
festen viereckigen Thürme und der starke Wall, der das Ganze umgab,<br />
bestanden noch bis zur Zeit der Unabhängigkeitskriege, und dienten<br />
den Spaniern als Festung, <strong>in</strong> der sie sich aufs Tapferste schlugen. Was<br />
die langsam zerstörende Zeit übrig gelassen, warfen die französischen<br />
Kanonen schneller darnieder. Nach der <strong>E<strong>in</strong></strong>nahme Cordova’s war der<br />
Alcazar nichts mehr, als e<strong>in</strong> malerisch verworrener Ste<strong>in</strong>haufen, e<strong>in</strong> zerstörtes<br />
Paradies, wo e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>same Palme traurig ihr Haupt wiegt über<br />
verwilderten Gruppen von Orangen- und Citronenbäumen.<br />
Vom Ufer des Guadalquivirs g<strong>in</strong>gen wir oft auf den Platz, wo diese<br />
Burg stand. Von Terrasse zu Terrasse stieg man ehemals aufwärts,<br />
und da, wo jetzt Marmortrümmer liegen, führten e<strong>in</strong>st marmorne Stufen<br />
h<strong>in</strong>auf. Oben auf der Höhe der Stadt stehen noch die Ru<strong>in</strong>en zwei-