Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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350 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
möglich, daß das Haus im heiligen Lande damals etwas anders ausgesehen,<br />
wie jetzt. Nachdem ich aber se<strong>in</strong> Inneres betreten, fand ich auch<br />
die <strong>E<strong>in</strong></strong>theilung und Disposition des Ganzen vollkommen vom Orig<strong>in</strong>al<br />
abweichend. Freilich ist auch hier die Säule vorhanden, an welcher Christus<br />
gebunden und gegeißelt wurde, doch ist dieselbe hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im<br />
Hof bef<strong>in</strong>dlichen Kapelle, anstatt daß sie, wie <strong>in</strong> Jerusalem, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorhalle<br />
steht, durch deren weite offene Fenster das herbeigeströmt Volk<br />
se<strong>in</strong> Schlachtopfer sehen konnte, welches ihm Pilatus wies.<br />
Der Hof, e<strong>in</strong> länglichtes Viereck hat schon <strong>in</strong> den <strong>E<strong>in</strong></strong>zelformen das<br />
arabische Gepräge etwas abgestreift, wozu noch die Aufstellung vieler,<br />
zum Theil über lebensgroßer antiker Statuen kommt; <strong>in</strong>teressant war<br />
uns das Haus des Pilatus deßhalb, weil man daran die Gränze des Reichthums<br />
sehen kann, der mit Azulejos erreicht werden kann. Das große<br />
Treppenhaus <strong>in</strong>sbesondere, dessen Wände ganz damit getäfelt s<strong>in</strong>d, und<br />
wo e<strong>in</strong>e unübersehbare Zahl verschiedener <strong>E<strong>in</strong></strong>theilungen und Dess<strong>in</strong>s<br />
sowohl <strong>in</strong> L<strong>in</strong>ien als Farben mit e<strong>in</strong>ander abwechseln, ist von kaum zu<br />
beschreibender Pracht, aber nirgends Ruhe, nirgends e<strong>in</strong> Punkt, auf dem<br />
das Auge verweilen kann, so daß man diese Fayencebekleidungen, die<br />
die Araber weislich nur zur Täfelung des unteren Theils der Wände<br />
wählten, hier gründlich satt bekommt. Die große an den Hof stoßende<br />
Halle ist noch das am meisten harmonische; vortrefflich erhalten, mit<br />
edler, schöner Decke bleibt sie e<strong>in</strong> Raum, <strong>in</strong> den man mit immer neuem<br />
Vergnügen zurückkehrt.<br />
Was die Bilderschätze Sevilla’s anbelangt, so g<strong>in</strong>ge auch die flüchtigste<br />
Besprechung der Meisterwerke des e<strong>in</strong>zigen Murillo über den Raum<br />
dieser Blätter. Neben se<strong>in</strong>en bekannten Bildern <strong>in</strong> der Kathedrale enthalten<br />
e<strong>in</strong>ige Säle des hiesigen Museums zwanzig große prachtvolle Gemälde<br />
von ihm, das schönste aber, was er erschaffen hat, ist <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en<br />
Kirche der Caridad, die berühmte Brodvertheilung und Moses, der<br />
das Wasser aus dem Felsen schlägt. Madrid hat nichts Ähnliches von<br />
ihm aufzuweisen. Das Wohnhaus des großen Malers, jetzt e<strong>in</strong>em Herrn<br />
Lopez de Ceparo gehörig, ist den Fremden gastlich geöffnet und enthält<br />
außer e<strong>in</strong>em selbstgemalten Portrait Murillo’s Fresken von se<strong>in</strong>er Hand,<br />
welche auf die vier Seiten e<strong>in</strong>es im Garten bef<strong>in</strong>dlichen Felsens gemalt<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
KAPITEL 20. SEVILLA. 351<br />
Wenn man nach <strong>Spanien</strong> kommt, e<strong>in</strong>em Lande, welches die Havannah<br />
besitzt, so hofft man, nun e<strong>in</strong>mal recht gute und wohlfeile Cigarren<br />
rauchen zu können, f<strong>in</strong>det sich aber sehr getäuscht, denn nirgendwo <strong>in</strong><br />
der ganzen Welt bekommt man schlechteren Tabak und Cigarren, als<br />
gerade <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong>. Die größte Schuld hieran trägt wohl das Monopolund<br />
Prohibitiv-System, welches viel e<strong>in</strong>nehmen will, ohne etwas dafür<br />
auszugeben. Es hätte ja Niemand etwas dagegen e<strong>in</strong>zuwenden, wenn<br />
sich die Regierung aus diesem Tabaksmonopol tüchtige <strong>E<strong>in</strong></strong>künfte verschaffte,<br />
dem Käufer dagegen, wenn auch für theures Geld, e<strong>in</strong>e gute<br />
Waare zukommen ließe. Wer aber <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> e<strong>in</strong>e ächte Havannah oder<br />
e<strong>in</strong>e gute Puros rauchen will, ist gezwungen, sich an die Contrebandisten<br />
zu wenden, die wenn sie auch den Verkauf ihrer e<strong>in</strong>geschmuggelten<br />
Waaren nicht selbst und öffentlich betreiben, doch entweder ihre<br />
wohlbekannten Niederlagen haben, oder ihre zahlreichen Agenten<br />
unter den Gasthofs- und Kaffeehaus-Kellnern, kle<strong>in</strong>eren Wirthen, Bootführern<br />
oder Individuen, die uns auf dem Spaziergang mit den Worten<br />
anhalten: Caballero, ich kann Ihnen die besten e<strong>in</strong>geschmuggelten Cigarren<br />
verschaffen.<br />
Aus diesem Grunde ist nun wohl das Rauchen der Papiercigarren<br />
so allgeme<strong>in</strong> geworden; die Kosten dabei s<strong>in</strong>d sehr unbedeutend, denn<br />
das bischen fe<strong>in</strong>geschnittenen Tabak, welchen man <strong>in</strong>s Papier wickelt,<br />
kommt eigentlich nicht <strong>in</strong> Betracht und dabei sche<strong>in</strong>t die Anfertigung<br />
selbst dem müßigen Spanier e<strong>in</strong>e sehr angenehme Beschäftigung zu se<strong>in</strong>.<br />
Doch ist es nicht so ganz leicht, e<strong>in</strong>e gute Papiercigarre zu drehen, und<br />
namentlich der Fremde, ehe er Fertigkeit erlangt hat, sieht sich genöthigt,<br />
zu den Tabakläden se<strong>in</strong>e Zuflucht zu nehmen, welche denn auch<br />
<strong>in</strong> diesem Artikel etwas Gutes, Rauchbares liefern. Hier <strong>in</strong> Sevilla bef<strong>in</strong>det<br />
sich die größte Cigarrenfabrik <strong>Spanien</strong>s, und ist dieselbe wohl im<br />
Stande, das ganze Land, besonders mit Papiercigarren zu versorgen.<br />
In e<strong>in</strong>iger Entfernung vom Hafen des Guadalquivir erhebt sich e<strong>in</strong><br />
ungeheures viereckiges Gebäude, das von außen eher e<strong>in</strong>em königlichen<br />
Palast, als e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dustriellen Etablissement ähnlich sieht, nur der<br />
scharfe Geruch, der, je nachdem der W<strong>in</strong>d weht, den Vorübergehenden<br />
frappirt, gemahnt an se<strong>in</strong>en Zweck. Weite Thorbogen führen uns<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en großen Hof, der mit Fonta<strong>in</strong>en und Säulen geschmückt ist und