Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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372 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
e<strong>in</strong> paar Ste<strong>in</strong>chen aufzulesen, die ich mir später <strong>in</strong> den Griff e<strong>in</strong>er Toledaner<br />
Dolchkl<strong>in</strong>ge fassen ließ, bestiegen wir unsere Fuhrwerke wieder,<br />
worauf unsere Maulthiere, des langen Stehens überdrüssig, im lustigen<br />
Trabe gegen Xerez eilten.<br />
Die Gegend, durch welche wir fuhren, blieb sich auch von hier aus<br />
ziemlich gleich: leichte, wellenförmige Hügel, hie und da mit Nadelholz<br />
bewachsen; nur <strong>in</strong> der Gegend der Stadt wurde des Heidelandes<br />
und Sandbodens weniger und die Fruchtfelder und Olivenpflanzungen<br />
mehrten sich; wonach wir aber vergebens ausschauten, das waren die<br />
We<strong>in</strong>berge, welche den berühmten We<strong>in</strong> von Xerez, den von den Engländern<br />
so sehr geliebten Sherry liefern sollten. Wenn wir auch auf den<br />
südlichen Abhängen e<strong>in</strong>iger Hügel hie und da Rebenanpflanzungen sahen,<br />
so waren diese doch ganz unbedeutend und nicht der Rede werth;<br />
gegenüber dem ungeheuren We<strong>in</strong>quantum, welches die halbe Welt mit<br />
Sherry versorgt, und hier – erzeugt wird. Ich glaube, daß es eigentlich<br />
heißen sollte: fabricirt wird; so me<strong>in</strong>te wenigstens unser Begleiter, Baron<br />
W., welcher die Behauptung aufstellte, der meiste We<strong>in</strong> von Xerez sei e<strong>in</strong><br />
Absud von Ros<strong>in</strong>en mit vortrefflichem Alcohol und Honig versetzt und<br />
so mundgerecht gemacht, auf welche Art ja auch schon seit längerer Zeit<br />
e<strong>in</strong> vervollkommneter Sherry <strong>in</strong> Marseille fabricirt wird.<br />
Xerez liegt auf e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Anhöhe, und die weißen und hübschen<br />
Häuser s<strong>in</strong>d überragt von der hochaufsteigenden Kathedrale. Bevor wir<br />
langsam zur Stadt h<strong>in</strong>auffuhren, sahen wir unten im Thale e<strong>in</strong> Stück<br />
Eisenbahn <strong>in</strong> der Arbeit begriffen, welche dazu bestimmt ist, Xerez mit<br />
Santa Maria, also mit dem Meere zu verb<strong>in</strong>den.<br />
Da wir von Cadiz Empfehlungsbriefe an e<strong>in</strong>es der größten We<strong>in</strong>häuser<br />
<strong>in</strong> Xerez erhalten hatten, so wurden wir hiervon den Herren Domeque<br />
und Sohn aufs Zuvorkommenste empfangen. Nachdem wir <strong>in</strong><br />
dem prachtvollen Hause e<strong>in</strong> paar schöne Bilder gesehen, worunter e<strong>in</strong><br />
Murillo und e<strong>in</strong> Zurbaran, begleitete uns e<strong>in</strong>er der Herren nach den berühmten<br />
We<strong>in</strong>lagern. Sehr überrascht waren wir, anstatt ausgedehnter<br />
Keller vielmehr große Hallen über der Erde, kirchenartige Schuppen zu<br />
f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> welchen die vollen Fässer <strong>in</strong> wahrhaft unabsehbaren Reihen<br />
auf e<strong>in</strong>ander geschichtet lagerten. Es gibt zwei Hauptsorten Xerezwe<strong>in</strong>,<br />
der Moscatello, der sehr süß ist, sowie der etwas herbere Pedro Ximenes,<br />
KAPITEL 21. NACH GIBRALTAR. 373<br />
die bessere Sorte. Daß der Sherry eigentlich fabricirt wird, gestehen die<br />
We<strong>in</strong>händler natürlicher Weise nicht e<strong>in</strong>; wenn man aber sieht, wie er<br />
gepflegt wird, mit Alcohol und Zucker vermischt, und dann wieder aus<br />
den Mutterfässern, welche e<strong>in</strong>en Stoff enthalten, der oft hundertzwanzig<br />
Jahre alt ist, verbessert, so kann man, wenn auch der Grundstoff<br />
wirklich gekelterte Trauben s<strong>in</strong>d, das Ganze e<strong>in</strong>e Fabrikation nennen.<br />
Man ließ uns von e<strong>in</strong>er Menge von Fässern versuchen, und ich muß gestehen,<br />
daß allerd<strong>in</strong>gs köstlich schmeckende Tröpfchen darunter waren,<br />
für me<strong>in</strong>en Geschmack aber zu ölig und erhitzend. Das älteste Lagerfaß<br />
hieß Napoleon, und der We<strong>in</strong> <strong>in</strong> demselben sollte zweihundert und<br />
fünfzig Jahre alt se<strong>in</strong>. Es war e<strong>in</strong> dunkelbraunes feuriges Getränk, das<br />
<strong>in</strong> dem kle<strong>in</strong>en Gläschen h<strong>in</strong>abrann, wie flüssig gewordenes Harz.<br />
Die Straßen von Xerez de la Frontera s<strong>in</strong>d re<strong>in</strong>lich und hübsch, die<br />
meisten mit stattlichen Häusern besetzt. Üppig ist die aus weißem Marmor<br />
erbaute Front der Kathedrale. Auf dem Marktplatze hatten wir noch<br />
e<strong>in</strong> eigenthümliches Schauspiel. Hier war e<strong>in</strong>e zahllose Menschenmenge<br />
versammelt, welche zusah, wie alte kolossale Palmbäume, die man<br />
mit Wurzel und Krone aus der Umgegend herbeigebracht, und welche<br />
reihenweise <strong>in</strong> den Straßen lagen, hier im Kreise e<strong>in</strong>gepflanzt wurden.<br />
Ich hätte nie gedacht, daß man so alte Bäume noch versetzen könne.<br />
Für die Wurzeln hatte man sehr tiefe Löcher gemacht, und die majestätischen<br />
Bäume wurden mit großen Hebewerken und zahlreichen Tauen<br />
unter dem Zujauchzen der versammelten Menge langsam emporgewunden.<br />
Gegen fünf Uhr verließen wir die Stadt wieder, und erreichten<br />
um sieben Santa Maria, wo wir aber fanden, daß der letzte Dampfer<br />
nach Cadiz bereits abgegangen war. Betrübt waren wir darüber gar<br />
nicht, denn der Gasthof, wo wir beute Morgen gefrühstückt, hatte <strong>in</strong> allen<br />
Theilen e<strong>in</strong>e solch e<strong>in</strong>ladende Miene, auch so freundliche Zimmer,<br />
daß wir uns gern entschlossen, die Nacht dazubleiben. Man bereitete<br />
uns e<strong>in</strong> vortreffliches D<strong>in</strong>er, zu Ehren des Landes tranken wir e<strong>in</strong>ige<br />
Flaschen Sherry und später e<strong>in</strong>en vortrefflichen Punsch, der aus dem<br />
eben so feurigen We<strong>in</strong> von Puerto de Santa Maria zubereitet war, also<br />
e<strong>in</strong>e doppelte Fabrikation. Auf den sehr warmen Februartag hatten wir<br />
bei dem klarsten Himmel e<strong>in</strong>en ziemlich kühlen Abend, so daß uns die<br />
Wärme e<strong>in</strong>es hell lodernden Kam<strong>in</strong>feuers recht wohl that, als wir behag-