Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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246 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
Die Thür öffnet sich langsam und wir treten e<strong>in</strong>. Was wir aber hier sehen,<br />
können Worte nicht schildern. Kann man ja auch nicht die wunderbaren<br />
Klänge der Musik beschreiben, oder vielmehr nicht ihre Wirkung,<br />
nachdem sie uns im Innersten ergriffen und gerührt. So auch hier. Gewöhnlich<br />
wird e<strong>in</strong>e gespannte Erwartung nicht befriedigt; aber hier <strong>in</strong><br />
der Alhambra wird sie übertroffen. Das Thor hat sich h<strong>in</strong>ter uns wieder<br />
geschlossen, tiefe Stille umgibt uns und wir bef<strong>in</strong>den uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er andern,<br />
e<strong>in</strong>er Mährchenwelt. So muß es den fahrenden Rittern zu Muthe<br />
gewesen se<strong>in</strong>, die sich kämpfend und siegend durch alle H<strong>in</strong>dernisse<br />
durchschlugen und jetzt endlich das Feenschloß erreichten, <strong>in</strong> dessen<br />
Räumen das kostbare Gut zu f<strong>in</strong>den ist, dem sie nachgestrebt. – Das<br />
Schwert ents<strong>in</strong>kt ihrer Hand, sie können nur staunen und bewundern.<br />
Wir bef<strong>in</strong>den uns nach Durchschreitung e<strong>in</strong>es dunkeln Vestibüles <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Hofe, den die Mauren Mesuar nannten, jetzt aber heißt er de los<br />
Arrayjanes, Hof der Myrthen, oder Patio de la Alberca, der Hof des<br />
Teiches; vor uns haben wir e<strong>in</strong> etwas über hundertzwanzig Fuß langes<br />
und etwa dreißig Fuß breites marmornes <strong>in</strong> den Fußboden e<strong>in</strong>gelassenes<br />
Becken, der Länge nach auf beiden Seiten bekleidet mit Rosenhecken<br />
und Gesträuch; der Teich ist mit klarem Wasser gefüllt, das von<br />
Goldfischen belebt ist, und die r<strong>in</strong>gs um die Pflanzenbeete herlaufenden<br />
Gänge s<strong>in</strong>d mit breiten Platten von weißem Marmor belegt. Zu unserer<br />
Rechten, sowie zu unserer L<strong>in</strong>ken bef<strong>in</strong>den sich an den schmalen Seiten<br />
des Hofs zwei offene Hallen von je sieben Bogen und von schlanken<br />
Marmorsäulen getragen, die Bogen s<strong>in</strong>d im Halbkreis geschlossen<br />
und die filigranartigen <strong>in</strong> Stuck ausgeführte Ornamente über und an<br />
den Bogen s<strong>in</strong>d noch vortrefflich erhalten, die Decken der h<strong>in</strong>ter diesen<br />
Bogen h<strong>in</strong>laufenden Hallen glänzen uns <strong>in</strong> ihrer Farbenpracht und <strong>in</strong><br />
ihren wunderbaren Arabesken wie e<strong>in</strong> geöffnetes Schatzkästle<strong>in</strong> entgegen;<br />
das leuchtet und strahlt durch e<strong>in</strong>ander, und das Auge ist lange<br />
nicht im Stande, irgend etwas mit gehöriger Ruhe zu betrachten. Alles<br />
ist mit Skulpturen bedeckt, die <strong>in</strong> Roth, Blau, Gelb und Grün gemalt<br />
s<strong>in</strong>d, vom Fußboden bis zur Höhe der Lambris erheben sich glänzende<br />
Fayenceplatten, Azulejos, das Ganze mit e<strong>in</strong>em Netze der phantastischsten<br />
Fäden überziehend, welche bald die wunderbarsten Arabesken<br />
darstellen, bald <strong>in</strong> zierlichen Buchstaben arabische Sprüche. Hier im<br />
KAPITEL 18. GRANADA. 247<br />
Hofe des Teichs f<strong>in</strong>det man häufig den Spruch: Và le ghalibile Allah, Gott<br />
alle<strong>in</strong> ist Sieger; der Wahlspruch von Aben-Hamar, den er se<strong>in</strong>em Volke<br />
entgegenrief, wenn sie ihn Ghalib, Sieger, nannten. Man f<strong>in</strong>det ihn<br />
unzählige Male, meistens auf Fayenceplatten, die e<strong>in</strong>en blauen Balken<br />
im silbernen Felde zeigen. Die beiden Langwände, die diesen Hof umschließen,<br />
von gleicher Höhe wie die Bogenstellung der Hallen, s<strong>in</strong>d nur<br />
von wenigen Thüren und kle<strong>in</strong>en darüber angebrachten Fenstern, die<br />
das obere Stockwerk beleuchten, durchbrochen und machen e<strong>in</strong>en sehr<br />
wohlthätigen ruhigen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck, aber jede dieser e<strong>in</strong>zelnen Öffnungen<br />
ist <strong>in</strong> so wunderlieblicher Weise durch die sie umgebenden ornamentirten<br />
Rahmen e<strong>in</strong>gefaßt, und wird durch die über den Marmorboden<br />
h<strong>in</strong>laufenden Lambris von bunten Fayenceplatten mit den andern verbunden,<br />
daß sie das <strong>in</strong>nigste Wohlgefallen erwecken. Nachdem wir uns<br />
<strong>in</strong> der bei unserem <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt zu unserer L<strong>in</strong>ken gelegenen Bogenhalle sattsam<br />
umgesehen, uns <strong>in</strong> den an ihren beiden Enden angebrachten, mit<br />
den zierlichsten Azulejos ausgetäfelten Nischen niedergelassen, erkennen<br />
wir erst den neuen Reiz der an den Palast Karl V. angelehnten gegenüberliegenden<br />
Seite, die sich <strong>in</strong> entzückender Weise <strong>in</strong> dem Wasserbecken<br />
abspiegelt, und die auf der untern Bogenreihe noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />
Halbstockwerk, und darüber e<strong>in</strong>e zweite Reihe von Arcaden, den untern<br />
ähnlich trägt, und so das schwerfällige Nachbargebäude verdeckt.<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong> sehr fe<strong>in</strong>es Gefühl ließ die Araber den mittlern untern Bogen diesseits<br />
und jenseits größer als die übrigen machen, um dem spr<strong>in</strong>genden<br />
Strahl aus der im Boden senkrecht je unter dem Mittelbogen bef<strong>in</strong>dlichen<br />
Schale Platz zu geben und die Übersicht über den Hof, unter der<br />
Thüre, die <strong>in</strong> den anstoßendm Raum führt, noch freier und unbeengter<br />
zu gewähren.<br />
Dieses h<strong>in</strong>ter den Arcaden liegende lange und schmale Gemach, parallel<br />
mit der Halle laufend und von gleicher Länge, Sala de la Harca oder<br />
Halle des Segens genannt, dient als Vorzimmer zum Saal der Gesandten.<br />
Rechts und l<strong>in</strong>ks <strong>in</strong> der Mauer vor der <strong>E<strong>in</strong></strong>gangsthür bef<strong>in</strong>den sich kle<strong>in</strong>e<br />
Nischen, wo diejenigen, welche vor den König traten, ihre Pantoffeln<br />
ablegten. Eigenthümlich ist e<strong>in</strong>e Inschrift, die sich hier bef<strong>in</strong>det, und die<br />
von dem Hofe und Saale sprechend, <strong>in</strong> Versen sagt: Wenn Du me<strong>in</strong>e<br />
Schönheit anschaust, ohne Beziehung auf Gott, so muß ich Dir sagen,