Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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202 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Wir schliefen vortrefflich, besahen an dem andern Tage <strong>in</strong> der Frühe<br />
die Hauptkirche von Baylen und ritten gegen neun Uhr aus dem Thore<br />
der alten Stadt, nachdem wir ziemliche Mühe gehabt, die nöthigen<br />
Reit- und Packpferde aufzutreiben. Auch war diese Mühe nicht belohnt<br />
worden, und wir waren ziemlich schlecht beritten. Wir drei hatten zusammen<br />
nur zwei Steigbügel und statt e<strong>in</strong>es ordentlichen Kopfzeuges<br />
mit Zügeln waren die Pferde nur mit Halftern und Stricken aufgezäumt.<br />
Doch war das Wetter prächtig und schön, der Himmel wolkenlos, der<br />
Sonnensche<strong>in</strong> warm und erquickend, hie und da <strong>in</strong> geschützten Lagen<br />
sah man die Sträucher ihre Knospen treiben und Mandelbäume ihre<br />
sanft rothen Blüthen öffnen.<br />
Die Landstraße, auf der wir ritten, war e<strong>in</strong>e würdige Fortsetzung der<br />
schönen Straße über die Sierra Morena: breit, glatt, gut unterhalten; sie<br />
zog <strong>in</strong> sanften Schlangen- und Wellenl<strong>in</strong>ien durch e<strong>in</strong> leicht coupirtes<br />
Terra<strong>in</strong>, jetzt zwischen Saatfeldern h<strong>in</strong>, dann wieder durch grüne Wiesen.<br />
Vor uns am Horizonte, <strong>in</strong> weiter Ferne, sahen wir Hügel über Hügel<br />
sich aufthürmen und e<strong>in</strong>en malerischen Gebirgszug <strong>in</strong> dunkelblauer<br />
Färbung, der die Landschaft abschloß; h<strong>in</strong>ter uns und zur L<strong>in</strong>ken hatten<br />
wir die prachtvollen Formen der Sierra Morena, von hier aus gesehen<br />
e<strong>in</strong> stattliches Gebirge, vielmehr e<strong>in</strong>e Terrassenwand von e<strong>in</strong>igen tausend<br />
Fuß Höhe auf der andalusischen Hochebene stehend.<br />
Unser heutiger Ritt wäre ohne alle Plage, voll Vergnügen gewesen,<br />
wenn uns nicht e<strong>in</strong>es unserer Packpferde beständig zu schaffen gemacht<br />
hätte, <strong>in</strong>dem die Koffer und Nachtsäcke fortwährend auf die rechte Seite<br />
rutschten und wir sehr häufig halten mußten, um das nothwendige<br />
Gleichgewicht wieder herzustellen. Gegen Mittag erreichten wir e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>sam stehende Venta, die übrigens nicht verfallen war, wie wir es<br />
<strong>in</strong> der Mancha fast immer angetroffen, die vielmehr von außen e<strong>in</strong>er<br />
deutschen Fuhrmannsherberge so ähnlich sah, daß es uns ordentlich<br />
wohl that: <strong>E<strong>in</strong></strong>e halbe Stunde vorher hatte ich auf e<strong>in</strong>em Felde neben der<br />
Chaussee mehrere aufsprießende Frühl<strong>in</strong>gsblumen bemerkt, die mich<br />
ebenfalls so an die heimathlichen Fluren er<strong>in</strong>nerten, daß ich abstieg, mir<br />
e<strong>in</strong>ige Crocus pflückte und sie <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Brieftasche verwahrte. Durch<br />
diesen Aufenthalt hatten die Andern e<strong>in</strong>en Vorsprung gewonnen, und<br />
als ich rasch nachritt, fand ich die Venta, die von weitem gesehen so still<br />
KAPITEL 17. JAEN. 203<br />
und friedlich auf der Höhe des Berges lag, schon zu e<strong>in</strong>em bewegten Lager<br />
umgewandelt. Draußen waren Pferde und Lastthiere angebunden,<br />
daneben hatte es sich unser Arriero auf dem Boden bequem gemacht,<br />
und als ich <strong>in</strong> das Innere trat, dem großen bekannten Raume, der Küche,<br />
Wohn- und Schlafzimmer <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>em ist, fand ich den Maler und den<br />
Baumeister <strong>in</strong> eifriger Verhandlung mit der Wirth<strong>in</strong> um e<strong>in</strong> Frühstück,<br />
so gut als möglich.<br />
Dasselbe war auch bald bereitet und schmeckte, obgleich ächt spanisch<br />
e<strong>in</strong>fach, doch so vortrefflich, daß ich heute noch gerne daran denke;<br />
wir bekamen nichts als gutes Brod, geräucherten Speck und faustdicke<br />
Zwiebel, dazu aber e<strong>in</strong>en vortrefflichen Rothwe<strong>in</strong>, dem wir stark<br />
zusprachen. Waren wir doch warm und durstig geworden! Denn die<br />
Sonne, die uns <strong>in</strong> der Morgenkühle so wohl gethan, f<strong>in</strong>g gegen Mittag<br />
an, sehr unangenehm heiß auf uns niederzukommen und uns daran zu<br />
er<strong>in</strong>nern, daß wir uns dem Süden näherten, daß wir <strong>in</strong> Andalusien waren.<br />
Als wir nach e<strong>in</strong>er halbstündigen Rast weiter ritten, wurde die Hitze<br />
wirklich beschwerlich; dabei bot die Straße ke<strong>in</strong>en auch nur l<strong>in</strong>ienbreiten<br />
Schatten, sie selbst bestand aus zusammengetretenen zermalmten<br />
Kalkste<strong>in</strong>en, deren weißer Staub von jedem Hufschlag unserer Pferde <strong>in</strong><br />
dichten Massen aufgewirbelt wurde. Und doch hatten wir erst Anfang<br />
Februar. Wie muß es hier im Juni oder Juli se<strong>in</strong>! <strong>E<strong>in</strong></strong>er unserer Arriero’s,<br />
den ich hierüber halb pantomimisch befragte, gab mir auf dieselbe Art<br />
Antwort, wobei er h<strong>in</strong> und her taumelte, den Kopf tief herabhängen ließ<br />
und die Zunge herausstreckte, wie e<strong>in</strong> Jagdhund zur Zeit der Feldhühner.<br />
Wir ritten meistens schweigend dah<strong>in</strong> und machten nur zuweilen e<strong>in</strong>e<br />
Bemerkung, wenn wir auf e<strong>in</strong>er Höhe der Straße angekommen e<strong>in</strong>e<br />
immer schönere Fernsicht hatten. Die Gegend verlor allmälig ihren sanften<br />
Charakter, den sie von Baylen bis hieher gehabt; statt durch Felder<br />
und Wiesen führte uns die übrigens immer gleich vortreffliche Chaussee<br />
durch Strecken Haidelandes und war statt mit Sträuchern und Grün,<br />
auf der e<strong>in</strong>en Seite mit e<strong>in</strong>er natürlichen Ste<strong>in</strong>mauer e<strong>in</strong>gefaßt, während<br />
sich auf der andern e<strong>in</strong> mit Felsblöcken bedeckter Abhang <strong>in</strong> das Thal<br />
h<strong>in</strong>abzog. Auch die Aussicht vor uns hatte ihren Charakter verändert,