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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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250 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

lichen Thüröffnungen h<strong>in</strong>durch nach dem Saal der Segnung, durch die<br />

davor liegende Halle, und über den glänzenden Wasserspiegel des Myrthenhofs<br />

h<strong>in</strong>weg nach dem jenseitigen fernen Bogengang.<br />

Nach längerem Verweilen kehrten wir wieder zu diesem Bogengang<br />

zurück, und von dort aus betraten wir das Allerheiligste der Alhambra,<br />

den Löwenhof, und waren wir vorher schon erstaunt und überrascht,<br />

so blieben wir bei diesem Anblick mit e<strong>in</strong>em Ausrufe der Bewunderung<br />

auf der Schwelle stehen. Es gibt nichts Reizenderes und Zierlicheres<br />

<strong>in</strong> der ganzen Welt, als den Patio de los leones; früher war es<br />

e<strong>in</strong> Garten voll blühender Gebüsche, Rosen, Oleander und Jasm<strong>in</strong>, jetzt<br />

steht er verödet und die Gewächse s<strong>in</strong>d verdorrt; se<strong>in</strong>e Längenaxe bildet<br />

e<strong>in</strong>en rechten W<strong>in</strong>kel mit der des Myrthenhofs, und er umfaßt e<strong>in</strong> Viereck<br />

von hundert Fuß <strong>in</strong> der Länge und sechsundfünfzig <strong>in</strong> der Breite;<br />

zweiundachtzig schlanke weiße Marmorsäulen tragen e<strong>in</strong>en bedeckten<br />

Bogengang, der r<strong>in</strong>gs umherläuft, und sich <strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong>er jeden der<br />

beiden schmalen Seiten zu e<strong>in</strong>em viereckigen Pavillon erweitert, der <strong>in</strong><br />

den Hof vorspr<strong>in</strong>gt. Wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Mitte der schmalen Seite e<strong>in</strong>getreten,<br />

rechts und l<strong>in</strong>ks von uns erstreckt sich die diesseitige Arkadenhalle,<br />

<strong>in</strong> deren Fußboden drei runde Wasserbecken e<strong>in</strong>gelassen s<strong>in</strong>d, und wir<br />

überblicken den sonnigen Hof durch den uns zunächst gelegenen Pavillon,<br />

den zweiundzwanzig der eben genannten Säulen im Quadrat umgeben,<br />

und der wieder e<strong>in</strong> rundes Wasserbecken im Fußboden umfaßt;<br />

gerade aus fällt der Blick auf den <strong>in</strong> der Mitte stehenden Löwenbrunnen,<br />

l<strong>in</strong>ks überragt die achteckige Kuppel des Schwesternsaals, rechts<br />

die Erhöhung vom Saal der Abencerragen, die <strong>in</strong> zierlicher perspektivischer<br />

Flucht sich verlierenden Bogengänge der beiden Langseiten, und<br />

gegenüber öffnen sich die Bogen des Gerichtssaals gegen den Hof, der<br />

<strong>in</strong> diesem magischen dunklen Rahmen gefaßt e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der That e<strong>in</strong>ziger<br />

Anblick ist. Die Säulen des Hofs s<strong>in</strong>d glatt und stehen alternirend paarweise<br />

und e<strong>in</strong>zeln, mit Ausnahme der Ecken, sowohl des Hofes als der<br />

Pavillons, wo sich drei oder auch vier gekuppelt bef<strong>in</strong>den. Alle Capitäle<br />

derselben s<strong>in</strong>d verschieden, aber e<strong>in</strong>s immer zierlicher als das andere;<br />

die e<strong>in</strong>zelnen Bogen s<strong>in</strong>d über den Säulen getrennt durch senkrechte<br />

Friese, die, von ungleicher Breite, je nachdem die Säulen darunter e<strong>in</strong>zeln<br />

oder paarweise gestellt s<strong>in</strong>d, ziemlich hoch über die Bogenrundung<br />

KAPITEL 18. GRANADA. 251<br />

h<strong>in</strong>auf reichen und e<strong>in</strong>en eckigen Rahmen darum her bilden, der <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit e<strong>in</strong>em prachtvoll verzierten <strong>Band</strong>, das r<strong>in</strong>gs um den Hof<br />

herumlaufend, oben die aufsteigende Friese unter sich verb<strong>in</strong>det, das<br />

über jedem Bogen verbleibende, aufs Zierlichste durchbrochene Oberfeld<br />

nur noch eleganter ersche<strong>in</strong>en läßt, und durch das kunstvoll geschnitzte<br />

Hauptgesimse der ganzen Bogenreihe e<strong>in</strong>en unvergleichlich<br />

schönen und edlen Abschluß verleiht. An den beiden Pavillons ist bei<br />

Überspannung der Säulenweiten die Form des Halbkreisbogens verlassen<br />

und stoßen die über den Säulen allmählich sich erbreiternden Massen<br />

<strong>in</strong> zwei gegen e<strong>in</strong>ander geneigten L<strong>in</strong>ien zusammen, so daß die Bogenflächen<br />

gleichsam vom Gesimse herabzuhängen und nur leicht auf<br />

den Säulen zu ruhen sche<strong>in</strong>en. Da sie aufs Kunstreichste durchflochten<br />

s<strong>in</strong>d, so daß man überall Tageslicht und Sonne durchflimmern sieht,<br />

so kann man sie mit kostbaren Spitzengeweben vergleichen, mit denen<br />

Hof und Säulen reich drapirt s<strong>in</strong>d. Betrachtet man den Rand e<strong>in</strong>es solchen<br />

Bogens genau, so muß man gestehen, daß man nichts Schöneres<br />

sehen kann, und daß es fast unmöglich ist, e<strong>in</strong>e Beschreibung davon zu<br />

machen. Man könnte sagen, die unzähligen Höhlungen, mit welchen<br />

er durchbrochen ist, ersche<strong>in</strong>en uns wie die Zellengewebe der Bienen.<br />

Obgleich die Vertiefungen, die so gebildet werden, willkürlich durche<strong>in</strong>ander<br />

geworfen zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>en, so geben sie doch wieder e<strong>in</strong> festes<br />

System, haben dagegen, flüchtig betrachtet, ganz das Ansehen von<br />

Stalaktiten <strong>in</strong> Tropfste<strong>in</strong>höhlen. Die übrigen Bogen bilden nicht die vollständige<br />

nach unten e<strong>in</strong>wärts gekrümmte Hufeisenform, s<strong>in</strong>d vielmehr<br />

verhältnißmäßig zur Höhe etwas schmal, doch ist das Alles mit e<strong>in</strong>em<br />

solchen Verständniß für Eleganz und Zierlichkeit ausgeführt, und paßt<br />

so harmonisch zusammen, daß hier auch gar nichts anders gestaltet se<strong>in</strong><br />

dürfte. Die Decke des Säulenganges besteht aus kostbarer, e<strong>in</strong>gelegter<br />

und reich bemalter Holzarbeit, wie die im Saale der Gesandten. Von den<br />

ehemaligen bunten und glänzenden Dachfliesen ist nichts mehr vorhanden<br />

und die Gebäude s<strong>in</strong>d mit gewöhnlichen Ziegeln bedeckt. Wie muß<br />

dieser Anblick gewesen se<strong>in</strong> <strong>in</strong> jener Zeit, da die Alhambra noch vollkommen<br />

erhalten und bewohnt war, wo der so feenhaft umschlossene<br />

Garten selbst <strong>in</strong> dem höchsten Blumenschmücke prangte! Was wir überhaupt<br />

heute noch davon sehen, ist nur der Sommeraufenthalt der mau-

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