Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
Ein Winter in Spanien Zweiter Band - Friedrich Wilhelm Hackländer
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228 HACKLÄNDER: EIN WINTER IN SPANIEN<br />
namentlich das, leider nur von e<strong>in</strong>em ganz kurzen Standpunkt sichtbare<br />
Nordportal. Gekuppelte Colonnen mit daran aufgehängten Wappenschildern<br />
und den oft wiederkehrenden Säulen des Herkules, prächtige<br />
e<strong>in</strong>gerahmte Bogenstellungen, dazwischen angebrachte Nischen und<br />
Cartouchen, durchflochten von Friesen mit allerliebsten K<strong>in</strong>derfiguren,<br />
die <strong>in</strong> den Ranken spielen, machen aus diesem sich über die ganze Höhe<br />
der Façade erstreckenden Portal e<strong>in</strong> so reiches Ensemble, daß es wohl<br />
mit allem Fug an die Seite der Certosa von Pavia gestellt werden darf.<br />
Die südliche Seite des Äußern ist alt und noch ganz gothisch, obwohl<br />
etwas schwerfällig, doch von ganz orig<strong>in</strong>eller Anordnung, wie<br />
denn überhaupt der kle<strong>in</strong>e Platz, der hier neben der Kirche liegt, mit<br />
den <strong>in</strong>teressanten alten Nachbarhäusern e<strong>in</strong>en sehr dankbaren Vorwurf<br />
für e<strong>in</strong>en Architekturmaler abgibt.<br />
In dem eben erwähnten älteren Theil liegt die königliche Kapelle mit<br />
den weltberühmten herrlichen Königsgräbern.<br />
Auf der e<strong>in</strong>en Seite s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong> hohes Gitter abgeschlossen die<br />
Marmorsarcophage mit den liegenden Bildsäulen Ferd<strong>in</strong>ands des Katholischen<br />
von Aragonien und se<strong>in</strong>er Gemahl<strong>in</strong> Isabella, auf der andern<br />
Philipps des Schönen und der tollen Johanna, Meisterstücke spanischer<br />
Bildnerei, wie denn diese ganze geräumige Kapelle mit ihrem schönen<br />
<strong>E<strong>in</strong></strong>gangsportal den wohlthuendsten harmonischen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck h<strong>in</strong>terläßt.<br />
Obgleich wir e<strong>in</strong> anderes berühmtes Bauwerk Granadas, die Cartuja,<br />
erst auf e<strong>in</strong>em späteren Spaziergange <strong>in</strong> Augensche<strong>in</strong> nahmen, so will<br />
ich doch derselben hier mit e<strong>in</strong>igen Worten gedenken. Sie liegt außerhalb<br />
der Stadt, gegen die Seite des Stier-Platzes und e<strong>in</strong> paar englische<br />
Damen, die wir <strong>in</strong> unserem Gasthofe trafen, machten uns die größte<br />
Lust, sie zu sehen, da sie uns sagten, was Schönheit, Pracht und Geschmack<br />
anbelange, verschw<strong>in</strong>de die Alhambra vollkommen neben dieser<br />
Carthause. Obgleich uns das schon damals sonderbar vorkam und<br />
wir etwas mißtrauisch wurden gegen den Geschmack der Engländer<strong>in</strong>nen,<br />
so me<strong>in</strong>te doch auch unser Führer, ben Saken, die Cartuja sei mit<br />
das Prachtvollste, was die Stadt aufzuweisen habe. Wir wollten ke<strong>in</strong>eswegs<br />
über der arabischen Kunst die Denkmäler der christlichen versäumen,<br />
die <strong>in</strong> der That bei Schilderungen Granada’s zu oft <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund<br />
gedrängt werden. Prachtvoll ist das Innere der Kirche der Cartuja<br />
KAPITEL 18. GRANADA. 229<br />
unstreitig, deren <strong>E<strong>in</strong></strong>gangsthüre schon aus seltenem We<strong>in</strong>rebenholz besteht,<br />
denn noch nie sahen wir e<strong>in</strong>e solche Verschwendung von Gold<br />
und e<strong>in</strong>e solche Menge der edelsten Baustoffe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raume beisammen;<br />
die herrlichsten Marmore und Alabaster an den Wänden, überall<br />
die Thüren von wunderbarer Marqueterie aus edlen Hölzern, Perlmutter,<br />
Schildkröte, kostbaren Metallen u. s. w. mit den zierlichsten Zeichnungen<br />
und <strong>in</strong> den kle<strong>in</strong>sten Maßen. Der Camar<strong>in</strong> h<strong>in</strong>ter dem Hochaltar<br />
ist von e<strong>in</strong>er an’s Fabelhafte gränzenden Pracht. Aber leider ist die<br />
Kostbarkeit der Baumaterialien auch Alles, die Verhältnisse und die sonstige<br />
architektonische Anordnung dieses verschnörkelten Raumes hat<br />
ke<strong>in</strong>erlei Verdienst. Für das Non plus ultra wird die daran stoßende Sakristei<br />
gehalten, die nahezu so groß und hoch als die Kirche ist, weiß<br />
mit Gold; Boden, sowie Lambris und Altar mit den buntesten Marmorgattungen<br />
belegt. Die Schränke von unsagbarer Kostbarkeit, aber alle<br />
Gliederungen von unten bis <strong>in</strong>s Deckengewölbe so unruhig <strong>in</strong> allerlei<br />
Geigenformen verschlungen und völlig <strong>in</strong> der Art, als wären sie aus e<strong>in</strong>er<br />
Butterspritze gekommen, daß wir es für das Werk e<strong>in</strong>es wahns<strong>in</strong>nig<br />
gewordenen Baumeisters halten mußten, und ich hiemit jeden Reisenden<br />
darauf, nur als auf e<strong>in</strong> Curiosum aufmerksam gemacht haben will.<br />
Der schöne Ecce Homo von Murillo, der sich dort bef<strong>in</strong>det, kann jedoch<br />
für den Gang entschädigen.<br />
Ben Saken, der an unseren Ausrufungen wohl merkte, wie sehr die<br />
Kirche der Karthause unter unseren Erwartungen geblieben war, veranstaltete<br />
zu unserer Entschädigung e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Imbis, zu dem er We<strong>in</strong><br />
und Brod aus e<strong>in</strong>er benachbarten Locanda holte und den wir <strong>in</strong> dem verwilderten<br />
Klostergarten zu uns nahmen, und dieß war <strong>in</strong> der That e<strong>in</strong>e<br />
Entschädigung. Wir ließen uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em der kle<strong>in</strong>en Gärtchen nieder, die<br />
zu den Zellen gehörten, wo die nun vertriebenen Karthäuser wohnten.<br />
Vom Betpulte h<strong>in</strong>weg waren die frommen Mönche mit zwei Schritten<br />
<strong>in</strong> der freien Natur, wo sie ihre Rosen pflegten und ihr Grab gruben;<br />
heute aber ist von e<strong>in</strong>er Pflege der üppig wuchernden Gesträuche nicht<br />
mehr die Rede und nach und nach haben die rankenden Rosenzweige<br />
die Ste<strong>in</strong>bank bedeckt, über welche sie früher e<strong>in</strong>e Laube zum Schutz<br />
gegen die Sonne bildeten, aber gerade <strong>in</strong> dieser Verwilderung s<strong>in</strong>d die<br />
Gärten der Karthause so über alle Beschreibung romantisch und schön.