Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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284 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
hend am Fuße des erhabenen zackigen Schneegebirges im rosigen Morgenlichte<br />
langsam aufzublühen sche<strong>in</strong>t. Dort liegt die Alhambra, ihre<br />
trotzigen Thürme heben sich ab von der dah<strong>in</strong>ter liegenden Wand des<br />
Gebirges, doch nicht so klar und deutlich, als die kle<strong>in</strong>e reizende Xeneralife<br />
mit ihren weißen Säulen und Bogengängen auf dem fast schwarzen<br />
H<strong>in</strong>tergrunde der Cypressen. – Das ist e<strong>in</strong> verkörperter Traum, e<strong>in</strong>e<br />
verwirklichte Phantasie. – Waren wir wirklich dort, haben wir wirklich<br />
gesehen den Löwenhof und den lieben Garten der Sultan<strong>in</strong>, haben wir<br />
wirklich gewandelt unter den Säulenhallen der Xeneralife und dort s<strong>in</strong>nend<br />
h<strong>in</strong>abgestaunt auf das prachtvolle Granada zu unsern Füßen, haben<br />
wir wirklich die Hand gelegt an den Stamm der uralten Ceder, unter<br />
welcher die schöne König<strong>in</strong> ihre Liebesnacht gefeiert <strong>in</strong> den Armen<br />
des kühnen Abencerragen, haben wir wirklich von dem klaren Quell<br />
getrunken, der, e<strong>in</strong> toller Felsbach, durch die Gärten und den Hof der<br />
Xeneralife dah<strong>in</strong>schießt, über Treppen herab und unter dichten Lorbeerlauben<br />
h<strong>in</strong>weg, jetzt als ächter Sohn des Gebirges, jetzt e<strong>in</strong>geengt <strong>in</strong> grünen<br />
glänzenden R<strong>in</strong>nen oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wasserleitung von weißem Marmor,<br />
was er sich aber gerne gefallen ließ, denn <strong>in</strong> ihm spiegelten sich<br />
zwischen blühenden Rosen schwarze, unaussprechlich sehnsuchtsvolle<br />
maurische Augen? –<br />
Ja wir waren dort, wir haben all das Schöne gesehen und genossen<br />
und müssen nun diesem Paradiese den Rücken kehren und gewiß auf<br />
Nimmerwiedersehen; aber etwas Köstliches nehmen wir mit uns, die<br />
Er<strong>in</strong>nerung, sie soll uns nicht verlassen, vielmehr erfrischend <strong>in</strong> unsern<br />
Herzen walten, wenn der Frost des gewöhnlichen Lebens dasselbe kältend<br />
zu überziehen droht.<br />
Alonzo drängt zum Fortreiten, aber wir können uns noch nicht trennen<br />
von diesem zauberischen Platze. Von Granada kl<strong>in</strong>gen die Glocken<br />
zu uns herüber; rechts zu unsern Füßen liegt Soto de Roma, dessen Wälder<br />
damals schon waren, als noch maurische Fahnen von den Z<strong>in</strong>nen<br />
der Alhambra wehten, und welch wichtige Rolle spielten jene Wälder <strong>in</strong><br />
jener Zeit, wo sie den Christen zum Versteck und Sammelplatz dienten,<br />
ehe sie zum Kampf <strong>in</strong> die Ebene zogen. Vielleicht ist noch e<strong>in</strong>e uralte Eiche<br />
vorhanden, die uns erzählen könnte von Ponce de Leon und andern<br />
christlichen Rittern, die sich unter ihren Zweigen gewaffnet, nachdem<br />
KAPITEL 19. NACH CORDOVA 285<br />
sie Botschaft gesandt an den König von Granada, er möge heraussenden<br />
se<strong>in</strong>e Tapfersten zum Zweikampf.<br />
Und dort weiter <strong>in</strong> der Ebene bei jenem verfallenen Thurm, wo jetzt<br />
der Staub aufwirbelt, da auf jener Stelle vielleicht krachten die Lanzen<br />
und blitzten die Kl<strong>in</strong>gen, während von den Z<strong>in</strong>nen der Alhambra der<br />
König und se<strong>in</strong> Gefolge niedersah und während sich e<strong>in</strong> paar schwarze<br />
Augen ohnmächtig schloßen, wenn der Maure dem Christen unterlag,<br />
nachdem der Schild zersplittert, der Schild mit Halbmond und Devise.<br />
Sie s<strong>in</strong>d vorüber, jene Zeiten, wie auch die Tage, die wir <strong>in</strong> den prachtvollen<br />
Überbleibseln jener alten gewaltigen Zeit zubr<strong>in</strong>gen durften. Unser<br />
Führer mahnt zum Fortreiten, und wenn wir auch den widerstrebenden<br />
Pferden den Zügel lassen, so blicken wir doch im Sattel gewendet<br />
noch immer rückwärts auf die Ebene und die mit leichtem Morgennebel<br />
umkränzte Stadt. Dort, weit h<strong>in</strong>ter derselben, auf dem letzten Ausläufer<br />
des Alpujarras, blickt wieder jener eigenthümlich geformte Hügel hervor,<br />
den wir schon von der Alhambra sahen, el sospiro del Moro, und<br />
hatten wir nicht fast das gleiche Schicksal wie der unglückliche König<br />
Boabdil? auch wir sehen ja diese göttlichen Gefilde zum letztenmal.<br />
Ja, zum letztenmal. Sanft kl<strong>in</strong>gen die Glocken von Granada herüber<br />
und der leise W<strong>in</strong>d trägt den Schall an unser Ohr. Dieselben Klänge,<br />
welche der Pilger, der hier oben überrascht von der herrlichen Ebene<br />
betrachtend stehen blieb, schon vor so viel hundert Jahren hörte. Drunten<br />
liegen die Wälder der Soto de Roma, grade wie ehedem, und der<br />
Xenil rauscht durch die Ebene mit demselben Flüstern, mit dem er manchen<br />
verwundeten Mauren und Christen e<strong>in</strong>schläferte; und über alles<br />
das h<strong>in</strong>aus blicken die leuchtenden, schneebedeckten Gipfel der Sierra<br />
Nevada und stehen da <strong>in</strong> alter Pracht und Herrlichkeit, während die<br />
Geschlechter zu ihren Füßen beständig wechseln. Ja, die ernsten Berge<br />
sahen Römer, Gothen, Mauren und Christen durch diese Ebenen ziehen<br />
und werden noch manchen Wanderer erblicken, der, wie wir, hier oben<br />
stehend e<strong>in</strong>en letzten traurigen Blick auf die liebe Stadt wirft – Lebewohl,<br />
Granada!<br />
Alonzo hatte uns im Stiche gelassen und war auf se<strong>in</strong>em starken<br />
Maulthiere weiter geritten. Wir folgten ihm <strong>in</strong> scharfem Trabe und holten<br />
ihn erst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er starken halben Stunde wieder e<strong>in</strong>. Die Aussicht auf