Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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142 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Die Zäumung des Maulthiers und vermittelst derselben se<strong>in</strong>e Leitung<br />
war auch nicht weniger e<strong>in</strong>fach und patriarchalisch, denn sie bestand<br />
aus e<strong>in</strong>em Halfterstrick, welcher unserem Maulthier, weil es sehr jung<br />
und feurig war, ausnahmsweise durch das Maul gezogen wurde. Ich<br />
hatte jedoch noch nie e<strong>in</strong> zierlicheres und schlankeres Geschöpf der Art<br />
gesehen und fand hier zum ersten Mal, daß der Bastard von Pferd und<br />
Esel zuweilen außerordentlich schön se<strong>in</strong> kann; es hatte nichts von den<br />
sonst so plumpen Formen se<strong>in</strong>er Kameraden: die Füße waren schlank<br />
und vollkommen re<strong>in</strong>, hatten die fe<strong>in</strong>en Fesseln des edlen mütterlichen<br />
Pferdes und den zierlichen Huf des väterlichen Esels; auch der Kopf war<br />
schön, das Auge glänzend und feurig und selbst die Ohren so anständig<br />
kurz, als das bei der nicht zu verläugnenden Abkunft nur möglich<br />
war. Daß der Geist des Thieres, se<strong>in</strong>e Leistungsfähigkeit dem Äußeren<br />
vollkommen gleich kam, erfuhren wir <strong>in</strong> der ersten Zeit nach unserem<br />
Abreiten. Denn kaum hatten wir uns <strong>in</strong> die Sättel geschwungen, so ritt<br />
unser Führer e<strong>in</strong> paar Schritte voraus, mühsam se<strong>in</strong> Thier an dem Halfterstrick<br />
haltend, und blickte zurück, wobei er uns zurief, ob Alles <strong>in</strong><br />
Ordnung sei; er ließ uns kaum Zeit unsere Steigbügel anzupassen und<br />
nachzusehen, ob unsere langen Gewehre fest <strong>in</strong> dem eisernen Haken<br />
am Sattel h<strong>in</strong>gen, denn als er uns hoch zu Roß sah, schnalzte er mit der<br />
Zunge, stimmte e<strong>in</strong> andalusisches Lied an, daß es von den alten Mauern<br />
und Felsen wieberhallte, und ließ se<strong>in</strong> ungeduldiges Thier vorwärts<br />
schießen.<br />
Obgleich der Weg von der Alcantarabrücke ziemlich steil nach der gegenüber<br />
liegenden Höhe h<strong>in</strong>auf führt, auch nichts weniger als gut und<br />
eben, vielmehr mit Felsplatten und Ste<strong>in</strong>gerölle aller Art bedeckt war, so<br />
g<strong>in</strong>g doch das Maulthier <strong>in</strong> scharfem Trabe aufwärts, und wir bemühten<br />
uns, mit starker Sporenhülfe nachzueilen. Auf der Höhe angekommen,<br />
zügelten wir den Eifer unseres Führers und bedeuteten ihn, e<strong>in</strong>en Augenblick<br />
zu halten, da wir von hier aus der alten, prachtvollen Stadt<br />
noch e<strong>in</strong>en letzten Blick schenken wollten. Dazu hätten wir auch ke<strong>in</strong>en<br />
besseren Augenblick wählen können. Zu unserer L<strong>in</strong>ken stieg die<br />
Sonne auf und schoß ihre ersten Strahlen über das öde Felsenplateau<br />
und durch die Schlucht des Tajo auf den Alcazar von Toledo, der nun<br />
<strong>in</strong> dem goldnen Lichte flimmerte und strahlte. Die grauen Häuser der<br />
KAPITEL 16. EIN RITT NACH ANDALUSIEN. 143<br />
Stadt unter ihm lagen noch theilweise im Schatten; nur hie und da wurde<br />
die Kuppel e<strong>in</strong>er Kirche oder die Z<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es hohen Thurmes ebenfalls<br />
von dem Sonnenlichte überglänzt, dazu die tiefblauen Schatten <strong>in</strong><br />
der Felsenschlucht, welche der Fluß durchströmt, mit den aufsteigenden<br />
leichten Wassernebeln, die sich <strong>in</strong> der Höhe ebenfalls heller färbten und<br />
durchsichtig wurden, – das Alles gab e<strong>in</strong> unvergeßliches Bild, e<strong>in</strong> Gemälde<br />
mit der prächtigsten Abwechslung von Schatten und Licht, von<br />
verschw<strong>in</strong>dender Nacht und aufstrahlendem, glänzendem Sonnenlichte.<br />
Leb wohl, Toledo, du schöne ritterliche Stadt, leb wohl auf Nimmerwiedersehen!<br />
– War es uns doch im ersten Augenblicke wahrhaft traurig<br />
zu Muth, von dieser herrlichen Felsenburg scheiden zu müssen; fühlten<br />
wir doch, wie vielleicht jener unglückliche Feldherr der Mauren,<br />
der wohl lange auf derselben Stelle stand während se<strong>in</strong>e geschlagenen<br />
Schaaren gegen Westen zogen, und sich nicht trennen konnte von der<br />
Burg se<strong>in</strong>er Väter und endlich <strong>in</strong> wildem Schmerze se<strong>in</strong>en Dolch zog<br />
und ihn weit von sich ab <strong>in</strong> die Schlucht des Tajo schleuderte, wo er<br />
ruhen soll, – wie der tapfere Sarazene zähneknirschend sprach, – e<strong>in</strong><br />
Pfand, das ich wieder holen muß, e<strong>in</strong> Zeichen me<strong>in</strong>er verpfändeten Ehre,<br />
das ich auslösen werde. Wenn wir auch ke<strong>in</strong>en Dolch dort h<strong>in</strong>abschleuderten<br />
und auch ke<strong>in</strong>e so wilden, schmerzlichen Worte sprachen,<br />
wie der unglückliche Maurenfürst, so sandten wir doch <strong>in</strong>nige und herzliche<br />
Blicke nach der alten Ste<strong>in</strong>masse h<strong>in</strong>über, und riefen ihr freundliche<br />
Worte des Abschieds zu, wofür sich die Stadt zum Gegengruß<br />
jetzt ganz <strong>in</strong> das hellste Sonnenlicht kleidete und uns aus Hunderten<br />
von leuchtenden und strahlenden Fensteraugen nachblickte; ja sogar beredt<br />
war ihre Erwiderung auf unseren Gruß denn als wir unsere Pferde<br />
wandten, um weiter zu reiten, begannen drüben die Glocken der Kathedrale<br />
zu läuten, und die mächtige Stimme der Campana de Toledo<br />
schien uns nachrufen zu wollen: kehrt bald wieder! kehrt bald wieder!<br />
– Vergeblicher Wunsch; das war ja gerade das Herbe an dem Abschiede<br />
von all diesen schönen Orten, daß wir sie voraussichtlich wohl auf<br />
Nimmerwiedersehen verließen.<br />
Unser Führer hatte ungeduldig das Ende dieser Träumereien erwartet,<br />
und sobald er sah, daß wir unsere Pferde umwandten, trabte er wie-