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Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer

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104 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />

risch schön ist Toledo, die alte Hauptstadt Castiliens, über alle Beschreibung<br />

prächtig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ru<strong>in</strong>en und Anklängen an die vergangene gewaltige<br />

Zeit. Wie seltsam zeichnete sich die Felsenstadt <strong>in</strong> ihrer gelben<br />

und röthlichen Färbung von dem tiefblauen Himmel ab, eigenthümlich<br />

und großartig! Toledo liegt auf e<strong>in</strong>em steilen, von allen Seiten frei stehenden<br />

Felsen; se<strong>in</strong>e Wohnhäuser s<strong>in</strong>d keck über e<strong>in</strong>ander gebaut, und<br />

zwischen den mannigfaltigen altersgrauen Massen ragen schlanke Saracenenthürme<br />

hervor neben Festungswerken späterer, christlicher Jahrhunderte,<br />

während Überreste ehemaliger Festungsmauern e<strong>in</strong>en ste<strong>in</strong>ernen<br />

Gürtel um sie ziehen. Aber diese Festungswerke, diese Überreste<br />

alter stolzer Schlösser s<strong>in</strong>d so sonderbar zerrissen und verwittert, daß<br />

das Auge mit Entzücken über diese wunderbaren Ru<strong>in</strong>en dah<strong>in</strong>fliegt.<br />

Hier steigt e<strong>in</strong> stolzes Gebäude seltsam gezackt <strong>in</strong> unzähligen Terrassen<br />

vom Ufer des Tajo bis hoch empor an den Fuß des Alcazar. Aber <strong>in</strong> dem<br />

dunklen Mauerwerk ist ke<strong>in</strong> Fenster mehr, das freundlich dem Abendsonnenstrahl<br />

zum Spiegel diente; die Thüren s<strong>in</strong>d verschwunden, und<br />

da auch die h<strong>in</strong>tere Mauer e<strong>in</strong>gestürzt ist, so sieht man durch die leeren<br />

Fensterhöhlen das gelbe Geste<strong>in</strong>, an welches sich der Bau lehnt, und den<br />

blauen Himmel.<br />

Und immer neue Schönheiten erblickt man, während man langsam<br />

emporreitet. Auf e<strong>in</strong>em Felsen zu unserer L<strong>in</strong>ken gegenüber der Stadt<br />

liegt e<strong>in</strong> altes Saracenenschloß aus gelbröthlichem Ste<strong>in</strong> erbaut, der noch<br />

<strong>in</strong> der Abendsonne flimmert und glänzt, während dunkle Schatten schon<br />

auf unseren Weg und die tiefer liegenden Theile von Toledo fallen. Nur<br />

der Alcazar glänzt noch herausfordernd im Strahl der s<strong>in</strong>kenden Sonne,<br />

und das christliche Schloß sche<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>em gegenüber liegenden fe<strong>in</strong>dlichen<br />

Bruder <strong>in</strong> Ermangelung anderer Kämpfe wenigstens den letzten<br />

Kuß der Sonne streitig machen zu wollen.<br />

Als Festung e<strong>in</strong>er ehemaligen, ganz anderen Zeit hat Toledo e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />

Lage. In e<strong>in</strong>er tiefen, steilen Schlucht strömt der Tajo, der Fluß mit<br />

goldenem Sand, fast ganz um den Felsen, auf welchem die Stadt wie auf<br />

e<strong>in</strong>er Insel liegt; nur zwei gewaltige Brücken vermitteln die Verb<strong>in</strong>dung<br />

– mit dem Festlande, könnte man sagen. Denken wir uns diese abgebrochen<br />

oder theilweise zerstört, so begreifen wir wohl, was die alten<br />

Geschichtschreiber erzählen von den furchtbaren Stürmen auf Toledo,<br />

KAPITEL 14. ARANJUEZ. 105<br />

die Hunderttausende von Menschenleben gekostet. An diesen glatten,<br />

steilen Felsen konnte man nur auf Händen und Füßen emporkriechen,<br />

und e<strong>in</strong> herabgerollter Baumstamm mußte Hunderte mit sich <strong>in</strong> die Tiefe<br />

reißen.<br />

Dabei lag die Stadt so e<strong>in</strong>sam und todt vor uns, ke<strong>in</strong> Geräusch verkündete,<br />

daß sie bewohnt sei, und als wir über die von Fels zu Fels von<br />

König Almansor von Cordova im Jahre 987 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Bogen<br />

gesprengte Brücke von Alcantara ritten, hoch über dem dunklen, rauschenden<br />

Wasser, da klapperten die Hufe unserer Pferde wahrhaft gespenstig<br />

auf dem schweren Pflaster der ehemaligen Zeit. Seltsam hallte<br />

das Echo wieder unter dem trotzigen Festungsthore mit se<strong>in</strong>em f<strong>in</strong>steren<br />

Gewölbe, von dem dah<strong>in</strong>ter aufsteigenden Felsen und der Riesenmauer<br />

des Königs Wamba, und schien uns erzählen zu wollen von<br />

anderen, bedeutenderen Leuten, die es e<strong>in</strong>st wachgerufen aus se<strong>in</strong>em<br />

Schlafe, von Sultan Mulay und dem Cid Campeador, die häufig hier<br />

aus- und e<strong>in</strong>gezogen. Hoch oben vom Thor schaut der gewaltige Doppeladler<br />

Karl’s V. auf uns herab und gemahnt uns an dessen prächtige<br />

Regierungszeit.<br />

H<strong>in</strong>ter diesem Thore führt e<strong>in</strong> Mauergang rechts um die Stadt, sehr<br />

hoch über der Ebene, die wir vorh<strong>in</strong> verlassen, aber immer noch um<br />

Hunderte von Fußen überragt von den Gebäudemassen zu unserer L<strong>in</strong>ken.<br />

Die niedere Brustwehr erlaubte uns e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong> die Fläche h<strong>in</strong>aus,<br />

die im letzten Strahl der Abendsonne vor uns lag und <strong>in</strong> deren gelbgrauer<br />

Öde man weit, weit h<strong>in</strong>aus den Lauf des Tajo mit den Augen<br />

verfolgen kann. Nachdem wir ziemlich steil, aber immer noch an dieser<br />

äußeren Brustwehr geritten waren, wandte sich der Weg scharf l<strong>in</strong>ks,<br />

das glatte Pflaster wurde steil wie e<strong>in</strong> Dach, und wir betraten die eigentliche<br />

Stadt durch e<strong>in</strong>en maurischen Thorbogen, die sogenannte Puerta<br />

del Sol, der, alle<strong>in</strong> übrig geblieben, zwischen Mauern aus der christlichen<br />

Zelt dastand und mir wahrhaft rührend erschien. War es doch das<br />

erste derartige gut erhaltene Bauwerk, dem wir <strong>in</strong> <strong>Spanien</strong> begegneten,<br />

und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er zierlichen Hufeisenform mit den se<strong>in</strong>en Sculpturen und<br />

den wohl erhaltenen arabischen Charakteren klang es besonders mir<br />

wie e<strong>in</strong> freundlicher Gruß aus dem fernen Orient, aus dem herrlichen<br />

Damascus, der Wiege se<strong>in</strong>er Erbauer, die ja auch ich e<strong>in</strong>stens geschaut,

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