Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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256 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
weiche Gypsmasse gegossen wird und so die neuen Arabesken den alten<br />
vollkommen ähnlich werden. Um den Löwenhof aber vollständig<br />
zu restauriren, brauchte man ziemlich bedeutende Mittel, denn von den<br />
Säulen s<strong>in</strong>d manche aus ihrer ehemaligen Lage gewichen und e<strong>in</strong>ige<br />
der prachtvollen, durchbrochenen Bögen mußten durch starke Eisenstangen<br />
befestigt und so vor dem Zusammenstürzen bewahrt werden.<br />
Da während unseres Besuches auf der Alhambra gerade an den neuen<br />
Wandverzierungen gearbeitet wurde, so gelang es uns, freilich zu ziemlich<br />
theuren Preisen, von den alten herabgenommenen e<strong>in</strong> paar Stücke<br />
zu erlangen, die wir als kostbare Andenken mit uns nahmen.<br />
Nahezu <strong>in</strong> der Mitte des Fußbodens des Saales der Abencerragen bef<strong>in</strong>det<br />
sich nun die große Marmorschale, welche den blutigen Mittelpunkt<br />
jener romantischen Geschichte bildet, die unter den Lorbeergängen<br />
der Cypressen auf der Xeneralife entstanden und mit dem früher<br />
erwähnten Gotteskampfe auf der Vivarrambla, sowie mit dem Untergange<br />
Granadas endigte.<br />
Es waren vier Zegri, welche, um den verhaßten Stamm der Abencerragen<br />
zu verderben, sich e<strong>in</strong>es Tages zum Könige Boabdil begaben und<br />
ihm zuschworen, daß sie mit eigenen Augen gesehen, wie se<strong>in</strong>e Gemahl<strong>in</strong><br />
im Garten der Xeneralife mit dem Abencerragenritter Ab<strong>in</strong>-Hamad<br />
e<strong>in</strong>e Liebesnacht gefeiert. Dieß sei geschehen, gaben die Zegri an, bei<br />
e<strong>in</strong>em nächtlichen Fest auf der Xeneralife, die König<strong>in</strong> habe ihre Frauen<br />
verlassen und sich alle<strong>in</strong> unter das Cypressendunkel begeben, woh<strong>in</strong><br />
nun Ab<strong>in</strong>-Hamad von e<strong>in</strong>er andern Seite gekommen. Dort vernahmen<br />
wir, so reizten sie den schon wüthenden König, <strong>in</strong>nige Seufzer und<br />
feurige Küsse, und als der Abencerrage nach e<strong>in</strong>iger Zeit glühend vor<br />
Luft und Freude zurückkam, trug er auf se<strong>in</strong>em Kopf denselben Kranz<br />
von rothen Rosen, den die König<strong>in</strong> früher <strong>in</strong> ihrer Hand gehalten. – Daß<br />
Boabdil auf diese Anklage sehr blutig und summarisch verfuhr, ist wohl<br />
begreiflich. Er entbot dreißig der edelsten Abencerragen-Ritter, worunter<br />
Ab<strong>in</strong>-Hamad, der se<strong>in</strong> eigener Schwager war, <strong>in</strong> die Alhambra, und<br />
als sie im Myrthenhof versammelt waren, ließ er den Palast schließen<br />
und sie e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong> den Saal treten, <strong>in</strong> welchem wir uns gerade bef<strong>in</strong>den<br />
und wo am Boden die Marmorschale das Blut der ermordeten Abencerragen<br />
aufnahm, die niedergemetzelt wurden, so wie sie e<strong>in</strong>zeln das Ge-<br />
KAPITEL 18. GRANADA. 257<br />
mach betraten. Diesen Dreißig, die sich diensteifrig zuerst e<strong>in</strong>stellten,<br />
sollten noch viele Andere folgen; doch: Gott wollte es nicht, erzählt der<br />
arabische Chronikenschreiber, daß diese Grausamkeit weiter g<strong>in</strong>ge, und<br />
es begab sich, daß der junge Edelknabe e<strong>in</strong>es der Ritter, ohne daß es Jemand<br />
gewahr wurde, mit se<strong>in</strong>em Herrn h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kam, und sah, wie se<strong>in</strong><br />
Herr und die übrigen Ritter enthauptet wurden. In dem Augenblick,<br />
daß die Thür geöffnet ward, um e<strong>in</strong>en andern zu rufen, schlüpfte der<br />
Edelknabe h<strong>in</strong>aus. Voller Angst um se<strong>in</strong>en Herrn we<strong>in</strong>end begegnete<br />
er bei der Quelle der Alhambra, wo noch jetzt die Pappeln stehen, den<br />
Rittern Malike Alabez, Abenamar und Sarraz<strong>in</strong>o, die zur Alhambra h<strong>in</strong>aufstiegen,<br />
um den König zu sprechen; und sagte ihnen we<strong>in</strong>end und<br />
zitternd: ›Ach, ihr Herren Ritter, beim heiligen Allah gehet nicht weiter,<br />
wenn ihr nicht bösen Todes sterben wollt!‹ So wurde die blutige Justiz<br />
des Königs bekannt, und der größte Theil der Abencerragen konnte sich<br />
retten.<br />
Daß man heute noch <strong>in</strong> dem weißen Marmor der Wasserschale am<br />
Boden röthliche Flecken und Streifen sieht, kann ich bezeugen, ohne<br />
aber behaupten zu können, ob es natürliche Flecken des Ste<strong>in</strong>s, oder<br />
Blutspuren s<strong>in</strong>d. Unser Führer ben Saken und ebenso manche Reisende,<br />
die den Saal der Abencerragen besucht, s<strong>in</strong>d der letztern Ansicht. Doch<br />
ist über diese ganze Sache schon so viel geschrieben und <strong>in</strong> Romanzen<br />
gesungen worden, daß man nicht weiß, wo die Gränze zwischen<br />
Wahrheit und Dichtung ist. Wollen doch spätere Bewohner der Alhambra<br />
nächtlicher Weile im hellen Mondlicht gespenstige Schatten im Löwenhof<br />
bemerkt haben, weiße, flatternde Gewänder, die aus dem Saal<br />
der Abencerragen zu fliehen schienen. Erzählte mir doch e<strong>in</strong> glaubwürdiger<br />
Bekannter, er habe längere Zeit auf der Alhambra gewohnt und <strong>in</strong><br />
stillen Nächten oftmals e<strong>in</strong> leises Geflüster und seltsame Klagetöne gehört.<br />
Doch ist dieß leicht zu erklären; wenn das zierliche Durche<strong>in</strong>ander<br />
der unzähligen Säulen mit ihren schneeweißen Ste<strong>in</strong>broderien vom bleichen,<br />
zitternden Mondlichte beschienen ist, so kann sich e<strong>in</strong>e erhitzte<br />
Phantasie bei diesen, im Halbdunkel unbestimmteren und darum noch<br />
wunderbareren Formen wohl gespenstige Vorstellungen machen.<br />
Wenn man aber hier <strong>in</strong> diesem Feenhofe wandelt, so glaubt man unwillkürlich<br />
an alle Wunder, an alle diese poetisch schönen Geschichten,