Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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332 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
ten sich die Andalusier<strong>in</strong>nen auch nicht im Ger<strong>in</strong>gsten und ließen die<br />
ganze Wärme ihres Gefühles ausströmen. Zum erstenmal verstand ich<br />
hier so recht die Sprache dieses eigenthümlichen Tanzes, vielleicht mehr<br />
noch, als die Tänzer<strong>in</strong>nen selbst, so junge Mädchen, daß man die meisten<br />
bei uns K<strong>in</strong>der genannt hätte. Es war <strong>in</strong> der That e<strong>in</strong> wunderherrlicher<br />
Anblick. In e<strong>in</strong>er schönen Nacht <strong>in</strong> Cairo hatte ich etwas Ähnliches<br />
geschaut, als egyptische Tänzer<strong>in</strong>nen vor uns tanzten, und doch<br />
war es wieder so ganz anders, der Tanz selbst und das Wesen desselben.<br />
Dort mit Überlegung gegeben, hier mit der Lust am Tanzen und <strong>in</strong> re<strong>in</strong>ster<br />
Unschuld, deßhalb aber war es auch so schwer, diesem aufregenden<br />
Spiele ruhig und gleichgültig zuzuschauen. Wurde doch hier zuweilen<br />
<strong>in</strong> der Leidenschaft und Aufregung des Tanzes den Blicken Manches<br />
erlaubt, das e<strong>in</strong>e kältere Natur <strong>in</strong> Entzücken versetzen konnte, besonders<br />
aber, weil Alles so unbewußt und ganz zufällig und unabsichtlich<br />
geschah: Ja, gewiß, selbst der alte Kalif Al Hakem würde wohlgefällig<br />
gelächelt haben, wenn er dieß reizende Ballet hätte sehen können, das<br />
hier auf e<strong>in</strong>er der Terrassen se<strong>in</strong>er frühern Burg aufgeführt wurde.<br />
Die umstehenden Spanier, die dieß gewiß schon sehr häufig erlebt,<br />
waren nicht weniger h<strong>in</strong>gerissen als wir. Das Klatschen und die freudigen<br />
Ausrufungen wollten ke<strong>in</strong> Ende nehmen, und als sich endlich der<br />
Tanz löste und die jungen Mädchen erhitzt und schwer athmend nach<br />
allen Seiten ause<strong>in</strong>ander stoben, wurde jede von ihren Bekannten umr<strong>in</strong>gt<br />
und ihr alles erdenkliche Schöne gesagt; aber ebenso wie die Tänzer<strong>in</strong>nen<br />
selbst benahm sich auch das zuschauende Publikum so schön<br />
und anständig, wie man es bei diesem noblen und liebenswürdigen Volke,<br />
welches die höchste Leidenschaft mit ächtem Anstande zu vere<strong>in</strong>igen<br />
weiß, überhaupt gewohnt ist.<br />
Unterdessen war die Sonne h<strong>in</strong>abgesunken und ihr letzter Kuß färbte<br />
die Landschaft mit unbeschreiblich warmen und glühenden Tönen,<br />
ebenso die lachenden Gesichtchen und glänzenden Augen unserer liebenswürdigen<br />
Tänzer<strong>in</strong>nen und Sänger<strong>in</strong>nen, die jetzt alle an der Terrassenbrüstung<br />
lehnten und dem verschw<strong>in</strong>denden lodernden Gestirne<br />
jubelnd nachblickten. Ehe wir von dem Landhaus aufbrachen, mußte<br />
uns die schöne Adela noch die Namen e<strong>in</strong>iger der Lieder, die sie gesungen,<br />
<strong>in</strong> unsere Taschenbücher schreiben, was sie auch bereitwillig<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 333<br />
that; dann brachen wir auf und erreichten mit s<strong>in</strong>kender Nacht Cordova<br />
unter Scherz und Lachen. Auch Guitarren und Castagnetten ruhten<br />
unterwegs nicht; doch schien e<strong>in</strong> solcher nächtlicher Lärm selbst <strong>in</strong> den<br />
stillen Straßen der Stadt ke<strong>in</strong> Aufsehen zu erregen. Es war das ja bei<br />
diesem heitern lustigen Volke nichts Ungewöhnliches und ke<strong>in</strong> Mensch<br />
bekümmerte sich darum. Als höfliche Leute und reisende Müßiggänger,<br />
die jedoch mit dem Rest ihres Abends nichts anzufangen wußten,<br />
begleiteten wir die jungen Damen nach Hause, d. h. nur bis an die Thüre<br />
ihrer Behausungen, und zwar <strong>in</strong> Begleitung Don Juanito’s, der e<strong>in</strong><br />
höchst drolliger und aufgeweckter Bursche war. Auch zeigte er uns bereitwillig<br />
die Art und Weise e<strong>in</strong>er spanischen Serenade, und lockte mit<br />
den Tönen se<strong>in</strong>er Guitarre und e<strong>in</strong>er neckischen Seguidilla e<strong>in</strong>ige der<br />
jungen Damen noch auf den Balkon h<strong>in</strong>aus, so die schöne Adela, die so<br />
freundlich war, noch e<strong>in</strong>en Strauß Orangenblüthen herabzuwerfen und<br />
nicht für den Sänger, wie sie lachend ausdrücklich rief, sondern für die<br />
fremden Begleiter. – Das alte Cordova ist trotz se<strong>in</strong>er <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit e<strong>in</strong>e<br />
prächtige Stadt, und unter Lachen und Guitarrenklang zogen wir durch<br />
die leeren Straßen dah<strong>in</strong>, die Worte des Dichters recitirend:<br />
Auf, Page, folge me<strong>in</strong>en Pfaden,<br />
H<strong>in</strong>aus mit Tambur<strong>in</strong>geklirr;<br />
Heut Abend will ich Serenaden,<br />
Daß fluchen sollen die Alcaden<br />
Bis an den Guadalquivir!<br />
Als wir <strong>in</strong> unsern Gasthof zurückgekehrt waren, gestanden wir uns,<br />
e<strong>in</strong>en sehr schönen Nachmittag verlebt zu haben, und dankten unserm<br />
Wirthe für die reizende Tertulla, zu der er uns geführt.