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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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124 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

Abends war <strong>in</strong> der wunderbarsten Färbung der Abendsonne. Man geht<br />

den Fluß entlang, der tief unter uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schlucht von fünf- bis sechshundert<br />

Fuß Tiefe rauscht und an dessen uns gegenüberliegendem Ufer<br />

sich fast <strong>in</strong> gleicher Höhe mit uns der platte, nach allen Seiten schroff<br />

abfallende Felskegel erhebt, auf welchem die Stadt liegt.<br />

Während man ihn so umwandelt, zeigen sich bei jedem Schritt neue<br />

und immer schönere Bilder unserem entzückten Auge. Bald fesseln uns<br />

die wilden Felsen, an deren Rande wir stehen, mächtige kahle Ste<strong>in</strong>platten,<br />

aber von herrlich warmer rother und gelber Färbung mit dem<br />

mageren Grün e<strong>in</strong>zelner größerer Buchsbaumsträucher, welche hier und<br />

da <strong>in</strong> den Fugen wachsen. Diese Felsen <strong>in</strong> den wunderlichsten Formen<br />

dehnen sich nach allen Seiten aus, sich rückwärts an die trostlose Ebene<br />

anschließend; vor uns bilden sie tiefe, zackige Spalten, <strong>in</strong> welchen<br />

der grüne Tajo rauscht und schäumt. Schatten bedeckt schon se<strong>in</strong>e Fluten<br />

und ebenso die gegenüberliegende Felswand, die oben mit dem eigenthümlichsten<br />

Durche<strong>in</strong>ander von Bauwerken gekrönt ist. Zwischen<br />

altem Gemäuer und zerstörten Thürmen hat sich e<strong>in</strong> Neubau e<strong>in</strong>genistet,<br />

dessen Fenster glänzen und strahlen. Alte Festungswerke, die den<br />

Abhang h<strong>in</strong>abklettern, sche<strong>in</strong>en wegen ihres moosbedeckten Geste<strong>in</strong>s<br />

mit den Felsen, an welchen sie kleben, zu <strong>E<strong>in</strong></strong>er Masse verwachsen zu<br />

se<strong>in</strong>. Über diese h<strong>in</strong>auf bauen sich staffelförmig die Häuser der Stadt<br />

<strong>in</strong> dem bunten Allerlei von Bauwerken so vieler Jahrhunderte, die wir<br />

schon früher beschrieben; aber der helle Sonnensche<strong>in</strong>, der darauf lagert,<br />

gleicht alles das aufs freundlichste aus und gibt den Terrassen und<br />

Hohlziegeldächern, den Kuppeln und Thürmen die gleiche glühend röthliche<br />

Färbung.<br />

Langsam gehen wir vorwärts, und langsam sche<strong>in</strong>t sich die Stadt vor<br />

uns zu drehen, während wir sie umwandeln, und führt uns immer neue<br />

malerische Bilder vor Augen. Ist es nicht e<strong>in</strong>e gezackte Mauer, die tief<br />

h<strong>in</strong>abgeht bis zum Wasserspiegel, so ist es e<strong>in</strong> trotziger Thurm, der so<br />

keck auf e<strong>in</strong>em Felsenvorsprunge steht, daß man sich wundert, wie ihn<br />

nicht schon lange der W<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>abgeweht. Bald s<strong>in</strong>ken die Häusermassen<br />

Toledos vor unserem Blicke sche<strong>in</strong>bar zusammen, bald steigen sie<br />

wieder hoch empor, je nach unserem Standpunkte; aber immer liegt die<br />

alte ritterliche Stadt vor uns, gleich schön und prächtig, bei jedem Schritt<br />

KAPITEL 15. TOLEDO. 125<br />

für Maler und Zeichner die verschiedensten und dankbarsten Aufgaben<br />

zu zeigen. Von der Kathedrale sieht man den Thurm auf dem ganzen<br />

Wege; nur zuweilen zeigt sich die niedrigere Kirche zwischen den Häusern,<br />

um aber beim Weiterschreiten unserem Blicke bald wieder zu verschw<strong>in</strong>den.<br />

Fast beständig haben wir dagegen die gewaltigen Massen<br />

des Alcazars vor uns, der hoch emporragt über die Stadt, Alles beherrschend.<br />

Der Fußpfad selbst, auf dem wir gehen, wird mit jedem Schritte malerischer<br />

und <strong>in</strong>teressanter. Wir haben das Felsplateau verlassen, e<strong>in</strong> Hohlweg<br />

nimmt uns auf, <strong>in</strong> dem wir auf schlüpfrigen Ste<strong>in</strong>en abwärts steigen,<br />

und wir sehen e<strong>in</strong>e Zeit lang nichts als graue Mauern zu beiden Seiten<br />

und e<strong>in</strong>en schmalen Streifen des dunkelblauen Himmels über uns.<br />

Jetzt bemerken wir zu unserer L<strong>in</strong>ken e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e, offene Pforte, wir treten<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und bef<strong>in</strong>den uns auf e<strong>in</strong>er Terrasse, von deren Stützmauern<br />

es Hunderte von Fußen steil <strong>in</strong> den Tajo h<strong>in</strong>abgeht. Die Brustwehr hat<br />

e<strong>in</strong>e Veranda, zwischen deren Säulen h<strong>in</strong>durch, und von ihnen gleichsam<br />

e<strong>in</strong>gerahmt, wir e<strong>in</strong>e neue köstliche Ansicht der gegenüberliegenden<br />

Stadt haben. Niemand stört uns hier, als wir uns, im Anschauen versunken,<br />

auf der Brustwehr niederlassen; denn Terrasse und Veranda ist<br />

nicht Privat-Eigenthum, sondern gehört zu e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Kapelle, die im<br />

H<strong>in</strong>tergrunde <strong>in</strong> den Felsen gehauen ist, deren Thüren weit offen stehen,<br />

welche uns e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en, mit Heiligenbildern und Goldflittern ausgeputzten<br />

Altar zeigen, und e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Christusbild, bei dem die ewige<br />

Lampe brennt, heimlich und traulich <strong>in</strong> dieser <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit. Neben dieser<br />

Kapelle ist kunstlos e<strong>in</strong>e flache Schale <strong>in</strong> den Ste<strong>in</strong> gehauen, <strong>in</strong> welche<br />

aus dem Felsen e<strong>in</strong> Strahl frischen, klaren Wassers h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>sprudelt.<br />

Leider können wir uns nicht zu lange hier aufhalten, denn die Sonne<br />

ist schon stark h<strong>in</strong>abgesunken, und wir haben noch e<strong>in</strong> ziemlich Stück<br />

Weges bis zur Brücke von Alcantara. Bald haben wir den Hohlweg verlassen,<br />

überschauen abermals von der Höhe die ganze Stadt und folgen<br />

nun unserem schmalen Pfade, der uns rechts <strong>in</strong> das Land h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>führt; an<br />

den Felsplatten weg steigen wir ziemlich steil abwärts und haben nach<br />

wenigen M<strong>in</strong>uten e<strong>in</strong> stilles und e<strong>in</strong>sames Thal erreicht, so still und völlig<br />

abgeschieden, daß man glauben sollte, meilenweit um uns her seien<br />

nicht die Spuren e<strong>in</strong>er menschlichen Wohnung. Die Wände dieses Tha-

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